Nazi-Läden, Fascho-Skinhead-Banden und ab und zu mal ein Toter: Das Innviertel ist eine Hochburg militanter Rechtsextremer. Von Thomas Rammerstorfer.
Im Westen nichts Neues: »Der Hauptaktionsraum von rechtsextremen Skinheads in Oberösterreich war unverändert das Innviertel.« vermerkt der Verfassungsschutzbericht 2008 beinahe schon resignierend. Die in Deutschland verbotene Nazibande »Blood and Honour« ist hier ebenso heimisch wie zwei weitere grössere Skinhead-Gruppierungen oder die sich etwas biederer gebende »Nationale Volkspartei«. Die letzte – nicht untersagte – Neonazidemonstration fand hier statt (durch den »Bund freier Jugend/BfJ«, Ried 2006) und die einzigen drei Nazi-Ramschläden Österreichs befanden bzw. befinden sich ebenfalls allesamt dort: »Walhalla« in Ried (geschlossen), der »Militaria«-Laden in Obernberg (detto dicht), wo selbst illegale Waffen frei verkäuflich waren sowie seit 15. Dezember ´08 der »Thor Steinar1«- Laden in Braunau. Inhaber des »Thorshops« ist ein gewisser Thoralf Meinl, Geschäftsmann aus der ehemaligen DDR. Er ist im »Stormfront«- Forum aktiv, dem ältesten Neonazi-Forum, das in den USA von Kukluxklan-Aktivisten betrieben wird. Dort grüsst er auch gern mal mit »SH!«, was vermutlich für »Schi Heil« steht.
»Hochwertige Kleidung« aus Braunau In diesem werde aber eh »lediglich hochwertige Kleidung verkauft«, so ein nicht namentlich genannter Beamter der Polizeiinspektion Braunau2, der mit diesem Zitat ein Grundproblem der Region offenbart: eine bestenfalls unwissende, schlimmstenfalls mit der rechten Szene sympathisierende Polizei. Nahezu beispielgebend hierfür ist der Rieder Bezirkspolizeikommandant August Weidenholzer, der in den letzten Jahren nahezu jeder Provokation der rechten Szene tatenlos zusah, bzw. zusehen liess. So etwa im Juni 2006, wo eine Horde Neonazis des BfJ in Ried feierte. Zwar war die Polizei im Vorhinein informiert, und die Bezirkshauptmannschaft wies Weidenholzer an, 25 Beamte in Bereitschaft zu halten – allein, dieser liess nicht einschreiten, selbst als der grölende Nazi-Mob von ca. 30 – 35 Personen gegen Mitternacht zum Haus des Bürgermeisters zog, dort klingelte und Lieder zum Schlechtesten gab. »Es wurden weder rechte politische Parolen gerufen, noch wurden Lieder gesungen.« 3, behauptete hingegen Weidenholzer und sah ebesowenig Grund einzuschreiten wie im Dezember desselben Jahres bei einem Neonazi-Konzert in Antiesenhofen, Bezirk Ried. Parolen wie »Blut muss fließen knüppeldick, wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik«, »In Auschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind« sowie Lobrufe auf Adolf Hitler, die bei dieser Veranstaltung wiedergegeben wurden, waren für die anwesenden Beamten offenbar nicht schlimm genug; zudem war man damit beschäftigt, mit den überwiegend deutschen Neonazis für Erinnerungsfotos zu posieren, wie ein der ORF-Sendung »Report« zugespieltes Videoband beweist. 4 Durchaus einsatzfreudig erweist sich die Rieder Polizei hingegen, wenn es gegen Linke geht. Als ein Grüppchen Rechtsextremer des BfJ im Mai 2006 trotz Demonstrationsverbotes aufmarschierte, schritten die Beamten auf Geheiß des August Weidenholzer beherzt ein – und nahmen zwei gegen die illegale Nazi-Demo protestierende Antifas fest.
Blau-braune Eintracht Es ist aber jetzt nicht so, daß Herrn Weidenholzer politisches Engagement grundsätzlich zuwider wäre, vielmehr ist er selbst auch tätig, als Ersatz-Gemeinderat ist bei der Schärdinger FPÖ. Sein dortiger Chef ist Lutz Weinzinger, Schärdinger Bezirksparteiobmann und Landesvorsitzender der Freiheitlichen. Berührungsängste zum rechtem Rand hat dieser ebensowenig. Vielmehr ist Weinzinger, der angibt, durch seine »burschenschaftliche Erziehung« zur Politik gekommen zu sein, als Autor in der rechtsextremen »Aula« wohl sogar ein Teil davon. Auch mit der Anwesenheit prominenter Rechtsradikaler bei FP-Veranstaltungen hat Weinzinger kein Problem. So nahm im August 2006 u. a. der wegen NSWiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel an einer Gedenkveranstaltung teil. Organisator der Feier: Lutz Weinzinger. 5 Inwieweit die Gedankenwelt eines Weinzingers oder der FPÖ ihren Niederschlag in der Amtsauffassung eines August Weidenholzer finden könnten, überlassen wir den geneigten LeserInnen zu beurteilen.
