Im April 2015 wurde der 2. bundesweite Freiwilligenbericht veröffentlicht. Was hat sich in den letzten 6 Jahren getan und hat der neue Bericht ein vergleichbares politisches Gewicht wie jener von 2009?
Das freiwillige Engagement in Österreich ist nach wie vor hoch. 46 % der österreichischen Bevölkerung oder rund 3,3 Millionen Menschen ab 15 Jahren leisten in irgendeiner Form Freiwilligenarbeit, ein Zuwachs von 4 %, ist im Vorwort des nun erschienenen 2. Freiwilligenberichts zu lesen. Der «Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligen Engagements in Österreich » lehnt sich in seinem Aufbau an den ersten Bericht aus dem Jahr 2009 an. Die dargestellten Zahlen und Ergebnisse bieten im Überblick wenig Überraschendes, zumal auch wenige Vergleiche zwischen dem ersten Bericht und den aktuellen Ergebnissen gezogen wurden. Allerdings sind die beiden Berichte für Claudia Pass und Bernhard Hofer [1], zwei der Autor/inn/en des Berichtes, aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsformen des zugrundeliegenden Datenmaterials, nur bedingt vergleichbar. Vor diesem Hintergrund sollte man die vier Prozentpunkte wohl ein wenig relativiert betrachten. Aber – so Hofer – es gab erfreulicherweise zumindest keinen Rückgang.
Freiwillig tätig? – Ja, ich auch!
Der Bericht 2009 zum freiwilligen Engagement in Österreich machte erstmals sichtbar, dass der Grad der freiwilligen Tätigkeit unter der österreichischen Bevölkerung hoch ist. Die erhobenen Zahlen bestätigten Quantität und auch Qualität der Freiwilligenarbeit in Österreich. Das von der EU 2011 ausgerufene Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit diente zusätzlich der Förderung und Aufwertung aller freiwillig engagierten Menschen, Vereine und Organisationen. Und dass die Politik diese Säule gesellschaftlicher Teilhabe ernst nimmt, vor allem weil allen klar ist, dass ihr Wegfallen für viele Bereiche katastrophale Folgen hätte, manifestierte sich unter anderem im 2012 verabschiedeten Freiwilligengesetz. Alle diese erfreulichen Konsequenzen machen sich auch in den Ergebnissen der 2012 von Institut für empirische Sozialforschung (IFES) durchgeführten Befragung bemerkbar, die zusammen mit jenen Daten aus einer 2014 durchgeführten Onlinebefragung unter österreichischen Freiwilligenorganisationen das Analysematerial für den zweiten Bericht darstellen. Die große Aufmerksamkeit führte auch zu einer Sensibilisierung unter der Bevölkerung, die sich selbst erst dadurch als freiwillig Tätige erkannte, was natürlich die Befragungsergebnisse 2012 stark beeinflusste. Der erste Bericht war somit für viele motivierend und unterstützte die bestehenden Aktivitäten, Vereine und Organisationen in der Darstellung ihrer Relevanz. Die Erläuterung der positiven Effekte dieses Engagements erschöpft sich aber nicht in der Betonung des sozialen, gesellschaftlichen und politischen Mehrwerts. Vielmehr will man nun auch wissen, welche ökonomische Bedeutung darin steckt. Vor allem Aktivitäten und Organisationen, die Förderungen der öffentlichen Hand erhalten, müssen sich auch Fragen nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen gefallen lassen. Mögliche problematische Folgen einer solchen Ökonomisierung werden auch im Bericht angedeutet.
Blasmusik und Trachtenverband
Der 2. Freiwilligenbericht, der – wie der erste auch – die bundesweite Situation darstellt, enthält wenig konkrete Zahlen zu den einzelnen Bundesländern. Viele Bereiche stellen sich sehr oberflächlich dar, was aber auf rund 200 Seiten wohl auch schwerlich besser machbar ist. Allerdings hätte die Auswahl der detaillierter erläuterten Praxisbeispiele der aktuellen Praxis gerechter werden können. Bei den Beispielen handelt es sich hauptsächlich um die großen bundesweit existierenden und traditionellen Organisationen und Verbände. So sind dies etwa im Bereich «Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit» beispielsweise der Österreichische Blasmusikverband und der Bund Österreichischer Trachten- und Heimatverbände. Die Lesenden erfahren aber kaum etwas über jene zahlreichen Aktivitäten, Organisationen und Vereine in den Bundesländern, die teils ebenfalls seit vielen Jahren existieren, sich weiter entwickelt und deren vielfältige Tätigkeiten sich als gut funktionierend erwiesen haben. Leider wird der Inhalt dadurch für die Betroffenen, wie auch für jene, die an Freiwilligentätigkeit interessiert sind, wenig repräsentativ. Zudem wurde auch der Bereich der monetären Privatspenden in das Datenmaterial aufgenommen. Geld zu spenden lässt sich aber nicht mit der eigentlichen Freiwilligenarbeit auf eine Stufe stellen, da es für viele eher als «Entschuldigung» dient, um eben nicht freiwillig tätig zu werden.
Einige stellen sich wohl auch die Frage, ob die Zahlen im Bericht angesichts der Flüchtlingswelle und der damit einhergehenden Hilfsmaßnahmen und den vielen freiwilligen Helfenden nicht schon längst überholt sind. So wichtig und gut das freiwillige Engagement in dieser Situation auch ist, statistisch betrachtet würde es einen sogenannten «Ausreißer» bedeuten. Die Quantifizierung einer solchen Katastrophenhilfe in einer Bestands- und Entwicklungsanalyse, wie der Freiwilligenbericht eine ist, wäre äußerst problematisch, erklärt Claudia Pass [2]. Die extrem hohen Zahlen würden langfristig betrachtet das tatsächliche Bild der Freiwilligenarbeit statistisch verzerren.
…und jetzt?
Ob nun der 2. Freiwilligenbericht ebenfalls so positiven Einfluss auf die entsprechenden politischen Entscheidungen haben kann wie der erste, muss sich erst zeigen. Die Praxis selbst bleibt zumindest vorläufig davon unberührt. Aber vermutlich nur so lange, bis die Herren Politiker der neuen Schwarz-Blauen Regierung in Oö für sich entschieden haben, ob und welchen Wert freiwilliges Engagement in deren Vorstellung von Gesellschaft hat.
[1+2] Claudia Pass und Bernhard Hofer im Interview mit Daniela Fürst am 29. 10. 2015
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Der 2. Freiwilligenbericht online:
→ freiwilligenweb.at
Die KUPF verfolgt die Entwicklungen rund um freiwilliges Engagement seit Jahren. Der ehemalige KUPF-Geschäftsführer Stefan Haslinger war Botschafter des Europäischen Jahres der Freiwilligenarbeit 2011. In eben diesem Jahr veranstaltete die KUPF das Symposium „Erst kommt das Fressen und dann das Ehrenamt!“ bzw. widmete sich die Zeitung schwerpunktmäßig dem Thema.