Das kleine Ich-bin-ich

Lifestyle-Report.

Der Kinderbuchklassiker von Lobe/Weigel wurde heuer sage und schreibe 40 Jahre alt. Die Geschichte vom Phantasietier auf der Suche nach seiner Identität ist in der Tat lieblich. Aber auch wenn dem Büchlein allerorts ein Revival zukam, dem Ich geht es in Wirklichkeit gar nicht gut. Es wird belächelt, angezweifelt und sogar zur Elimination freigegeben. Fünfhundert Jahre Ich sind aber auch eine lange Zeit. Resultate der Ich-Entwicklung sind psychische Verirrungen, Egomanie und Grotesken. Zwar widmen sich einige Berufszweige ausschließlich dem Ich, der vermeintlich leitenden Instanz unseres Bewußtseins, dann ist jedoch von Bastelbiographie die Rede und davon, dass Identität kein Produkt, sondern ein Prozess sei. Und längst hat sich das De und Inter in den Diskurs gemischt. Identität und Varietät. Doch erst das nette Ehepaar Patricia und Paul Churchland machen wirklich radikal Schluss mit lustig. Sie sagen, es sind da keine mentalen Zustände, nur neuronale. Das klingt ungefähr wie:
> Na, wie geht’s heute so?  
> Och, K123Q!

Allein: die Befindlichkeitsfrage ist überflüssig. Doch wenn die nicht mehr funktioniert – ist das GAU oder Paradigmenwechsel? Ein Wandel sei eine zyklische Abwicklung, kommt es beschwichtigend aus der Churchland-Ecke. Wie das heliozentrische das geozentrische Weltbild abgelöst hat, werden die Alltagspsychologie und ihre Hauptprotagonistin in sich zusammenbrechen und untergehen. Auch die kollektive Erzählung von der Seele ist schlicht und einfach dem Zufall einer out-of-body-experience geschuldet. Es bleiben die Biologie, die Physik, die Chemie und ausgerechnet die [sic!] Geologie. Die mäandernde Poesie wird sich neben spröden geologischen Erklärungen der Welt nicht wohlfühlen. “Das Meer war zornig, die Sonne müde” gibt es da nicht. Vielleicht schaden ein wenig Autismus oder Indifferenz nicht. Diverse tragische Affekte stünden auf verlorenem Posten, denn was ließe sich damit ohne ein Ich anstellen? Das Ich wird sich in seiner – manchmal perfiden – Logik wehrhaft zeigen. Zweifellos suggeriert es die Chefin im Oberstübchen. Im inneren Zwiegespräch wird das Ich milde lächeln und vermitteln, dass sein Abgang auch dein Urteil wäre.
Wenn Nano, Bio, Info und Cogno heute fragen, wie Informationsübermittlung über ein Duftstoffnetz funktioniert, entlarven sich dagegen Glaubenssätze und Macht-euch-die-Tiere-untertan-Ideologien als bloße metaphysische Placebos. Ein neuer Humanismus ist gefragt, wenn Das-kleine-Ich-bin-ich endgültig auf Abwege geraten ist, weil nicht einmal mehr die Phrase “Das Ich ist tot, es lebe das Ich” gelingt.

Britta Breitling ist personenzentrierte Psychotherapeutin in Ausbildung und hadert mit dem Ich.