Christian Diabl über das Handbuch für den Einsatz von Web 2.0.
Die Erfolgsstory der sozialen Netzwerke sorgt immer wieder für heftige Diskussionen. Während die einen von ungeahnten Möglichkeiten des kollektiven und schrankenlosen Austausches sprechen, sehen andere das Heranwachsen eines gefährlichen Überwachungs- und Manipulationsinstruments. Für beide Sichtweisen gibt es gute Argumente, aber wie schon bei den Autobahnen gilt: Sind sie einmal da, werden sie auch genutzt. Die kommerzielle Ausbeutung von Userdaten und der leichtfertige Umgang mit der neuen Eigentransparenz sind zweifellos die hässlichen Seiten des Social Media-Booms. Das Buch „Soziale Bewegungen und Social Media“ thematisiert diesen wichtigen Diskurs aber nur am Rande. Zentrales Thema ist vielmehr das enorme Potential für politische und soziale Bewegungen. Die Aufstände in der arabischen Welt haben eindrucksvoll gezeigt, welche Rolle das Social Web spielen kann. Während die politischen Parteien meist noch eher tollpatschig und zuweilen auch recht lieblos im Web 2.0 agieren, nutzen es soziale Bewegungen höchst erfolgreich. Manche entstehen sogar im Netz und andere wiederum beschränken ihre Aktivitäten ausschließlich auf dieses. Auch in Österreich gibt es bereits zahlreiche best practice-Beispiele, wie die unibrennt- Bewegung oder der Widerstand gegen die Verbauung des Augartenspitzes in Wien. Wie es gehen kann, erklärt das Buch. Denn so einfach es ist an den Netzwerken teilzunehmen, so schwierig ist es letztlich, sie für erfolgreiche Kampagnen zu nutzen. Die weitverbreitete Vorstellung, es würde reichen, eine Fanseite bei Facebook anzulegen und einen guten Grund dafür zu haben, hält der Realität nicht stand. Social Media braucht Strategie und Zeit. Das „Handbuch für den Einsatz von Web 2.0“ ist eigentlich ein Anfänger- und Fortgeschrittenen Buch zugleich. Es findet sich kaum ein Aspekt, der nicht behandelt wird. Der ultimative Beweis für die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten sozialer Netzwerke ist die Entstehungsgeschichte des Buches selbst. Dutzende Autorinnen haben mit Hilfe eines Wikis mitgeschrieben. Eine noch größere Anzahl von Menschen waren via Facebook, Twitter und Co in den Entstehungsprozess eingebunden, der wiederum mittels eines Blogs, Youtube und Flickr dokumen-tiert wurde. All dies spiegelt sich im Buch wieder. Hashtags, QR-Codes und abgedruckte Userkommentare machen auch die gedruckte Version zu einem interaktiven Werk. Ich will niemandem seine Skepsis nehmen, aber es stellt sich schon die Frage, ob politische und soziale Bewegungen auf dieses Potential verzichten können. Web 2.0 ist da und wird auch nicht mehr verschwinden. Das vorliegende Buch ist Ausdruck dieser Präsenz und ein hervorragender Einstieg in die neue Kommunikationswelt.
Hans Christian Voigt, Thomas Kreiml (Hrsg.): Soziale Bewegungen und Social Media. Handbuch für den Einsatz von Web 2.0
ÖGB Verlag 2011