Andi Wahl über die Studie zum „dritten Mediensektor in Oberösterreich“
In Oberösterreich existieren vier Freie Radios. Das sind Radiostationen deren Programm zum größten Teil durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zustande kommt. Eine der Hauptaufgaben dieser Freien Radios in Linz, Freistadt, Bad Ischl und Kirchdorf ist es, Sendeplätze für Menschen zur Verfügung zu stellen, die in den Mainstreammedien kaum Gehör finden.
Dennoch darf man sich die Freien Radios nicht als einen Haufen durchgeknallter Freaks vorstellen, die ihre Weltsichten über den Äther verbreiten. Vielmehr handelt es sich um Seniorinnengruppen, Jugendliche, Lokalhistorikerinnen, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Musikexpertinnen. Kurz um Leute, die meist mehr wollen als bloß zu unterhalten. Die Freien Radios spiegeln die Gesellschaft sehr viel besser wider, als dies öffentlich-rechtliche Sender oder privat-kommerzielle vermögen. So deckt sich beim Linzer Radio FRO – dem größten der vier Freien – der Anteil der nicht-deutschsprachigen Sendungen mit 30% etwa mit dem Anteil der Wohnbevölkerung mit Migrationshintergrund. Ein weiterer Grund, weshalb Freie Radios näher am realen Leben sind, ist, dass sie nicht mit öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Sendern um Werbekunden buhlen und sich nicht am Geschmack der kaufkräftigen Schichten orientieren müssen. Hier wird für die Öffentlichkeit produziert und nicht für den Markt.
Wie diese Öffentlichkeit aber im Detail aussieht, schien die Radiomacherinnen lange Zeit nicht zu interessieren. Es gibt zwar einige Erhebungen und wissenschaftliche Untersuchungen, was Freie Radios machen und wie sie zu ihrem Programm kommen, die andere Seite aber, wer sich das anhört, für wen das gemacht wird, lag bisher im Dunkeln.
Diese Lücke schließt nun eine im Dezember des Vorjahres präsentierte Studie mit dem etwas ausladenden Titel „Der dritte Mediensektor in Oberösterreich – Eine Reichweiten- und Potenzialanalyse Freier Radios und TV-Sender“. Wie der Titel schon verrät, waren nicht nur die vier Freien Radios Objekt der Untersuchung, sondern auch das seit 22. Juni 2010 sendende Fernsehprojekt „dorfTV“, das nach ähnlichen Grundsätzen organisiert ist wie die Freien Radios. Die von Ingo Mörth und Michaela Gusenbauer wissenschaftlich betreute Studie befragte einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung in den jeweiligen Sendegebieten der Freien Radios und von dorfTV . Insgesamt wurden 1000 Menschen via Telefoninterview befragt.
Die Auswertung der Umfrage förderte zu Tage, dass etwa 400.000 Menschen (60%) in Oberösterreich zumindest annähernd wissen, nach welchen Prinzipien sich Freie Radios organisieren und 250.000 (36%) zumindest ein Freies Radio dem Namen nach kennen. Rund 150.000 Personen haben ein solches auch schon gehört und ca. 50.000 nutzen die Angebote des Dritten Mediensektors regelmäßig. Der „Weiteste HörerInnenkreis“ (zumindest letztes Monat gehört) schwankt zwischen 5% (Radio FRO) und 26% (Radio B138). Der „Engere HörerInnenkreis“ (zumindest letzte Woche gehört) zwischen 2,4% (Radio FRO) und 14% (Freies Radio Salzkammergut). Das Fernsehprojekt dorfTV erreichte 13% Bekanntheit, 4,3% weitester und 2,7% engerer Seherinnenkreis.
Die Studie ging aber über eine Reichweitenerhebung hinaus. Der Fokus der Untersuchung lag auf jenen Personen, die die Angebote des Dritten Mediensektors bisher nicht in Anspruch nehmen. In einem eigens entwickelten Rechenmodell wurde jener Bevölkerungsanteil ermittelt, der die Freien Medienmacherinnen besonders interessiert. Das sind jene Menschen, denen Grundsätze Freier Medien wie Meinungsvielfalt, unabhängige Berichterstattung oder Musik abseits des Mainstreams besonders wichtig sind – und die gleichzeitig unzufrieden sind mit den Angeboten von ORF und privat-kommerziellen Anbietern. Die hier ermittelten Zahlen sollten vor allem den öffentlich-rechtlichen Bereich aufschrecken lassen. Jener Bevölkerungsanteil, der sich für hohe Medienqualität ausspricht, diese aber weder bei ORF noch kommerziellen Privatsendern zu finden vermag, liegt je nach Sendegebiet zwischen 37,8% (Freies Radio Salzkammergut) und 43,2% (Freies Radio Freistadt).
Eine Studie, die sich vor allem mit den Hörerinnen der Freien Radios befasst, befindet sich bereits in Vorbereitung.
1 Zusammengenommen leben in den Sendegebieten der Freien Radios ca. 680.000 Menschen. Im Sendegebiet von dorfTV leben etwa 550.000 Menschen. Die Freien Radio und TV-Projekte können technisch somit etwa 2/3 der oberösterreichischen Haushalte erreichen.
Die gesamte Studie steht auf der Website von Radio FRO (www.fro.at) zum Download zur Verfügung.