Über den Innovationstopf 2014 zum Thema Ressource spricht Projektleiter Klemens Pilsl mit Sigi Ecker von Radio FROheim.
Wie läuft die Organisation generell ab?
Ein Innovationstopf ist erstaunlich bürokratisch und aufwändig für eine kleine Organisation wie die KUPF. Es gibt ein gutes Jahr Vorlaufzeit: Wir – ein Teil des KUPFvorstands und ich – versuchen, ein Ausschreibungsthema zu finden, das für die Szene der freien Zeitkultur relevant ist. Schlagworte wie Raum, Feminismus, Nachbarschaft gehen uns durch den Kopf. Wir lassen uns auch von außen beraten und kristallieren aus einem Schlagwort ein bestimmtes Thema heraus. Zu diesem sind Kultur- und Kunstinitiativen eingeladen, ein Projekt zu entwickeln und dieses einzureichen. Im besten Fall wird das Projekt von einer unabhängigen Jury als goldrichtig erkannt und prämiert.
Warum genau das Thema Ressource?
Bewusst haben wir heuer ein sehr niederschwelliges Thema gewählt. Mit Ressource wollten wir unsere Fähigkeit zu Kollektivität, zu Gemeinsamkeit ansprechen. Durch den Spardruck, aber auch durch gewisse politische und finanzpolitische Entwicklungen in der ganzen Welt, ändert sich das Kunst-Kultur-Gefüge gerade. Der Wunsch und der Wille, sich auch im Kunst- und Kulturbetrieb mit neuen Zugängen zu Wirtschaft, zu Arbeit, zu Gemeinschaft, zu Gemeinsamkeit auseinanderzusetzen, ist gestiegen. Auch innerhalb des KUPFnetzwerks beschäftigen sich viele KIs immer weniger mit dem Veranstalten von Kunst und Kultur und arbeiten direkter mit Kulturbegriffen – mit großen Themen wie Zeit, Arbeit, Raum. Ressource sollte genau das ansprechen.
Gibt es inhaltliche Schwerpunkte oder Entwicklungen bei den Einreichungen? Natürlich ist das auch vom Thema abhängig…
Tatsächlich beschäftigen sich von den neun jurierten Projekten sehr viele nicht mit Kunst im engeren Sinn, sondern mit der Art und Weise, wie wir mit uns, unserer Umwelt, unseren Nachbarschaften – unseren Ressourcen eben – umgehen. Zum Beispiel hat Arcobaleno – ein migrantischer Verein aus Linz mit einem Zentrum an einer vielbefahrenen Straße mit neuer Nachbarschaft durch sozialen Wohnbau – das allseits beliebte Thema Gärtnern aufgegriffen, um Menschen über die Grenzen von Herkunft, Nationalität, Klasse zu einem Gespräch zusammen zu führen: Ein Community-Garden wird angelegt. Oder: Die AkteurInnen von habiTAT kommen aus einem post-anarchistischen Kontext und stellen sich der Frage, wie man eine Genossenschaft im eigentlichen Sinne gründen kann. Sie wollen in einer Workshopreihe, die sehr künstlerisch aufgeladen ist, verschiedene Formen des Zusammenwohnens diskutieren, Erfahrungen austauschen und sich soziales, emotionales und juristisches Wissen dazu aneignen.
Das heißt, nicht nur der Kulturbegriff an sich wird gedehnt, sondern auch der Genossenschaftsbegriff?
Die Debatte gibt’s in Oö gerade und ich glaube, Österreich ist da wirklich hinten nach. In Deutschland, Italien, Spanien versucht man neben dem Kulturverein auch die Wirtschaftsform dazu, die Genossenschaft, neu zu erfinden.
So wie OTELO das auch in Österreich versucht.
Genau, ich meinte die Republik, die hinten nach ist. Dass die Kulturvereine weiter vorne sind, glaube ich sofort. Das Projekt von habiTAT zielt genau darauf ab, dass wir nicht nur Kulturvereine brauchen, in denen wir uns gemeinsam organisieren können, sondern eine wirtschaftliche Gesellschaft jenseits der GmbH, in der gemeinnütziges Wirtschaften betrieben werden kann – ein unglaubliches Zukunftsthema! Eine Einreichung wie diese unterstreicht auch die Innovationsfähigkeit des Innovationstopfs, weil da wird wirklich Zukunft produziert.
Wie setzt sich die Innovationstopf-Jury zusammen?
Um auf möglichst nachvollziehbare Art und Weise überprüfen zu können, welche Projekteinreichungen dem Ausschreibungstext entsprechen und auch zeitgenössische Kulturarbeit repräsentieren, arbeitet man auch mit Quoten: Jemand aus Oö, jemand von außerhalb, jemand aus diesem klassischen Kulturvereins-Verständnis, jemand, der für Innovationskraft steht, jemand mit migrantischem Hintergrund, mindestens die Hälfte aller Jurymitglieder soll weiblich sein, usw. 2014 waren bekannte Namen Teil der Jury: Gitti Vasicek, von der Kunstuniversität Linz und ehemalige STWST-Aktivistin, war lange im Beirat für regionale KIs im BMUKK. Herta Schuster ist profilierte Kulturarbeiterin aus Wien und bei der IG Kultur Österreich beschäftigt. Martin Hollinetz bewegt sich zwischen Regionalentwicklung, Sozial-, Bildungs- und Kulturarbeit. Aileen Darieg ist Künstlerin und steht zum Beispiel den Linzer Initiativen maiz und servus.at nahe. Leider musste das fünfte Jurymitglied – Thomas Weber, u.a. Herausgeber von The Gap – kurzfristig absagen. Aber auch mit vier Jurymitgliedern kann man eine Jurysitzung sehr professionell durchführen.
