Der Fall „Kunst hat Recht“ – Interessenskonflikt oder Interessensvertretung?

Wenn die Initiative «Kunst hat Recht» Pressemeldungen verschickt, dann sind es regelmäßig «die Kunstschaffenden », die sich zu Wort melden. Am Ende solcher Aussendungen steht dann, dass sich in der Initiative «etwa 2.700 Musiker, Autoren, Filmschaffende, bildende Künstler und Fotografen zusammengeschlossen » haben. Aber ist es tatsächlich so, dass es sich bei «Kunst hat Recht» um eine Graswurzelbewegung der österreichischen Kunstschaffenden handelt, wie damit suggeriert wird? Finanziert wird die Initiative nämlich nicht über Spenden oder Mitgliedsbeiträge sondern zentral von  Verwertungsgesellschaften, und als «Organisationsbüro» fungiert eine PR-Agentur.

Seit ihrer Gründung versucht die Initiative «Kunst hat Recht» im Namen der Kunstschaffenden auf die laufende Debatte um eine Reform des Urheberrechts Einfluss zu nehmen. Ursprünglich hatte die Initiative sogar die Vorratsdatenspeicherung für die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Netz gefordert, was zur Gründung einer Gegeninitiative «Kunst gegen Überwachung» und schließlich zur Abschwächung diesbezüglicher Forderungen im Zuge der Anti-ACTA-Proteste führte. Auffällig war von Anfang an, dass eine Forderung, die für die Einkommen der Kunstschaffenden von besonderer Bedeutung ist, nämlich jene nach der Einführung eines Urhebervertragsrechts in Österreich, überhaupt nicht im Forderungskatalog auftauchte. Ziel eines Urhebervertragsrechts ist es, dem strukturellen Machtungleichgewicht zwischen Kunstschaffenden und VerwerterInnen entgegenzutreten. Ein Beispiel dafür wäre ein Anspruch auf angemessene Vergütung, der VerwerteInnen zu Nachzahlungen verpflichtet, sollten sie mit einem Werk viel mehr verdienen, als ursprünglich gedacht. Auch im wissenschaftlichen Bereich könnten UrheberInnen durch ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht davor geschützt werden, sämtliche Veröffentlichungsrechte an übermächtige Wissenschaftsverlage abtreten zu müssen.

Während es in Deutschland bereits seit langem Regeln zur Sicherstellung einer angemessenen Vergütung von Kreativen gibt, fehlen entsprechende Bestimmungen bislang im österreichischen Urheberrecht. Da ist es doch verwunderlich, dass eine Initiative, die sich «Kunst hat Recht» nennt und beansprucht, für die Kunstschaffenden im Land zu sprechen, genau diese Forderung ausspart? Hauptgrund dafür ist wohl, dass bei einigen Verwertungsgesellschaften die Verwertungsindustrie mit im Boot sitzt. So werden z.B. 50 % der Gesellschaftsanteile der LSG (Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Ges.m.b.H.) von der IFPI, dem Verband der Österreichischen Musikwirtschaft, gehalten. Diese Akteure haben natürlich kein Interesse an einer Stärkung der Verhandlungsposition von Kunstschaffenden auf ihre Kosten. Gleichzeitig können sich  Verwertungsindustrie und Kunstschaffende leichter auf die Forderung einer Festplattenabgabe einigen, von der beide Seiten profitieren – auf Kosten Dritter, in diesem Fall der KonsumentInnen. Neue Brisanz bekam dieser Umstand im Zuge der Diskussionen um die geplante Urheberrechtsnovelle.

Der kürzlich durchgesickerte Entwurf von Justizministerin Karl verzichtete nämlich ebenfalls auf ein Urhebervertragsrecht – und auf die Einladung von VertreterInnen der Zivilgesellschaft, während «Kunst hat Recht» und andere Lobby-Organisationen der Verwertungsindustrie teilweise gleich mehrfach mit am Tisch saßen. Als von Seiten der SPÖ, konkret deren Kultursprecherin Sonja Ablinger, das Fehlen eines Urhebervertragsrechts bemängelt und diesbezgülich ein Gutachten des deutschen Urheberrechtsexperten Till Kreutzer vorgelegt wurde, erntete diese von «Kunst hat Recht» nur Kritik.

Auch in einem kurz darauf veröffentlichten «Weißbuch zur Bedeutung des geistigen Eigentums für Österreichs Kunstschaffende»(3) findet sich auf 94 Seiten nur ein einziger Absatz zum Thema Urhebervertragsrecht. Darin heißt es lapidar: «Dazu gibt es von einzelnen AkteurInnen unterschiedliche Standpunkte. » Und das ist nicht einmal falsch: Kunstschaffende befürworten ein Urhebervertragsrecht, die Verwertungsindustrie lehnt es ab. Bleibt die Frage: Wer hat hier Recht?