Kreatives Chaos herrscht im Oberen Kremstal. Das Freie Radio B138, benannt nach der Pyhrnpass Straße, muss das wissen. Schließlich kreuzen sich hier die Wege vieler Kulturarbeiter*innen, einige Fäden laufen hier zusammen. Von Edith Huemer.
Über die Grenzen der Region hinweg bereichern Vereine die kulturelle Landschaft. Von Nord nach Süd entlang der B138 betätigen sich in Kremsmünster die Vereine Mukuku und Ausserdem, in Schlierbach und Inszersdorf die Literarischen Nahversorger, Rock im Dorf und IFK (Inzersdorfer Freundeskreis), in Kirchdorf die Vereine Güterwege, INOK – Initiative Oberes Kremstal für Mensch und Umwelt und in Micheldorf Mu&Gu (Musik&Gulasch), weiter in Klaus der Lokschuppm und am südlichsten Zipfel der Bundesstraße der Verein Zwäx in Roßleithen. Östlich von Kremsmünster in Bad Hall treibt Electroschrott sein Unwesen, im Almtal sorgen der Bauhof sowie die Freie Schule in Pettenbach und die Stoamandeln in Grünau dafür, dass es nicht fad wird. Zwar sind die Vereine alle entlang der Bundesstraße aufgefädelt oder sonst wie verbunden. Aber es kommt ein aber: Mit der Vernetzung und der Kommunikation untereinander sah es bisher eher dürftig aus. Eingedeckt mit ehrenamtlicher Arbeit sind die Kulturarbeiter*innen meist froh, die eigenen Veranstaltungen über die Bühne zu bringen. Jede kocht ihr eigenes Süppchen und hin und wieder kostet die eine auch bei der anderen. Was aber nicht möglich ist, wenn beide Gerichte gleichzeitig an verschiedenen Orten serviert werden.
Durchs Reden …
Die Menschen vom Freien Radio B138 erkannten die Potenziale der regionalen Vereine und wollten die Ressourcen (zufällig auch Thema das KUPF-Innovationstopfs 2014) bündeln. Eine Kulturkoordinationsstelle stellten sie sich vor, und richteten sie mit dem Geld aus dem Innovationstopf ein, für den sie eingereicht und eine Zusage erhalten hatten.
Radio-B138 Vorstandsmitglied, Radiomacherin und (hauptberuflich) Sozialarbeiterin Susanne Rettig übernahm die Projektleitung, die Vereine kamen zusammen und besprachen ihre Bedürfnisse. Sie wollten Termine besser absprechen, ihre Veranstaltungen gegenseitig bewerben, Equipment teilen, das Naheliegende tun und nutzen. Was fehlte, war die Kommunikation – und wie sich in weiterer Folge herausstellte – ein geeigneter Ort dafür. Das Freie Radio in Kirchdorf richtete einen Kulturkalender ein, der auf seiner Homepage leicht aufzufinden ist. Damit ist und war gleich einmal allen geholfen. Doch das analoge Bedürfnis nach einem Raum bleibt bestehen, vorerst noch unbefriedigt. Wo wolle man sich gemütlich treffen, austauschen, was ausschnapsen, sich absichtlicher unabsichtlich über den Weg laufen – oder so? Im besten Fall trifft man sich ja beim Fortgehen, aber in Kirchdorf sehen die Kulturarbeiter*innen kein attraktives Angebot.
… kommen die Leut’ zam?
Menschen aus den Vereinen Mukuku, IFK, Baraka, Rock im Dorf und Radio B138 – alle aus der näheren Umgebung von Kirchdorf – haben sich nun in Folge der Vernetzung zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen und suchen in Kirchdorf einen Raum bzw. ein Lokal. An Wochenenden soll dort offen sein, der Raum soll nicht kommerziell genutzt werden. Bands sollen aufspielen, Autor*innen sollen lesen, es soll diskutiert und gespielt werden. So stellen die Kulturarbeiter*innen in und um Kirchdorf (gemeint sind Stadt wie Bezirk) sich das vor. Derzeit suchen sie einen Namen für das neue Ding, es geht an die Vereinsgründung, ans Schreiben von Statuten. Und um das liebe Geld.
Das ist der Stand am Ende der Projektlaufzeit und der Förderung durch den KUPF-Innovationstopf. Die bisher im Rahmen des IT-Projekts (teils) bezahlte Arbeit der Koordination verlagert sich nun wieder ins Ehrenamt. Wie das neue Haus finanziert werden soll, ist die über den regionalen Horizont hinausreichende Frage, stagniert doch das Budget für die freie Kulturarbeit in Oberösterreich seit Jahren.
Das Freie Radio B138 geht in seiner Rolle als Sprachrohr und Vernetzer auf. Die regionalen freien Medien sind im besten Sinne Regionalentwickler, das wird deutlich. Die ortsungebundenen Kommunikationsmittel sind es aber auch, die das Bedürfnis nach einem gemeinsamen physischen Raum befördern. Wie es den Kirchdorfer Kulturarbeiter*innen gelingt, neuen Raum einzunehmen, wird sich in der nächsten Zeit weisen. Nicht nur aus politischer Sicht ist das Engagement der Kulturarbeiter*innen und ihr Bedürfnis nach Raum jedenfalls ernst zu nehmen, gerade auch im Hinblick auf regionale Entwicklung.
Da freut sich der KUPF-Innovationstopf, weil: Da brodelt was.
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Edith Huemer lebt, studiert und macht Radio in Wien sowie regelmäßige Ausflüge ins Kino und nach Oberösterreich, oft ins OKH.
→ twitter.com/EdithHuemer
→ radio-b138.at
→ innovationstopf.at
Herausforderung
Rund um Kirchdorf brodelt was: Junge Menschen aus vielen Vereinen kämpfen für ein gemeinsames Kulturzentrum. Solche Räume sind überlebenswichtig für die Regionen – bilden sie doch Ankerpunkte für junge Menschen, die mit dem Gedanken an Abwanderung spielen; bilden sie doch Wiederanknüpfungspunkte für junge Menschen, die gut ausgebildet in die Region zurückkehren möchten; bilden sie doch soziale Knotenpunkte für Menschen, die Lebensstile und Aktivitäten abseits ausgetretener Pfade pflegen. In solchen Räumen entsteht kreativer Humus für soziale wie ökonomische Innovationen. Die Herausforderung ist aber groß: In Zeiten des Sparens will kaum einE PolitikerIn Geld in die Hand nehmen. Es wird spannend zu sehen, ob die Kulturpolitik aus dem gewaltigen oö Kulturbudget einen bescheidenen Beitrag für derartige Innovationen freispielt und solche Strukturen nachhaltig finanziert. Das Geld wäre gut angelegt! (red)