Ich hab ja nichts gegen sprachliche Veränderungen, aber ist euch aufgefallen, dass das «aber» verschwunden ist? Sieht man von offenen Hasstiraden mal ab, hat der gemeine Menschenfeind bis vor kurzem noch sprachliche Konzessionen an den damaligen Zeitgeist gemacht und jedes noch so dumme Vorurteil mit der Redewendung «Ich hab ja nichts gegen (hier wahlweise Ausländer, Schwule, Muslime usw. einsetzen), aber … » eingeleitet.
Trotz der Ressentiments waren offenbar noch viele der Meinung, dass das sein müsste. Ähnlich wie der beliebte Nachsatz «Das wird man ja wohl noch sagen dürfen», Rechtfertigung und Schuldeingeständnis gleichermaßen. Wie herrlich defensiv war das doch im Vergleich zu heute. Irgendwann zwischen Pegida und Heidenau ist das «aber» verloren gegangen, ein Vorbote der Welle des Hasses, die diesen Sommer geprägt hat. Die besorgten Bürgerinnen waren die Ouvertüre, jetzt marschiert der Mob – zuerst online und zunehmend auch mit Hassdemos, Übergriffen und Anschlägen.
Mag das «aber» auch nur eine Phrase gewesen sein, sein Bedeutungsverlust zeigt deutlich: Jemand ist im Aufwind und es sind nicht die Guten. Es sind die Menschenfeinde und eine Gnackwatsch’n wäre völlig unangemessen. Denen muss man «an die Wäsche gehen», wie das Herbert Grönemeyer so treffend formuliert hat. Und «man», das sind wir. Die «Generation Lichtermeer», die in den 90er Jahren noch gegen Haider sturmgelaufen ist, nur um in den Schüssel-Jahren jeden Kampfgeist zu verlieren. Jene Generation, die es geschafft hat, durch ihren Lifestyle rechte Hater aus Leben und Timeline fernzuhalten und es sich in ihrer Bobo-Welt gemütlich zu machen. Die den Antifaschismus der Straße gegen den Antifaschismus in Feuilleton und Programmkino eingetauscht hat und jetzt vor den Scherben ihres jugendlichen Engagements steht. Meine Generation und die der meisten meiner Freundinnen.
Wir müssen jetzt unseren Beitrag leisten und die Jungen unterstützen. Es braucht praktische Solidarität, um dort zu helfen wo der Staat versagt und Druck auf die politischen Eliten, die das ganze Elend mit zu verantworten haben. Es braucht aber auch den Kampf um die Meinungshoheit und dafür ganz viele Gnackwatsch’n, verbal und treffsicher in die Gesichter der Hater.
Nutzt die Metapher, liebe Leserinnen und teilt kräftig aus. Hört nicht weg, sondern stellt euch den Menschenfeinden entgegen, wo immer ihr sie trefft. Im Forum, in der Straßenbahn oder im Wirtshaus. Denn dieser politische Sittenverfall wird nicht einfach von selbst vorübergehen. Es geht um Widerspruch und Widerstand. Und geben wir uns diesmal bloß nicht mit einem Comeback des «aber» zufrieden.