Wie lang dauert so eine Jurysitzung, wie läuft die Entscheidungsfindung ab?
Die Jurysitzung dauert einen ganzen Tag, wir haben uns um zehn Uhr getroffen und waren ca. um 19 Uhr fertig. Die KUPF Jurysitzung ist öffentlich – sie fand in der urbanfarm Leonding statt – und wird tatsächlich besucht: Als ich zur urbanfarm gekommen bin, warteten dort schon drei Frauen aus Ebensee. Die Jury selbst ist erstaunlich uneitel und hört sich tatsächlich gegenseitig zu. Jedes Projekt wird einzeln von der Jury diskutiert, man widerspricht sich, man gibt sich recht. Zusätzlich zu mündlichen inhaltlichen Bewertungen wurden heuer Punkte vergeben. Aus dieser Punktevergabe ist eine Reihung entstanden, die noch einmal qualitativ mündlich überarbeitet worden ist.
Worauf wird konkret wert gelegt?
Das wichtigste ist, wie weit die Einreichung zur Ausschreibung passt. Natürlich muss auch bewertet werden, ob es tatsächlich ein kulturarbeiterisches, künstlerisches Projekt im weitesten Sinn ist. Darüber hinaus soll der Kontext, aus dem z.B. regionale oder migrantische Initiativen kommen, durchaus und bewusst berücksichtigt werden – letztendlich ist es ja auch eine politische Entscheidung. Zusätzlich zu den Kriterien hat die Jury noch ganz eigene Schwerpunkte und die Individuen vervollständigen den Kompetenzhaufen. Trotzdem ist eine Juryentscheidung nie objektiv, auch Jurys machen Fehler…
…sind auch Menschen.
Genau, und wenn du den ganzen Tag Projekte besprichst, bist du irgendwann auch müde. Gegenüber einer einzelnen Beamten-Entscheidung ist eine Jury aber ein großer Vorteil.
Von der Jury gibt es ja schriftliche Begründungen zu den einzelnen Projekten – gibt’s auf diese Feedback von den EinreicherInnen?
Tatsächlich bekommt jede Einreichung einen Feedback-Absatz aus dem Protokoll der Jury – was man beim nächsten Mal besser machen oder berücksichtigen könnte, aber auch, was super war. Das ist nicht wahnsinnig ausformuliert und keine wissenschaftliche Begründung, und man könnte diese Begründungen zukünftig durchaus noch auf standfestere Beine stellen. Viele Einreichende haben sich für das Feedback bedankt, es gibt aber auch einzelne Fälle, in denen Leute todbeleidigt sind, wenn sie einen Jurykommentar um die Ohren geschmissen bekommen. Teilweise vielleicht berechtigt. Manchmal geht’s auch um verletzten Stolz. Ich verstehe das prinzipiell sehr gut, ich ärgere mich auch, wenn irgendwer nicht erkennt, wie genial meine Projekte sind. Aber im Großen und Ganzen ist das für mich eine schöne Geschichte, wenn Leute zurück schreiben: «Danke fürs Feedback und stimmt, diesen Punkt hatten wir nicht bedacht.»
Das gesamte Interview als Audio-File im Podcast auf:
→ cba.fro.at
Der KUPF-Innovationstopf
wurde 1995 von der Kulturplattform Oö (KUPF) ins Leben gerufen. Ziel dieses Fördertopfes war und ist es, oberösterreichischen Kulturinitiativen sowie Kultur- und Kunstschaffenden die Möglichkeit zu geben, neue kritische Impulse zu setzen. Die themenbezogenen Ausschreibungen sollen sowohl Kunst-/Kulturschaffende als auch den Finanzier, das Land Oö, herausfordern und inhaltliche Neuerungen anregen. Die organisatorische Abwicklung des IT liegt zur Gänze bei der KUPF, die Auswahl der Projekte trifft eine unabhängige Jury in einer öffentlichen Sitzung.
2014 stand der IT unter dem Motto „Ressource“. 44 Einreichungen wurden von einer 4-köpfigen Jury beurteilt, 9 Projekte mit insgesamt 90.000€ prämiert. Die Entscheidungsfindung war aufgrund der vielen hochkarätigen Projekte bei gleichzeitig sehr begrenzten Fördermitteln recht schwierig. Etliche förderwürdige und gelungene Projektideen konnten daher leider nicht unterstützt werden.
Die neun im Rahmen des IT 2014 jurierten Initiativen und ihre Projekte:
Radio B138 – Kulturkoordinationsstelle
Black Community – AfrOÖ TV
Backwood – Amtswiderstandskonferenz
„Land der Freien Medien“ – Die vorhandenen Kräfte bündeln
Arcobaleno – Das Gleiche in Grün
Verein HabiTAT – Vivir la Utopia — Eroberung soziokultureller Wirklichkeiten
Peter Arlt & die Fabrikanten – Spinnrat Hausruck
KV KomA Ottensheim & KV waschaecht Wels – Das GIS ORCHESTRA
MAIZ – Hinter uns sind wir hier
Detaillierte Infos und regelmäßige Updates zu den Projekten: