Im November 2013 ist die KUPFakademie wieder Teil der Vortragsreihe FEMfocus an der Linzer Volkshochschule. An vier Abenden dreht sich diesmal alles um den hochaktuellen Themenkomplex Geschlecht & Bildung. Verschiedene Aspekte wie Bubenarbeit oder migrantische Positionen werden dabei ausgeleuchtet. Zur Einstimmung bringt die KUPFzeitung einen Gesprächsauszug mit Bildungsexpertin Kristina Botka über die (verpassten) Chancen der Elementarpädagogik.
Kristina Botka beeindruckt: nicht nur mit ihrer unzweifelhaften fachlichen Expertise, ihren großflächigen Peckerln und dem guten Spruch, sondern auch mit ihrer aktionistischen Vergangenheit. Die gelernte Kindergartenpädagogin und studierte Politikwissenschafterin war Mitbegründerin des Kollektivs Kindergartenaufstand, das sich massiv für die Verbesserung der unwürdigen Situation der „KindergärtnerInnen“ einsetzte. Sie verärgerte blaue Recken mit einer kritischen Kampagne zu stereotypen Faschingsverkleidungen und diplomierte zu „Staat und Geschlechterverhältnisse“. Mittlerweile ist die Ohlsdorferin wieder in OÖ gelandet und arbeitet bei den Kinderfreunden. Am 6.November wird sie im Rahmen vom FEMfocus öffentlich über geschlechtersensible Elementarpädagogik diskutieren, vorab hat sie sich bereits mit Klemens Pilsl darüber unterhalten.
Was war der Kindergartenaufstand?
Das Kollektiv Kindergartenaufstand hat sich beinahe zeitgleich zur Uni brennt – Bewegungi entwickelt: Drei Pädagoginnen aus verschiedenen Trägervereinen haben festgestellt, dass die strukturellen Probleme in vielen Kindergärten gleich sind – Unterbezahlung, schlechte Betreungsverhältnisse, veraltete Konzepte. Also haben wir bei einer Demo im März 2009 in Wien einen Kindergartenblock gemacht. Überraschenderweise waren dann gleich 60 Kindergartenpädagoginnen auf der Demonstration. Das bekam, gemeinsam mit Uni brennt, eine ziemliche Dynamik. Es folgten viele Medienberichte über die Konditionen in den Kindergärten. Aber auch Probleme mit der Gewerkschaft.
Als Erfolg werte ich die öffentliche Diskussion und persönliche Weiterentwicklung bzgl. des politischen Aktionismus. Es gab auch Lohnerhöhungen bei manchen Trägervereinen.
Inzwischen hat sich das Kollektiv nach drei Jahren intensiver Aktivität verlaufen – von den drei Pädagoginnen arbeitet keine mehr im Kindergarten.
Woran scheitert die tatsächliche Verbesserung der Umstände? Die Notwendigkeit von fairer Entlohnung, kleineren Gruppen, besserer Ausbildung usw. sind ja eigentlich unumstritten.
Am Ende jeder Debatte über die Rahmenbedingungen der Kindergärten steht die Unlust, da Geld reinstecken zu müssen. Vor zwei Jahren gab es etwa eine konkrete Debatte darüber, dass die Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen an die Hochschulen gehen soll. Und dann waren die Medien voll mit den grausigen Meldungen von Gemeindepolitikern – von wegen: Die Frau Kindergartenpädagogin macht das ja eh gut und nett.
Im Nachhinein ist noch zu sagen, dass es im Kollektiv Kindergartenaufstand auch große Enttäuschung über das mangelnde Interesse seitens der Gewerkschaft gab.
Wie wichtig ist das Thema „geschlechtergerechte Bildung“ im Kindergarten tatsächlich?
Bildungsarbeit hat in diesem Alter eine geniale Chance! Die Kinder lernen ja durch ihre Beschäftigung mit der Welt. Es ist schön zu sehen, wie einfach man die Erfahrungsspektren der Kindergartenkinder erweitern kann, wie viel Freude es bereitet, wenn sie sehen: Es gibt nicht nur die Hälfte aller Möglichkeiten auf der Welt, sondern alle! Diese Chance sollte man nicht verpassen!
