Richard Wagner ist das neue Liebkind der Welser Kulturpolitik. Zumindest der von Schwarz-Blau. Wagner ist aber irgendwie auch Ausdruck eines neuen politischen Klimas, das sich im Umgang mit der Förderpolitik und der Kritik daran deutlich zeigt. Angesichts der Strafaktion mittels Subventionsentzug gegen Schl8hof und Waschaecht sollten alle Alarmglocken läuten.
Zwei Tannhäuser
Zweimal hat es Wagners Tannhäuser diesen Frühling in die Schlagzeilen heimischer Tageszeitungen geschafft. Da war einmal die Inszenierung an der Düsseldorfer Oper, die sich provokant und kritisch mit Wagners Antisemitismus und seiner Verehrung im Dritten Reich auseinandergesetzt hat und aufgrund der teils heftigen Zuschauerinnenreaktionen von einem mutlosen Intendanten schon nach vier Tagen abgesetzt wurde. Und da gab es die Wagner-Festspiele in Wels, die das völlige Gegenteil im Sinn hatten und sich seit 1995 darum bemühen Wagner-Opern möglichst «werkstreu» aufzuführen, also so, wie der Komponist die Oper einst niedergeschrieben hat.
Während sich Düsseldorf in eine mittlerweile lange Tradition moderner Operninszenierungen stellt, in der sich Wagner-Regisseure und Wagner-Fans bemühen, die Geschichte immer wieder aus einem neuen Blickwinkel zu erzählen und dabei die historischen Tatsachen rund um den Komponisten nicht ignorieren, sondern – mal mehr, mal weniger – einfließen lassen, lehnt man das in Wels als Verfremdung und unzulässige Veränderung ab. Ein Baum müsse eben ein Baum sein und es könne nichts auf der Bühne gezeigt werden, das nicht auch im Stück vorkomme. Für so viel Konservativismus gibt es sogar Lob in Andras Mölzers rechtem Wochenblatt «Zur Zeit», das die Festivalmacherinnen stolz im ansonsten eher dürftigen Pressespiegel verlinken. In der großen Opernwelt scheinen sich die Welser Aufführungen aber eher unterhalb der Wahrnehmungsschwelle zu bewegen. Aber immerhin sind die Wagner-Festspiele seit heuer auch in der Kunst- und Kulturszene außerhalb der Stadt ein Begriff. Denn der Welser Gemeinderat hat sich für eine ungewöhnliche Förderpolitik in Bezug auf das Festival entschieden, die zu heißen Diskussionen und beschämenden Sanktionen geführt hat.
Liebkind der Welser Kulturpolitik
Das Richard Wagner-Festival ist eigentlich ein Privat-projekt der Familie Just-Doppler, die 1983 das Hotel Greif samt dem dazugehörigen Theater erworben hat und 1989 das erste Wagner-Konzert organisierte. Die von Walter Just gegründete Firma Trodat tritt als Veranstalter und Hauptsponsor auf, seine Tochter Renate Doppler ist die Leiterin. Bis 2011 wurde das Festival zusätzlich mit 27.000 Euro, dann mit 72.000 Euro und nun mit 80.000 Euro von der Stadt Wels unterstützt. Denn während alle anderen Vereine mit einer 10 %-Kürzung leben müssen, wurde diese für das Wagner-Festival trotz der potenten privaten Geldgeberinnen nun wieder aufgehoben. Das wirklich bemerkenswerte ist aber, dass das Festival aus der normalen Förderpraxis herausgelöst wurde und anders behandelt wird als alle anderen. So wurde per Gemeinderatsbeschluss eine fixe Förderung für 2014 und 2015 zugesagt, während alle anderen Kulturinitiativen – anders als etwa in Linz – jährlich erneut um ihre Förderungen kämpfen müssen.
Ungewöhnlich ist auch die Form der Förderung, denn während normalerweise der zuständige Kulturausschuss, bzw. der Kulturreferent über die Förderwürdigkeit entscheidet, kam diese beim Wagner-Festival auf Initiativantrag der FPÖ und mit Unterstützung der ÖVP im Gemeinderat zustande. Und in Zeiten von restriktiver Budgetpolitik am ungewöhnlichsten ist die Tatsache, dass die Gelder für das Wagner-Festival schon im Februar unter Dach und Fach gebracht wurden, während das restliche Budget der Stadt üblicherweise erst im Dezember beschlossen wird. Das Wagner-Festival kann also schon jetzt auf 160.000 Euro für die kommenden zwei Jahre zählen und ist damit zum unbestrittenen Liebkind der Welser Kulturpolitik avanciert.
Vielfalt versus Einfalt Diese offensichtliche Sonderbehandlung führte zu Kritik und Unmut in der Welser Kunst- und Kulturszene, die mit der Gründung der Initiative Welser Vielfalt reagierte, deren Protestbrief immerhin 500 Personen und 30 Initiativen unterzeichneten. Das Schreiben kritisiert öffentlich den Paradigmenwechsel und die neue Prioritätensetzung in der Welser Kulturpolitik. Die Unterzeichnerinnen befürchten – entgegen den Beteuerungen der Politik – weitere Kürzungen für die Welser Kulturvereine und erlaubten sich die Begründung für die Sonderbehandlung des Wagner-Festivals zu hinterfragen. Denn die vermeintlich einzigartige Internationalität und die hohe Umwegrentabilität des Festivals scheinen angesichts von 2 – 4 Aufführungstagen (obwohl die Förderungen schon beschlossen sind, dürfen sie sich das selbst aussuchen) doch eine gewagte Behauptung zu sein. Besonders wenn man in Betracht zieht, dass andere Einrichtungen, wie das Medien Kultur Haus oder der Alte Schl8hof das ganze Jahr über veranstalten und zu Recht als kulturelle Leuchttürme gelten. Hinzu kommt, dass Wels mit dem YOUKI Filmfestival und dem Musikfestival unlimited tatsächlich über hervorragende internationale Festivals verfügt.
