Fäkalkünstler und asoziale Alimente

Der Kulturkampf der 1990er, 20 Jahre Guttenbrunner Erklärung der KUPF – und was wurde. Rechtsextremismus in allen seinen Facetten ist ein allgegenwärtiger Tatbestand im politischen Spektrum Oberösterreichs. Die KUPFzeitung hat den Journalisten Thomas Rammerstorfer gebeten, die Geschichte und Gegenwart des rechten „Kulturkampfs“ gegen freie Zeitkultur in Oö nachzuzeichnen.

«Bombe im Alten Schlachthof. Tod allen linken und asozialen Alimenten (sic)» teilte ein anonymer Anrufer während des «Music Unlimited»-Jazzfestivals der Welser Polizei mit. Der Schlachthof wurde geräumt, keine Bombe gefunden, und die «Alimente » konnten weiterfeiern.

Eine Episode aus dem Jahr 1995, folgenlos, aber kennzeichnend für eine gewisse Stimmung. Auch die FPÖ hatte gegen das (O-Ton) «total beschränkte Festival» protestiert. Bereits 1992 (gegen eine Ausstellung von Cornelius Kolig, der von Jörg Haider als «Fäkalkünstler» tituliert wurde [1]) und 1993 (gegen eine Ausstellung von Hermann Nitsch) gingen Neonazis und christliche Rechte in Wels auf die Straße.
 

Wien
 
Begonnen hatte das alles nicht in Wels, und auch nicht in Linz, sondern in Wien. 1986 wurde nicht nur ein Kurt Waldheim Bundespräsident und ein Jörg Haider FPÖ-Obmann. Es gab da noch Claus Peymann, der die Direktion des Burgtheater übernahm und für die nächsten Jahre als hauptsächlicher Reibebaum konservativer und rechtsextremer Kulturkämpfer fungierte. Insbesondere die Inszenierung des «Heldenplatz » von Thomas Bernhard im Gedenkjahr 1988 brachte das vereinte Spießertum auf die Barrikaden des Boulevards, und in Form einer Gegendemonstration am Premierentag auch tatsächlich auf die Straße.

Noch jahrelang sollte es heiß her gehen: 1991 räumte Kanzler Vranitzky erstmals so etwas wie eine Mittäterschaft von ÖsterreicherInnen an den Verbrechen der Nazis ein. Gleichzeitig erreichte die Fremdenfeindlichkeit im Lande erste, traurige Höhepunkte durch rechte Wahlerfolge und Gewalttaten. 1993 folgte schließlich das Lichtermeer, die Manifestation eines «guten» Österreichs, in dem die Kunstund Kulturszene praktisch geschlossen der rassistischen FPÖ-Hetze eine Absage erteilte. Spätestens hier dämmerte den Blauen: Die Kulturschaffenden – von A wie Ambros bis Z wie Zillertaler Schürzenjäger – sind gegen uns.
 

Der „Kunst und Politik Furz“ und die Guttenbrunner Erklärung
 
Der Kampf gegen die «kulturelle Hegemonie» der «Linken» wurde 1993, einige Monate nach dem Lichtermeer, von Jörg Haider in seinem Werk «Die Freiheit, die ich meine» quasi offiziell proklamiert: «Ohne werteverteidigenden Kulturkampf ist eine Überwindung des linken Kulturfaschismus nicht möglich» [2].

