In Oberösterreich steht der Kultur ein vergleichsweise hohes Budget zur Verfügung. Das Scheiberl Salami für die Freie Szene wird in Relation aber immer kleiner. Wie erleben Kunst- und Kulturschaffende die Entwicklung der Kulturfördersituation?
Mario Friedwagner
„Will Oö wirklich, wie die Politik so gerne ausholt, zu den innovativsten Regionen Europas gehören, so braucht es mit Sicherheit neue Antworten. Auch und gerade in der Kulturpolitik. Die Verengung und Zuspitzung auf die großen Häuser wird zu wenig sein – denn den Regionen laufen die jungen Leute davon und die Orte versinken in einer Renaissance der Trachtenseeligkeit. Wie wär’s also damit, die vielen jungen Initiativen, die mit Phantasie und Lebendigkeit Alternativen aufzeigen, nicht mehr mit mühsamen Projektförderungen abzuspeisen, bis sie nach ein paar Jahren resigniert den Hut draufhauen? Wie wär’s mit einer zusätzlichen Million für die Freie Szene und einer Zweckwidmung der Hälfte für die Regionen? Wie wir wissen, geht das in anderen Bereichen auch! Auf alle Fälle brauchen wir eine Anpassung und Perspektive für die vielen ehrenamtlichen Aktivist_innen – denn die Krise wird noch eine Weile dauern! Wir befinden uns inmitten eines Epochenbruchs und die alten Antworten werden für diese Herausforderung zu wenig sein.“
Mario Friedwagner ist gelernter Aeronaut und leitet die Geschäfte des Freien Radio Salzkammergut. → freiesradio.at
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Dagmar Höss
„Kunst- und Kulturförderung ist in Österreich vielfältig und relativ unüberschaubar. Der größte Teil des Geldes fließt in die großen Institutionen und nur eine verhältnismäßig kleine Summe steht für Vereine, Kollektive und Einzelkämpfer_innen zur Verfügung. Oft ist es tatsächlich ein Kampf überhaupt herauszufinden, was die genauen Voraussetzungen für eine Förderung sind, ganz zu schweigen von Informationen zu Auswahlkriterien und Vergabemodalitäten.
Die Stadt Linz hatte sich in den letzten Jahren durch die im 2013 verabschiedeten Kulturentwicklungsplan verankerte, schrittweise Erhöhung des Kulturbudgets zur Förderung der Freien Szene, sowie der Veröffentlichung eines Kriterienkataloges zur Bewertung der Qualität von Projekt- und Fördereinreichungen positiv hervorgetan.
Die aktuellen Subventionskürzungen führen allerdings zwangsläufig zu einer drastischen Verschärfung der Arbeitsbedingungen und zwingen immer mehr Kulturarbeiter_innen zu Selbstausbeutung und Ehrenamt. Da hilft auch der beste Kriterienkatalog nichts.“
Dagmar Höss arbeitet als Künstlerin, Kuratorin und Kunstvermittlerin und war bis 2013 langjährige Mitarbeiterin der IG BILDENDE KUNST. → members.liwest.at/hoess
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Andrea Hummer
„Der Faktor Arbeit spielt eine zentrale Rolle bei der Durchführung von Kulturprojekten. Die Praxis zeigt jedoch, dass bei Antrag und Abrechnung Personalkosten nicht gerne gesehen oder gar nicht akzeptiert werden. Ergänzend zu meinen Erfahrungen ist auch der Punkt «Ausgaben-Übersicht» des Förderantrags ein Indiz dafür: Während Honorare in der beispielhaften Aufzählung von möglichen Ausgabenposten zumindest noch an vorletzter Stelle genannt werden, kommen Personalkosten gar nicht vor.
Die Abgeltung mancher Arbeitsleistungen mittels Honorar ist unmöglich. Die GKK schaut sehr genau, ob nicht eigentlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Daher müssen bei Projektförderungen neben Honoraren auch Personalkosten selbstverständlich akzeptiert werden – um welche Form der Arbeitsbeziehung es sich handelt, muss der Trägerverein selbst entscheiden können.“
Andrea Hummer ist Mitgründerin des eipcp (→ eipcp.net; → transversal.at) und Vorstandsmitglied von Kult-Ex (→ kult-ex.org). → buero-hummer.at
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Elke Herber (Foto) + Susi Seifert
„Es wirkt, als gäbe es wenig Geld für die Freie Szene, weil ein großer institutionalisierter Kulturbetrieb finanziert werden muss. Gut, dass es diesen gibt. Aber es drängen sich Fragen auf: Wie werden welche Wertigkeiten bemessen? Wodurch rechtfertigt sich diese Verteilung?
Die Freie Szene folgt keinen Marktmechanismen: Es wird experimentiert, Freiraum geschaffen und Identität für die Region – ehrenamtlich und verantwortungsvoll. Hürden, wie die verspätete Auszahlung einer Förderung, ändern seit Jahren nichts daran, dass zu viel Energie in die Existenzsicherung fließen muss. Damit durch die Zentralisierung des Kulturangebotes in Städten die zeitgenössische kulturelle Vielfalt und Eigenständigkeit auch in den ländlichen Regionen nicht verloren geht, bräuchte es ausreichende finanzielle Unterstützung der unabhängigen Kulturvereine. Wobei: Unsere persönlichen Erfahrungen mit dem Land sind ungleich besser als jene mit der Kommunalpolitik.“
Elke Herber ist Soziologin und stellvertretende Obfrau im Kulturzentrum d’Zuckerfabrik Enns. Susi L. Seifert ist Obfrau der Zuckerfabrik. → d-zuckerfabrik.at
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