Ich will Sicherheit!

Die ganze Welt soll sicherer werden. Aber wie, fragt sich Ulrike Hager

 

Die ganze Welt soll sicherer werden! Aber welche Maßnahmen müssen, sollen, können, dürfen umgesetzt werden, um das zu bewerkstelligen? Und zu welchem Preis? Was heißt das für jede Einzelne von uns? Eine Steigerung der Sicherheit kostet uns was. Nicht nur Geld. Was sind wir bereit dafür einzusetzen? Bequemlichkeit, Eitelkeit, Freiheit, Privatsphäre, Individualität, Anonymität, Chancengleichheit, Menschenechte, ihre Gesundheit? Oder von allem ein bisschen was? Steigerung der Sicherheit ist ein Tauschgeschäft. Manchmal sogar zu unseren Ungunsten. Manchmal bekommen wir nicht Sicherheit, sondern nur eine Steigerung unseres Sicherheitsgefühls für unseren Einsatz. Warum das für die meisten von uns keine Enttäuschung ist, erklärt Bruce Schneier in seinem Essay »The Psychology of Security« folgendermaßen: »Sicherheit ist für uns Realität und Gefühl. Die Realität berechnen wir, indem wir die Wahrscheinlichkeit verschiedener Risiken und die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen gegeneinander aufwiegen. Unser Sicherheitsgefühl hingegen kann sehr individuell und unabhängig von Wahrscheinlichkeiten und Statistiken ausfallen – Sie können statistisch gesehen sich an einem sicheren Ort befinden und sich trotzdem nicht sicher fühlen, und umgekehrt. Viele fühlen sich in einem Auto sicherer als in einem Flugzeug, die Wahrscheinlichkeit aber, bei einem Autounfall ums Leben zu kommen ist wesentlich höher als bei einem Flugzeugabsturz.« Statistiken basieren auf Zahlen und Fakten, abstrakten Informationen, deren Inhalt uns weniger erreicht wie Einzelschicksale über die Medien. Selbstverständlich sind auch sie keine 100% Garantie, 1: 100 000 lässt trotzdem die Möglichkeit, dass Sie die eine sind! – Hab ich Sie jetzt verunsichert? Ich hab Sie nur auf eine mögliche Gefahr hingewiesen, derer Sie sich nicht oder noch nicht bewusst waren. Eine Methode, die auch Sicherheitsfirmen, Versicherungen und die Politik gerne anwenden, um ihrer »Produkte« anzupreisen.

Was sind die Gefahren und wie groß sind die Risiken?

Hier zitiere ich nochmals Bruce Schneier: »Der Mensch hat grundsätzlich die Fähigkeit, Gefahren und Risiken abzuschätzen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Das tun wir jeden Tag, wenn wir die Wohnung verriegeln, unseren Arbeitsweg wählen oder entscheiden ob wir cash oder mit Plastik zahlen. Gehen wir bewusst ein Risiko ein, so werden wir uns um entsprechende Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen bemühen. In der heutigen modernen Gesellschaft sind wir Risiken und Gefahren ausgesetzt, auf die wir evolutionsbedingt meist nicht genügend vorbereitet sind. Das kann, zu Fehleinschätzungen von Risiken und zu fehlender Sicherheit führen.Vergleichbar mit einem Hasen, der zwar seinen natürlichen Feinden mit Hakentechnik entfliehen kann aber damit gegen ein Auto wenig Chancen hat.« David Ropeik and George Gray beschreiben in Ihrem Buch »A Practical Guide for Deciding What’s Really Safe and What’s Really Dangerous in the World Around You« die Pathologie, warum wir Risiken manchmal falsch einschätzen. Hier ein Beispiel: »1999 hatte die New Yorker Bevölkerung extreme Angst vor der Ausbreitung des West Nil Virus, der bis dato in den USA nicht vorkam. 2 Jahre später, obwohl der Virus nicht verschwunden ist und einige New Yorker daran erkrankten, hat sich die Angst davor verringert. Die Leute haben sich an das Risiko gewöhnt und gelernt, damit zu leben. Risiken, die für uns neu sind, schätzen wir als gefährlicher ein, als Risiken mit denen wir schon eine Zeitlang leben.«

Warum bin ich jetzt ein Risiko?

Vorratsdatenspeicherung und Überwachung des öffentlichen Raums sind einige der politischen Maßnahmen, die jede Bürgerin als mögliches Risiko einstufen. Die Unschuldsvermutung wird durch Generalverdacht ersetzt und wenn alle verdächtig sind, müssen auch alle überwacht werden. Auf der Suche nach der Nadel vergrößert der Staat den Heuhaufen.

Wer überprüft die Sicherheit der Sicherheitsmaßnahmen und schützt uns vor Missbrauch?

Wie zum Beispiel der Vorratsdatenspeicherung, einer der nächsten politischen Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen vor Verbrechen und Terror in Österreich. Ein Blick auf die Verhältnismäßigkeit – den Nutzen: Der Anstieg der Aufklärungsrate wird auf + 0,006% geschätzt bei einer Aufklärungsrate, die (ohne Vorratsdatenspeicherung) über 75 % liegt. (Zahlen gelten für Deutschland, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Vorratsdatenspeicherung#Eingeschr.C3.A4nkter_Nutzen) Betrachtet man die Kosten, wäre in Österreich folgendes zu erwarten: Den Telekom-unternehmen stehen Kostenersätze von 64,- EUR/Telefonnummer (Einrichtung) und 6,50 EUR pro Tag und Nummer zu. Zieht man die derzeit gültige Überwachungskostenverordnung (BGBl II 322/2004) heran, käme man bei rund 12-14 Millionen Telefonanschlüssen, die etwa 20-40 Mrd. Telefonanrufen pro Jahr entsprechen und flächendeckender Auswertung (»Gefahrenanalyse, Gefahrenabwehr und Gefahrenerforschung«) zu Beträgen von mehreren hundert Millionen bis einigen Milliarden Euro (Quelle:http://www2.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=pub-text-argedaten&s=28764tot) Und auch auf die Gefahr hin, dass ich hier ein Geheimnis preisgebe – die Datenspeicherung kann jede leicht umgehen, indem sie ein Wertkartenhandy benutzt oder ein Telefon von einer ausländischen Anbieterin (außerhalb der EU). Sicherheit kostet uns nicht nur Geld. Was sind wir bereit dafür einzusetzen? Und bekommen wir auch, was uns versprochen wird?

Ulrike Hager ist Aktivistin bei Social Impact und Projektleiterin von »Ausblenden« (www.ausblenden.net)

Der Inhalt bezieht sich stellenweise auf folgenden Essay: The Psychology of Security Bruce Schneier, January 21, 2001 http://www.schneier.com/essay-155.html

 

Zum Ausschreibungstext: KUPF-Innovationstopf 2010 – Mit Sicherheit

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