In weiterer Folge konzentrierte sich die Rechte auf zwei Linien. Zum einen die Kritik an den sogenannten «hochsubventionierten Staatskünstlern», die mutmaßlich im Auftrag der herrschenden Sozialdemokratie gegen die ihre Privilegien in Frage stellenden Freiheitlichen agitierten. Diese Debatten liefen vor allem auf Bundesebene. Auf Landes- und Gemeindeebene wurde den Alternativkulturszenen, die, wenn nicht ohnehin semi-terroristisch, so doch zumindest jugendversauend wirkten, der Krieg erklärt. Ab 1994 erreichte die Intensität des Kulturkampfes in Oberösterreich lichte Höhen und ungeahnte Tiefpunkte. Die FPÖ veröffentlichte ein Pamphlet mit dem Namen «Kunst und Politik Furz». Diese gegen die KUPF-Vereine und das «Festival der Regionen» gerichtete «Dokumentation» wurde allen freiheitlichen Gemeinde- und LandespolitikerInnen als «Argumentationshilfe » zugestellt. In Anti-Antifa-Manier waren – nicht mal ein Jahr nach der ersten Briefbombenwelle – AktivistInnen der KUPF-Vereine mit Foto und Adresse aufgelistet.

1995, das war das Jahr des missglückten Bombenattentats zweier Linksradikaler im niederösterreichischen Ebergassing, beide waren unter nie ganz geklärten Umständen dort zu Tode gekommen, witterte man eine anarchistische Terrorgefahr. FPÖ und Boulevardblätter übten sich im Konstruieren linksradikaler Netzwerke, die vermeintlich ganz Österreich überzogen. In Oberösterreich waren es wiederum hauptsächlich KUPF-Vereine, die «Handlangerdienste für die linke Gewaltszene leisten» [3], so der damalige FPÖ-Obmann Achatz. Dazu zählte Achatz etwa die Linzer Stadtwerkstatt, den – als Gegenpol zur jährlichen freiheitlichen Veranstaltung in Ried im Innkreis gedachten – «Kulturpolitischen Aschermittwoch», und natürlich den Schwertberger KANAL, der als Wiederverkaufsstelle des «TATblatt» sowieso eine Art Vorhof zur Hölle sein musste. Zum obersten Feldherr der freiheitlichen Kulturkämpfer avancierte der Wiener Rechtsextremist Walter Marinovic [4] mit gleich drei Büchern zum Thema in den Jahren 1994 und 1995. Diverse Gerichtsverfahren KUPF vs . FPÖ zogen sich bis 1997 und wurden allesamt von den Guten gewonnen.

In diesem Klima entstand die «Guttenbrunner Erklärung» [5] als «eine Grundsatzerklärung der KUPF (…) anlässlich der kulturfeindlichen Tendenzen der FPÖ.» In 15 Punkten distanziert sich die KUPF von den Anwürfen und verteidigt eine tolerante Kulturpolitik. Man «erklärt sich mit allen solidarisch, die sich (…) für eine liberale, tolerante, demokratische, menschliche und friedfertige Gesellschaft einsetzen.» In der Praxis lief dies nicht ohne Differenzen. Geschäftsführer Günther Mitter verließ die KUPF im Jahr nach der Guttenbrunner Erklärung «im Streit, weil man von mir verlangte, Solidaritätsadressen gegenüber anarchistischen Gruppen zu verfassen» [6], so Mitter.
 

Warum Oö?
 
In keinem anderen Bundesland wurde der Kulturkampf so intensiv und an so vielen Schauplätzen geführt. Auch die eingesetzten Mitteln der Rechten waren vielfältig: Demonstrationen und Kundgebungen, Pressearbeit, Broschüren und Bücher, Verleumdungen und Bombendrohungen. Da stellen sich nun Fragen. Ist Oberösterreich kulturpolitisch besonders konservativ? Das mag im Vergleich zu Wien, das in den kulturellen und soziologischen Prozessen etwa 5 bis 10 Jahre voraus war, gelten, sicher nicht im Vergleich zu anderen Bundesländern. Nein, dass sich «freie Szene» und «freiheitliche Partei» so in die Haare gerieten, lag in erster Linie mal daran, dass sie beide in gewisser Größe existierten. Nirgends hatte (und hat) die FPÖ mehr Mitglieder und entsprechende Strukturen als in Oberösterreich; nirgendwo stand (und steht?) ihr mehr zivilgesellschaftlicher Widerstand gegenüber.
 