Ein Hoch auf unsre liebe Polizei Die Neonazis selbst äussern sich in diversen Internet-Foren jedenfalls voll des Lobes über die Innviertler OrdnungshüterInnen, so z.B. auch bereits im Juli 2003 anläßlich eines illegalen Neonazi-Konzerts in Geinberg. Da wusste die Polizei zwar davon, glänzte aber wie üblich mit vornehmer Zurückhaltung, ein Teilnehmer freute sich über die problemlose Anreise: »Es war nur eine Polizeikontrolle, und die haben auch nur nach Waffen gesucht Cds mit evtl. nicht kosheren Texten und Covers haben sie gar nicht interessiert. Ich muss auch sagen das die Polizeibeamtin die mein Auto durchwühlt hat sehr sehr nett war, und das was sie ausgeräumt hat auch brav wieder eingeräumt hat.« 6 (Rechtschreibung im Original – ob ihm die liebe Beamtin zum Abschluß noch die Windschutzscheibe geputzt hat, ist nicht bekannt). Selbst der BfJ gerät bei den Uniformierten aus Ried ins Schwärmen, so anläßlich einer rechtsextremen Demonstration dort im Jahr 2006: »Zwischendurch muss angemerkt werden, dass die Polizisten immer wieder durchblicken ließen, dass auch sie für den nationalen Protestmarsch Verständnis hatten und die hochdisziplinierten jungen Demonstranten eindrucksvoll fanden.«, heisst es da, und auch bei der Abschlußkundgebung wurde das »erfreuliche Verhalten der Polizei« erwähnt. 7
Traditionen Die Strukturen der extremen Rechten haben im Innviertel eine lange Tradition. Schon in den 30ern war das Innviertel ein reges Betätigungsfeld von aus dem »Altreich« einsickernden Nationalsozialisten. 1935 stieg ein Rieder zum Führer der SS in Österreich auf: Ernst Kaltenbrunner, Burschenschafter der Arminia Graz. Nach dem Ende des »tausendjährigen Reiches« zogen weitere Nazis an den Inn, aus Deutschland ebenso wie aus dem Mühlviertel, als dieses ab August ´45 von den Sowjets übernommen wurde – viele Tausende, darunter wohl nicht wenige Nazis flohen in diesen Tagen über die Donau in die amerikanisch verwalteten Teile Oberösterreichs. Dazu kam ein sehr hoher Anteil an »volksdeutschen« Flüchtlingen8, die man zwar keineswegs pauschal als rechts verorten kann, deren Verbände aber sicher ihren Beitrag zu völkischen Stimmungen leisteten und leisten. Der rechte Aderlaß aus Angst vor den »Russen« sorgte im Mühlviertel dafür, daß sich dort bis weit in die 80er Jahre kaum Parteistrukturen der FPÖ bildeten. Das Innviertel hingegen wurde zu einer Hochburg derselbigen, flankiert und unter Kontrolle von deutschnationalen Burschenschaften wie der Rieder »Germania« oder der Schärdinger »Scardonia«, die 1964 von Lutz Weinzinger hochderoselbst gegründet worden war.
Ein Österreicher zuviel »Wir hatten schon mal einen Österreicher zuviel«9, so begründete der niedersächsische Innenminister 1991 die Ausweisung eines gewissen Karl Polacek aus Deutschland. Der Wiener Polacek war Landesvorsitzender der neonazistischen »Freiheitlichen Arbeiter Partei « (FAP), die bald darauf verboten wurde. Er war einer der aktivsten und militantesten Neonazis jener Zeit und wurde unter anderem verurteilt, weil er mit einer Axt (!) auf eine Antifaschistin eingeschlagen hatte. In seinem deutschen Umfeld kam es regelmäßig zu Gewalttaten bis hin zum Mord. Zwei Mitglieder seiner Bande erstachen 1991 einen Bundeswehrsoldaten10. Nach seiner Ausweisung aus dem »Altreich« fand er Unterschlupf beim Altnazi Fritz Rebhandl in Salzburg, von wo er begann, die Innviertler Nazi-Skinheadszene zu organisieren und bald an die 50 junge »Kameraden« um sich scharte. 11 Aktiv war Polacek vor allem in der Braunauer Gegend, die Zeitung der Gruppe nannte sich dementsprechend »Braunauer Ausguck«, in ihr wurde unverhüllt ein militanter Neonazismus gepredigt. Jahrelang konnte Polacek in diesem Sinne ungestört agieren und organisieren. Trotz einer Reihe von Anzeigen gab es jahrelang keine Verfahren gegen ihn. Zuständiger Staatsanwalt in Ried: Heinrich Steinsky, schlagender Burschenschafter der »Suevia«. Dieser war bereits Jahre zuvor in Salzburg wegen Amtsmißbrauch angezeigt worden, weil er trotz zahlreicher Anzeigen keine Anklage gegen den Nazi Fritz Rebhandl erhob. Unmittelbar nach Steinskys Wechsel nach Ried wurde Rebhandel angeklagt und verurteilt. Mittlerweise mehrmals eingeknastet, lebt Polacek heute in Griechenland. Seinen Idealen ist er treu geblieben, nur hat der mittlerweile 75-jährige die Axt endgültig gegen den Stift getauscht: zuletzt schrieb er einen Beitrag für das Buch »Als wir ‚befreit’ wurden«. Herausgeber: Andreas Mölzer12. Einer der Unterstützer Mölzers und in dessen Personenkomitee bei der EU-Wahl 2004 ist auch ein gewisser Staatsanwalt Heinrich Steinsky, nur so nebenbei erwähnt.
