Neulich auf dem Klo mit Diogenes

Manche Dinge im Leben sind wirklich einfach, dafür kann man dankbar sein. Der Gang aufs Klo so eine einfache und klare Sache. Als man jünger war, hat man dieses easy-going oft noch mit der Freundin geteilt, um zwischen Tür und Angel die wichtigsten Dinge zu besprechen. Neulich fand ich in Vöcklabruck zwischen Videoscreening und Drink an der Bar ein passendes stilles Örtchen, an dem sogar die Couch für potentielle Gespräche nicht gefehlt hat. In den Untiefen des Linzer OK gings mir kürzlich auf dem Klo dafür dann wieder ganz anders. Wieder der unsägliche Schreck vor Farbe und Sendung. Mit dem Design der Toilette hatten die Gestalterinnen (nicht recherchiert) aber sicher nur Gutes im Sinn. Ein Motiv für das Design aus grell-spezialbeleuchteten glatten Wänden könnte gewesen sein, einfach alles Knittrige, Schiefe und Hässliche der Welt da draußen mit einem Fingerschnippen auszuschalten. Der Raum ist nicht nur rosarot, sondern er vermittelt unübersehbar einen einzigen Satz in großen Buchstaben, das Motto, ein plötzliches Versprechen, die rätselhafte Aussage: «Ich bin schön.» Unter dem Satz dann der Spiegel, indem das liebe Fräulein oder die gnädige Frau die Aussage prüfen kann – sich selbst überprüfen. Nun ist es aber so, dass ich nur aufs Klo wollte. «Schönheit hat zu tun mit Proportion und Funktionalität», denke ich als ich die Toilettentüre verschließe, auf der übrigens «nur Pipi» steht. «Wenn es sich um Schönheit handelt», ich setze mich auf die Klobrille, «geht sich ein goldener Schnitt aus». Die alten Griechen kommen ins Spiel, eine lange Geschichte, genauer Epochen tun sich am Klo auf, in denen Schönheit umkämpft wurde, triumphierte, changierte, wandelbar wie ein Chamäleon war, sich schlüpfrig verhielt und dem ich hier, auf diesem Klo mit meinem bloßen Antlitz …? Ich wasche mir die Hände. Der unvermeidliche Blick in den Sendungs-Spiegel. Der Satz macht die Betrachterin zur öffentlichen Person. Das quasi selbstformulierte «Ich bin schön» verspricht sie nicht nur sich selbst, sondern es wird an dem halb-öffentlichen Ort zur Sendung, zum Auftrag. Nachdem wir seit Beuys nun alle Künstlerinnen sind … wurden wir wohl auch alle irgendwie zu Schönheiten? Seit den 1920er Jahren kursiert der Trend, kleine Kinder in «für sie typische» Farben zu kleiden. Nach ihrer Tradition war die Farbe Rot ein Symbol für Blut, der Krieg des Ares war mit dem Rot männlich konnotiert. In das «kleine Rot», das Rosa, kleidete man deshalb lange Zeit die Buben. Erst die Arbeiter und die blue-collar brachten das Blau in die Welt der Jungs. Im Toys’R’Us sind viele Meter der Regale in Rosa getaucht, dort sind heute die Dinge für Mädchen zu finden. Rosa wirkt sanft und weich. Dabei sind es harte Codes, die sich über ein ganzes Leben zu ziehen scheinen und es sogar bis auf die Damentoilette schaffen. Ein Euphemismus, angesichts der Tatsache, dass Frauen noch immer um ein Drittel weniger verdienen als Männer. Welchen Platz haben darin das Sanfte und Weiche und die Schönheit? Umfragen haben ergeben, dass Männer mit der Farbe Rosa eher Naivität und Hilflosigkeit verbinden. Mittlerweile setzt die Justiz auch in europäischen Gefängnissen auf bonbonfarbene Wände, um besonders aggressive Häftlinge weich zu machen. Ja, auf dieser rosaroten Toilette in Zellengröße kann sich eine Frau durchaus hilflos fühlen! Absurderweise machen mich Satz und Farbe entgegen aller Farbpsychologie eher aggressiv. Will man (illegal, aber um) die gute, alte Kulturtechnik der Klo-Signatur ins Spiel bringen, und sich mit Gegen-Sätzen verewigen, erfordern diese rosaroten Wände allerdings schon einen Eding oder Härteres. Aboriri heißt auf Latein ver- oder entschwinden. So gesehen passt der Satz von der Schönheit an die Frauen ja doch irgendwie auf den Abort. Vielleicht aber schaffen sich nicht angesprochene fühlende Frauen bis zum Welttoilettentag am 19. November der Banalität des «Ich bin schön» etwas entgegenzustellen. Diogenes von Sinope, der im Übrigen ein ziemlich hässlicher Philosoph gewesen sein soll, hat den berühmten Satz «Geh mir (ein wenig) aus der Sonne» gesprochen, ausgerechnet als der schöne Alexander, der Große, seinen Schatten ihn geworfen hatte. Mit diesem genialen rhetorischen Wurf hat der am Boden herumlungernde Diogenes-«der Hund»-von Sinope sogar den platonischen Aphorismus «Schönheit bietet eine natürliche Überlegenheit » in einem Wisch unterminiert – und zwar im Liegen.

Gedanken zum Klo von Präpositions- Petra vom 4. August 2014