Die Erfahrungen aus der Praxis sind super: Wenn man sieht, wie stolz Mädchen auf dem Skateboard flitzen oder einen Laptop zerlegen. Wenn die Burschen fasziniert sind von Glitzerkleber. Das sind Dinge, die man Kindern wegnimmt, wenn man sagt, dass es Burschen eh nicht interessiert, Blumengirlanden zu machen. In Wahrheit sind sie aber stolz. Es ist unfair, Kindern diese Erfahrungen zu nehmen.
Wie reagieren die PädagogInnen auf Ansätze, Geschlechtersensibilität schon im Kindergarten zu verankern?
Pädagoginnen sind gewohnt, sich jedes Jahr auf neue Schwerpunkte einzulassen, es gibt ja von den Trägervereinen gewisse Ansprüche und diese Arbeit verlangt natürlich Offenheit und Neugierde.
Ich führe etwa Schulungen durch, in denen viele Fotoberichte gezeigt werden – um gleich im Vornherein die Angst zu nehmen, dass eine wahnsinnige Hirnmasturbation nötig wäre, um das mit den Geschlechterrollen und so zu verstehen. Viele haben ohnehin schon Dinge ausprobiert, ohne dass diese bewusst den Stempel „geschlechtssensible Pädagogik“ trugen. Da gab es zum Beispiel eine Hortpädagogin, die hat den Nähmaschinen-Führerschein eingeführt – und Burschen und Mädchen haben sich mit gleicher Begeisterung ans Nähen gemacht.
Natürlich gibt es Leute, auch PädagogInnen, die fühlen sich bei dem Thema schnell persönlich angegriffen. Weil sie denken: OK, das betrifft mich persönlich, ich bin auch nicht diese superreflektierte Frau oder der Mann, der da verlangt wird. Man muss die eigenen Vorstellungen stark reflektieren. Und das ist nichts, was man von einem Tag auf den anderen machen kann.
Es gibt also ein offenes Ohr, so lang es nicht zu kompliziert wird und mit einfachen Mitteln umzusetzen ist, aber auch Skepsis und Widerstände? Ähnlich geht’s ja der KUPF in ihren Versuchen, feministischen Content bei ihren Initiativen zu verankern. Lippenbekenntnisse kommen schnell, aber in der Praxis ändert sich abgesehen von kosmetischen Maßnahmen eigentlich sehr wenig.
Von PädagogInnen wird da eindeutig mehr verlangt – wir sind dabei, klare Qualitätsstandards zu geschlechtssensibler Pädagogik in Kindergärten zu entwickeln. Es gibt den Einfluss des Arbeitgebers, der inhaltliche Prioritäten festlegt.
Es reicht also nicht der Appell an die Vernunft, sondern es braucht sanfte strukturelle Zwänge.
So soll das nicht klingen; PädagogInnen brauchen keine Zwänge, sondern sind wirklich angehalten, kritisches Denken zu üben. Anders geht es auf keinen Fall.
Es bedarf aber dazu bereits in der Ausbildung mehr Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen. Derzeit hört man sich fünf Stunden lang an, dass Buben eh mit Puppen und Mädchen auch mit Autos spielen dürfen, das war’s dann.
Da versagt eindeutig die Bildungspolitik. Einfach anzufangen wäre beim Lehrplan der Ausbildungsstätten. Es gab vor einigen Jahren sogar den Auftrag an den Verein Efeu aus Wien, feministische Unterrichtsprinzipien zu implementieren. Der durfte dann aber nur ein paar Vorschläge machen, und das Bildungsministerium hat dann erst recht wieder bestimmt, was wie weit gehen kann – eine Farce!
Es gibt also auch ideologische Widerstände?
Natürlich. Und je weiter rechts, umso mehr hat man Angst, dass die Gesellschaft verändert werden könnte. Man sieht das gerade bei den Reaktionen der FPÖ auf die „Spielen wie es mir gefällt“-Kampagne im letzten Faschingii. Da gibt es tatsächlich die Angst, dass die Burschen schwul gemacht werden könnten und ähnliche homophobe Vorstellungen!
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- Kristina Botka. Kindergartenpädagogin, Politikwissenschafterin und Angestellte der SP-nahen Interessensvertretung Kinderfreunde/Rote Falken.