Ab und zu überlebt´s einer nicht Aus dem Umfeld von Polacek stammten auch die Mörder von Raimund F., der ´95 unter nie wirklich geklärten Umständen in Ried erschossen wurde (Staatsanwalt im Prozess: Heinrich Steinsky). 2002 war es der 18-jährige SV Ried-Fan Dominic, der die braune Aggression nicht überstand. Er wurde 2 Tage vor Weihnachten von Rechtsextremen zusammengeschlagen und verstarb an den Folgen. Im November wurde im bayrischen Simbach, vis-a-vis von Braunau, ein Obdachloser von Dorfjugendlichen zu Tode geprügelt. Politische Motive werden stets ausgeklammert oder gar vertuscht. Das Problem der militanten Rechtsextremisten wird im öffentlichen Diskurs, bei weitem nicht nur im Innviertel, gern zu einem allgemeinen Problem mit »gewalttätigen Jugendlichen« umgelogen, denen man wiederum nur mit »rechten« Methoden (härtere Strafen etc.) beikommen könne.
Mit bunter Kultur gegen die braune Unkultur So alt wie der Nazismus ist auch der Widerstand dagegen, der auch hier auf vielfältige Art und Weise daherkommt. Der kulturelle ist ein wichtiger Teil davon. Jahrelang war etwa der »Kulturpolitische Aschermittwoch« ein wichtiger Gegenpol zum »Politischen« der FPÖ. Die Lage ist jedoch keine leichte nicht. Während Rechte und Rechtsextreme den öffentlichen Raum auf Massenevents wie der Rieder Messe beinahe dominieren, bleiben die Kulturbegeisterten meist unter ihresgleichen. »Es treffen sich mehr oder weniger die allseits Bekannten. Umgekehrt ist Zulauf garantiert, wenn das Niveau tief und der Spaßfaktor extrem hoch ist. Mir scheint, daß wir immer mehr in Parallelwelten leben« meint Heinz Wieser von »Kunst und Kultur Raab«13. Und er nennt auch ein leidiges Problem der Provinz, den Braindrain: »Meine Kinder und die vieler Bekannter hier im Ort, die sind weg, zum Studium oder für einen Job in die Städte«. Durchaus bemerkenswert werkt in St. Pantaleon der Verein »meta.morfx« mit einem bunten Programm zwischen Electro, Rock und Ska. Die rund 50 Mitglieder haben in unzähligen Arbeitsstunden ein ehemaliges Fabriksgebäude für sich adaptiert und werken mit wenig Subvention und sehr viel Engagement. Die etwa 350 BesucherInnen pro Veranstaltung zeigen, dass es durchaus möglich ist, auch mit einem über Bierzelt-Niveau angesiedelten Programm massentauglich zu sein und so den braunen Rattenfängern vielleicht ein Stückchen Boden zu entziehen.
1 Thor Steinar: »Kult«-Bekleidungsmarke der Neonazi-Szene 2 zit. nach »Braunauer Bezirksrundschau« 8. 1. 2009 3 zit. nach OÖN, 16. 6. 2006, siehe auch http://www.wno.org/newpages/chr08c.html 4 http://ooe.orf.at/stories/166836 5 http://www.hrb.at/bzt/doc/zgt/b15/presse/20060921oesterreich.htm 6 http://www.doew.at/frames.php?/projekte/rechts/chronik/2003_07/konzert1.html 7 http://www.widerstand.info/293/erfolgreichedemonstration-in-ried-im-innkreis 8 Grabmer, Volkmer, Die Volksdeutschen inOberösterreich, Grünbach 2003, S. 88 9 zit. nach DIE ZEIT, 18. 10. 1991 10 http://www.doew.at/frames.php?/projekte/rechts/chronik/2008_07/polacek.html 11 Purtscheller, Wolfgang, Aufbruch derVölkischen, Wien 1993, S. 396 12 http://www.andreas-moelzer.at/index.php?id=334 13 http://www.servus.at/kkraab
Thomas Rammerstorfer, Altenfachbetreuer, ist aktiv beim Infoladen Wels und der Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit.