Es ist schon wieder was passiert. Von Eugenie Kain.
Krawall zu Fronleichnam. Polizisten haben am Pfarrplatz die Prozession eingekesselt. Vermummte hätten sich eingeschlichen. Die Exekutive hat einen Tipp bekommen. Gewaltbereite Elemente. Im Zuge einer Wallfahrt nach Linz09 haben sie gegen das Asylgesetz demonstriert. Jetzt verbergen sie sich hinter dem Baldachin.
Klosterschwestern nehmen die Sonnenbrillen ab, Kommunionskinder die Kapuzen, Novizen nesteln an Kutten. Die Beamten lassen sich Zeit. Gemurre unter den Wartenden. Unmutsäußerungen. Stimmen werden laut. »Sie können ja alleine gehen«, sagt der Einsatzleiter zum Priester mit der Monstranz. »Alle anderen bleiben da, bis wir die Personalien haben«. »Wir gehen alle gemeinsam«, sagt der Priester. »Sie hätte ich für klüger gehalten«, sagt der Einsatzleiter. Er spricht in sein Funkgerät. Behelmte Overallträger quellen aus Einsatzwägen. Touristen wissen nicht, ob das eine künstlerische Intervention der Kulturhauptstadt ist und knipsen vorsichtshalber. Mütter mit Kinderwägen und Eltern mit kleinen Kindern geraten in Panik. Die Beamten stehen stramm. Ein Priester, der augenscheinlich aus Afrika kommt, flüstert einem Kollegen zu: »Verzeih, ich halte mich im Hintergrund, ich brauche bald ein Visum.« Die Beamten fühlen sich durch das immer stärker werdende Gemurre provoziert. Als eine Pfadfinderin zur Personalienaufnahme aus dem Kessel gezerrt wird, ein älterer Kreuzträger mit seiner Last ins Schwanken kommt und deshalb ein Ministrant mit dem Weihrauchfass den Overalls zu nahe kommt, eskaliert die Situation. Pfefferspraydosen werden gezückt, Gummiknüppel gehen in die Höhe und sausen auf Köpfe und Rücken. Der evangelische Superintendent, im christlichen Sinne mit den Gläubigen am Pfarrplatz verbunden, will dem Mädchen helfen. Er wird niedergeknüppelt, verhaftet. Was hatte er auch bei einer katholischen Prozession mit Vermummten verloren?
Und ich? Ich wollte den ersten Mai feiern, am Maiaufmarsch teilnehmen und am Hauptplatz die Internationale singen, wie die Jahre zuvor. Ich habe niemanden angepöbelt. Ich habe nicht gegrölt. Ich habe niemanden provoziert, ich habe gegen niemand das Wort erhoben, schon gar nicht die Hand zum Hitlergruß. So bin ich zum offensichtlichen Radaubruder geworden. Da wird noch einiges passieren. Willkommen, offensichtliche Radaubrüder vereinigt euch!
Eugenie Kain ist Autorin, lebt und arbeitet in Linz