Das Floriani-Prinzip

Eine Gnackwatsch’n für Österreich und seinen Kurswechsel in der Asylpolitik

«Wir schaffen das!» steht auf dem Refugees Welcome-Transparent an der Hauswand der Linzer KAPU und ärgert täglich hunderte Schlechtmenschen, die sich daran vorbeistauen müssen. Gemeint ist die Flüchtlingskrise und zitiert wird Angela Merkel. Das ist an sich schon bemerkenswert, denn bislang gehörte die CDU-Kanzlerin nicht unbedingt zu den positiven Referenzpunkten des alternativen Kulturzentrums, das über die Wintermonate selbst zum Notquartier für gestrandete Flüchtlinge wurde. Doch so absurd es auch klingen mag: In einem Europa, in dem der Nationalismus seine hässliche Fratze von neuem erhebt, erscheint Merkel geradezu als Lichtgestalt der Vernunft und Humanität. Selbst viele Linke drücken ihr plötzlich die Daumen, zittern mit und verfolgen gebannt das Ringen auf europäischer Ebene. Merkels Standfestigkeit verdient Respekt, ihre Haltung jede mögliche Unterstützung. Doch was macht Österreich?

Im denkbar schlechtesten Moment ändert die Bundesregierung ihren Kurs um 180° und lässt Merkel und damit die Flüchtlinge einfach im Stich. Vorbei ist die Aufbruchstimmung des Herbstes, als man zumindest ein paar Wochen richtig stolz sein konnte: auf die Willkommenskultur, die Zivilgesellschaft, die humanitären Gesten des Kanzlers und sogar auf die ÖBB. Endlich hatte das Land einmal eine positive Rolle, nachdem gerade Österreich über Jahre hinweg eine gemeinsame europäische Asylpolitik blockiert und hintertrieben hat. Österreich stand auf der richtigen Seite, nur um im entscheidenden Moment doch noch auf die falsche zu wechseln. Wie schade, wie schändlich, wie traurig. Nun spielen wir im Team von Menschenfeinden wie Orbán, Kaczyński und Zeman und kleinkarierten Provinzpolitikern wie Seehofer und Niessl. Viel schlimmer noch: Anstatt betreten zu schweigen, mischt Österreich kräftig auf dem Balkan mit, schmiedet im Alleingang Allianzen gegen die völlig überforderten Griechen, löst eine Kettenreaktion an Grenzschließungen aus und ist damit maßgeblich für das Elend verantwortlich, das sich gerade an der griechisch-mazedonischen Grenze abspielt. Zyniker à la Kurz, Mikl-Leitner und Doskozil haben das Ruder an sich gerissen und das Floriani-Prinzip zur neuen außenpolitischen Doktrin erklärt: «Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus / Zünd’ and’re an!»

Dafür gibt’s eine kräftige Gnackwatsch’n und sollte Merkel es tatsächlich nicht schaffen, dann wird auch Österreich vor der Geschichte dafür geradestehen müssen. Eines sei noch gesagt und auch hier muss die deutsche Kanzlerin als Inspiration dienen: Das ist nicht mein Österreich.

Manchmal böse, meistens lustig und immer respektlos. Alle Gnackwatsch’n von 2001–2014 gesammelt und kommentiert in der Edition Gnackwatsch’n. Jetzt bestellen auf kupf.at