Heute
 
Den Brachialattacken der 1990er Jahre hielt die «freie Szene» tapfer stand. Bald wanderte der rechte Zirkus zum nächsten Feindbild weiter. Seither hat man allzu offensichtliche kulturkämpferische Kampagnen unterlassen. Insbesondere im Wetteifern um die Stimmen der JungwählerInnen gibt man sich lieber modern-populistisch denn reaktionär- verbohrt. Zudem wähnt man sich spätestens und seit dem Trachtenboom und den Erfolgen des Andreas Gabalier ohnehin als Sieger im Kampf um die kulturelle Hegemonie – meines Erachtens zu Recht. Wo es möglich ist, haut man der Alternativkultur aber immer noch gern das Hackl ins Kreuz, siehe zum Beispiel die Groteske um den KUPF-Innovationstopf 2010 oder die Kürzung der Subvention für den «Alten Schlachthof» in Wels 2013. Die Taktiken haben sich geändert, die Ideologie ist die gleiche geblieben.
 
Die andere Frage ist: Sind auch «wir» die gleichen geblieben? Das muss man wohl verjeinen. Wir erleben ein gutes Vierteljahrhundert rechter Dauerberieselung, ein Vierteljahrhundert, in dem sich die sozialen Verhältnisse krass zu Ungunsten der sozial Schwachen verändert haben, während die breite Öffentlichkeit sich mit mehr oder weniger rassistischen Diskursen bei schlechter Laune hält. Die Aufgeregtheit vom Anfang der 1990er, als FPÖ-Wahlerfolge, Neonazis, Briefbomben und die rechtsextreme Massenmobilisierung in Deutschland die Ära gesellschaftspolitischen Fortschritts jäh beendeten, ist weg. Freilich hat sich an den grundlegenden Positionen der KUPF nichts geändert, sie wurden 2009 auch nochmal verdeutlicht [7]. Die breite Mobilisierung zum Thema der vielleicht auch schmäler gewordenen Basis ist nicht mehr so einfach.
 
Im Kulturbereich schien die Frontstellung vor 30 Jahren deutlich klarer als heute. Es gab – zumindest stellte es sich einem so dar – das «alte», Klassik, Schlager, Blasmusik, Goldhauben, konservativ, reaktionär, rechts, böse! Und eben das «junge», alternative, das musikalisch quasi alle anderen Stilrichtungen umfasste und sich politisch meist als links, mindestens aber als gesellschaftskritisch verstand. Gerade in Oberösterreich war diese Bewegung sehr breit und vielfältig und hatte großes subversives Potential. Das wurde von der ÖVP und der SPÖ durchaus erkannt und mit Hilfe von relativ viel Zuckerbrot integriert und weitgehend egalisiert. Die FPÖ hätte lieber die Peitsche gesehen und daran hat sich wohl nichts geändert. Die Frage der Zukunft wird sein, ob sich die KulturarbeiterInnen auf die Verteidigung des Brotes beschränken oder sich wieder mehr im Kampf um Kuchen für alle engagieren.

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[1] Ich kann’s mir nicht verkneifen anzumerken, dass Haider Herrn Kolig 2006 den Kärntner Landeskulturpreis überreichte. Kolig nahm ihn via Greifzangen entgegen.
 
[2] Jörg Haider, Die Freiheit, die ich meine, S. 230, 1993
 
[3] Das linke Netz in Oberösterreich, in „Rund um uns“ Nr. 461
 
[4] web.archive.org/web/20121026184939/gruene.at/uploads/media/Marinovic.pdf
 
[5] kupf.at/positionen/guttenbrunner-erkl-rung
 
[6] Mitter, Tante KUPF, in „20 Jahre KUPF“, S. 38
 
[7] kupf.at/positionen/kulturpolitik/positionspapiere/no-pasaran
 

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Thomas Rammerstorfer, geboren in Wels, aktiv u. a. bei der Welser Initiative gegen Faschismus und LeEZA. Inhaltliche Schwerpunkte: Rechtsextremismus, Jugendkulturen, Türkei.
thomasrammerstorfer. at