Ein Maulkorb für den Schl8hof
Die kritisierten Parteien reagierten mit Unverständnis und unterstellten den Kritikerinnen das Schüren einer Neiddebatte, die sich gegen die kulturelle Vielfalt in Wels richten würde. Ihr wahres Gesicht zeigten ÖVP und FPÖ aber im vorerst letzten Akt der Causa. Schl8hof-Mitarbeiter Wolfgang Wasserbauer veröffentlichte einen kritischen Kommentar in der April-Ausgabe von Vorsicht Kultur und löste damit eine bislang beispiellose Strafaktion aus. Dem Betriebsverein Alter Schl8hof und dem KV Waschaecht wurden Förderungen aus dem Jugendressort in der Höhe von 5.900, bzw. 4.000 Euro verweigert. Mit der haarsträubenden Begründung, Wasserbauer hätte die kritisierten Politiker verunglimpft und die beiden Vereine würden sich von der SPÖ für parteipolitische Zwecke missbrauchen lassen. Warum der an dem Artikel völlig unbeteiligte KV Waschaecht ebenfalls abgestraft wurde, ist bis heute ein Rätsel. Eines scheint aber klar: Kritik wird in Wels ab sofort mit Subventionsentzug bestraft und den Kulturinitiativen mit einem Schlag verdeutlicht, wie abhängig sie von politischen Entscheidungen sind. Entscheidungen, die sich auch jederzeit ändern können.
In Wels regiert Schwarz-Blau
Der Maulkorb für kritische Kommentare ist Ausdruck eines Klimawandels, der Wels seit einigen Jahren erfasst hat. Denn spätestens seit dem besonders schmutzigen Gemeinderatswahlkampf 2009 ist die Atmosphäre nachhaltig vergiftet.
Regelmäßig fliegen die Fetzen zwischen Rot und Schwarz-Blau, zwischen vielen Medien und dem Magistrat, zwischen dem Stadtmarketing und den städtischen Einrichtungen und vereinfacht ausgedrückt zwischen vom Land Zugezogenen und den an multikulturelle urbane Verhältnisse gewöhnten Welserinnen. Garniert wird das Ganze durch eine überregionale Negativberichterstattung, die vor allem soziale Probleme, Schließungen und Konflikte in den Vordergrund rückt und außerhalb von Wels den Eindruck vermittelt, die Stadt sei klar auf dem absteigenden Ast. Die meisten Medien scheinen einen regelrechten Feldzug gegen das Magistrat zu führen, das für alle Probleme verantwortlich gemacht wird, während die Privatwirtschaft – die Eigentümerinnen und Inserentinnen der Medien also – mit Samthandschuhen angefasst werden. In Wels zeigt sich deutlich, was passieren kann, wenn sich eine Partei jahrzehntelanger, nahezu absoluter Macht erfreut und dann plötzlich ins Strudeln gerät. Denn seit die Sozialdemokratinnen 2009 Verluste in historischen Dimensionen hinnehmen mussten und sich Bürgermeister Koits nach einem katastrophalen Absturz bei der Direktwahl nur mit großer Mühe gegen seinen FPÖ-Herausforderer durchsetzen konnte, ist die SPÖ nur mehr ein Schatten ihrer selbst und hängt angeschlagen in den Seilen. ÖVP und FPÖ hingegen wittern die Chance, Wels in naher Zukunft endgültig umzudrehen und leben die neuen Machtverhält-nisse weidlich aus. So hat die ÖVP sofort nach den Wahlen das übliche Regierungsübereinkommen mit der SPÖ verweigert und setzt seitdem auf das «freie Spiel der Kräfte».
Was auf den ersten Blick nicht unsympathisch klingt, bedeutet in Wels aber vor allem eine informelle Allianz zwischen ÖVP und FPÖ, die sich in den Ereignissen rund um das Wagner-Festival deutlich manifestierte. Die SPÖ liegt am Boden und ÖVP und FPÖ treten nach, wo sie nur können. Und zwar auf alles, was irgendwie mit den Sozialdemokratinnen assoziiert wird, wie zum Beispiel das Magistrat. Und so kommt es, dass auch jene Institutionen zur Zielscheibe werden, die der SPÖ – völlig zu Unrecht – parteipolitisch zugerechnet werden, allen voran der Alte Schl8hof. Die FPÖ stimmt sowieso traditionell gegen den Schl8hof, der Kurswechsel der ÖVP kam in dieser Heftigkeit aber doch überraschend und lässt angesichts der schwarz-blauen Mehrheit im Stadtsenat für die Zukunft nichts Gutes erwarten. Bleibt nur zu hoffen, dass die Initiative Welser Vielfalt kein Strohfeuer war und sich die Zivilgesellschaft gründlich überlegt, ob sie wirklich ein ähnlich provinzielles Wels haben will, wie es die Operninszenierungen beim Wagner-Festival vorleben. Ein Wels, in dem ein Baum eben immer ein Baum sein muss.
→ welservielfalt.wordpress.com
→ wagner-festival-wels.net
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