Idiot, idios, bedeutet ursprünglich «Privatmann» und ist eine Referenz des Autors ziemlich am Ende des Buchs – und eine Art Anleitung, was dem Unbehagen in der Gesellschaft entgegengesetzt werden kann. Die Anleitung zur Frage: Was tun im Maschinenzeitalter, gelingt Dany mit dem Text selbst. Er erklärt die Kybernetik der Kybernetik und bedient sich einer poetischen Sprache, die, auf was sie behandelt – das Denken in Regelkreisläufen und Feedback – gewissermaßen scheißt. Auch andere Bücher schlagen in diese Kerbe: Holm Friebe will im Buch «Die Stein-Strategie» (welche die NSA-überwachte A. Merkel anwenden soll) den Kapitalismus fit halten für seine Zukunft. Slavoj Zizek verweigert, wie Dany, ein Mitmachen.
Wie kam es, dass wir in einer Zeit des Psycho-Panotikums leben, in dem wir uns gegenseitig kontrollieren und das bis zum moralischen Burn-out an uns selbst anwenden? Das Feedback kreist in der Kleingruppe bis der Konsens erreicht ist. Selbstermächtigung? Nicht ohne Moderation! Warum vieler Orts kein Unbehagen herrscht? Weil das Leben Spaß macht und Performance Erfolg verspricht, wenn man mittut und seine «Bewertung» abgibt. Aufmerksamkeit! Jede kleine Idee wird irgendwann verwertbar sein. Schilder mit Sprechblasen fragen die Vorbeigehenden, ob sie sich nicht etwas anderes vorstellen können als Büros in ihrer Stadt. Wem etwas einfällt und seinen Wunsch oder eine Feedback- Karte in den schwarzen Kasten wirft, dem klopfen die Vertreter der weichen Kontrolle auf die Schulter, und manchmal nehmen sie einen sogar in den Arm.
Im Endeffekt ist das kybernetische Problem, dass möglichst viele Menschen Daten empfangen und senden. Wir haben «nichts zu verbergen»? Richtig heißt es: Wir können nichts verbergen und organisieren Arbeit, Miteinander, Verbrauch und Information als Teil des Supercomputers. Es geht hier konkret um die eigenen Daten, die Clowd und den Trugschluss des Caring-is-sharing als Verwertungsinteresse. Eine horizontale Hierarchie tut sich auf. Nur die Kybernetik ist immun. An dieser kybernetischen Welt perlt das demokratische Begehren ab, weil es einverleibt wird und neutralisiert. Leider ist ihr und uns passiert, was sich immer als problematisch erwiesen hat: Das Transportieren einer theoretischen Idee in andere «Disziplinen». Die Pseudo-Selbstorganisation wird zur Selbst-Disziplinierung. Heute findet sich das kyberbetische Paradigma in der Psychologie, Soziologie, in der Kunst, der Informatik sowieso und in der Unternehmensführung: «Schreib ein Manifest, gründe eine Initiative, besetze ein Haus, mach einen Vorschlag, präsentiere dein Konzept, mach deine Methode transparent, sei dabei (…) Ein Gesicht soll kein Buch sein, der Umschlag ist vollkommen ausreichend.» Liberalismus und Kybernetik heißt: Egal ob Drogennutzung, sexuelle Vorlieben, politischer Radikalismus, … fast alles wird informell geduldet; Hauptsache die Inhalte bleiben evident = einsichtig.
Wäre der Text nicht poetisch, erinnerte er teilweise an das Manifesto der Liberation Front (T. Kaczynski). Mit dem Unterschied, dass anstelle von Fatalismus und Technikverweigerung schiefe Bilderwelten aufgeworfen und überzeugend als Unbehagen formuliert werden. In der Ausgleichsmaschine, die jede Abweichung, jede kritische Regung unschädlich macht und absaugt, sie kontrolliert und normalisiert, alles erfasst: Bist du gut genug? Sorgst du vor? Optimierst du dich? Bist du ausreichend glücklich? – empfiehlt sich eine asoziale Haltung: «I would prefer not to». Bartleby bleibt sitzen und sagt nicht, wie er lebt. Kritikerinnen werfen Bartleby einen Reformunwillen vor, doch dem Panoptikum und der Selbstvermarktung ist mit Reformen nicht beizukommen. Unerhört das Ende: In einem furioren Rausch wird der Kybernetiker von Förster in einen blutig-mythischen Abgesang geschickt. Der Held freilich, bleibt allein. Was ihm bleibt, ist sein Geheimnis.
Hans-Christian Dany. Morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft. Nautilus Flugschrift, 2013.