Gerald Raunigs Neuererscheinung „Tausend Maschinen. Eine kleine Philosophie der Maschine als sozialer Bewegung“ hat Andre Zogholy für Sie gelesen.
Was kommt denn da daher? Tausend Maschinen? Von Gerald Raunig. Der Bezug zu den 700 Seiten starken »Tausend Plateaus« von Gilles Deleuze und Félix Guattari lässt sich erst mal nicht von der Hand weisen. Ist Gerald Raunig nun völlig grössenwahnsinnig geworden? Doch alles der Reihe nach …
Tausend Maschinen ist im Turia und Kant Verlag in der Reihe »Es kommt darauf an« erschienen, was wiederum eine direkte Anspielung auf die bekannte Feuerbach-These von Karl Marx darstellt: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.« Die Reihe umfasst bereits acht Bände, als AutorInnen sind neben anderen etwa Chantal Mouffe, Paolo Virno oder Gayatri C. Spivak anzuführen.
Raunig relativiert einerseits die Referenz zum Ziegel Tausend Plateaus mit dem Untertitel »Eine kleine Philosophie der Maschine als sozialer Maschine«, er beschreibt hiermit aber auch den Kern des Buches: so geht es nicht um einen alltagssprachlichen Umgang mit dem Begriff Maschine, technoide Gadgetfreaks werden wohl enttäuscht sein. Vielmehr baut Raunig zunächst auf das Maschinenfragment von Karl Marx in den Grundrissen auf, in dem eine Maschine zwar als Mittel der Produktion, aber auch als Wissen und Geschick um die Bedienung der Maschine umfassend beschrieben wird. So steht eine heterodox zusammengesetzte Maschine als eine weniger technische, denn soziale im Mittelpunkt des Interesses. Tausend Maschinen ist also der Entwurf einer Theorie der sozialen Maschine.
In sechs Kapiteln wird ein weiter Bogen von Fahrrädern, zu Theatermaschinen, zu Kriegsmaschinen, Mayday-Maschinen bis hin zu sogenannten Abstrakten-Maschinen geworfen. Raunig verzettelt sich nicht im sprichwörtlichen Referenzdschungel, vielmehr werden die theoretischen wie praktischen künstlerischen Bezüge auf interessante Arten miteinander verkettet: von der »deus ex machina« im antiken Theater, (interessant auch, da in der Antike unter Maschine sowohl List und Täuschung, als auch Gerät und Werkzeug verstanden wurde), zum Theater in der jungen Sowjetunion der beginnenden 1920er Jahre, auch mit der Rolle des Publikums experimentierend, jenseits der Proletkultvorstellung einer »Kultur für alle«, zu politischen Maschinen, gegen repressive Staatsapparate, bis hin zu Kriegsmaschinen.
Bei Raunigs Ausführungen geht es immer auch um Erfindungen: am spannendsten werden die Varianten der List in jenen Fällen, in denen es um die Täuschung geht, wie in der Travestie und der Verwirrung bei z.B. der Clowns Army der Anti-G8-Gipfel von Gleneagles und Heiligendamm oder einer Critical Mass als queere Aneignung des massenhaften Fahrradfahrens. Weitere Bezüge werden zu Flann O´Briens Dritten Polizisten (was nun ein bulbul ist, bleibt aussen vor), Themroc, dem trojanischen Pferd, oder dem Doppeldecker-Bus der VolxTheaterKarawane geknüpft.
Das Buch kann als Bindglied, als zusätzliches Plateau, als Anschluss, Übergang und Kuppelung mit Raunigs 2005 erschienem »Kunst und Revolution« betrachtet werden. Als Zuckerl gibt es ein Nachwort des postoperaistischen Theoretikers Maurizio Lazzarato, in dem dieser u.a. das Fernsehen als abstrakte Maschine beschreibt und auf Möglichkeiten sich einer serialisierten und standardisierten Subjektivitätsproduktion zu entziehen, verweist, um schliesslich eine Politik des Experimentierens einzufordern. Die Tausend Maschinen sind insgesamt und Dank der Beispiele und Referenzen »flockig« und unterhaltsam aufzusaugen. Der Verdacht des Grössenwahns löst sich auf.
Gerald Raunig: Tausend Maschinen. Eine kleine Philosophie der Maschine als sozialer Bewegung. Mit einem Nachwort von Maurizio Lazzarato. Wien Turia + Kant 2008, 125 Seiten