Arbeitsmarktpolitik im Kulturbereich beleuchtet Juliane Alton.
Es gibt Länder, in denen Kulturforschung stetig stattfindet und wo deren Ergebnisse Auswirkung auf die Realität haben. 1
In Österreich gab es für die Ankündigung der damals frisch gebackenen Kulturministerin Schmied, nach fast zehn Jahren Pause künftig wieder Kulturforschung betreiben zu wollen, breite Zustimmung. Im vergangenen Juni wurde eine »Rohfassung« der Auftragsstudie »Zur sozialen Lage der Künstler/innen« an die Auftraggeberin abgeliefert. Als sich abzeichnete, dass die Studie weder fertig gestellt noch publiziert werden würde, sorgten Menschen im Ministerium dafür, dass die wichtigsten Ergebnisse der Erhebung publiziert wurden. 2 Warum die Ministerin nicht einmal im Wahlkampf mittels der so gewonnen Daten die Versäumnisse der schwarz-bunten Kulturpolitik publik machte, bleibt ihr Geheimnis. Denn die Fakten sind spannend: im Durchschnitt arbeiten Künstler/innen 52,1 Stunden pro Woche, also wesentlich mehr als der Durchschnitt der Erwerbstätigen (34,8 Stunden), doch verdienen sie damit im Durchschnitt nur 1.000 Euro im Monat. Was jedoch den Gendergap beim Einkommen betrifft, liegen die KünstlerInnen im österreichischen Durchschnitt: sie verdienen ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig liegt der Bildungsgrad der Künstler/innen (43% Akademiker/innen) weit über dem österreichischen Durchschnitt (8% Akademiker/innen).
Das Künstlersozialversicherungsfondsgesetz samt Novellierung hat die soziale Lage der Künstler/innen nicht entscheidend verbessert. Das Gesetz verursacht den Künstler/ innen großen bürokratischen Aufwand und hat repressive Züge. Die Novelle hat einen Fehler beseitigt, den die Autoren wider besseres Wissen ins Gesetz geschrieben hatten (die Nicht-Anerkennung von Preisen und Stipendien als Einkommen), der aufgrund zweier Urteile des Verfassungsgerichtshofs zu korrigieren war. Weiters wurde in der Novelle die Beschränkung des Zuschusses auf den Pensionsversicherungsbeitrags aufgehoben, was aber nur denen nützt, die ganz wenig verdienen, denn die Zuschusshöhe insgesamt blieb gleich.
Arbeitsmarktpolitik im Kulturbereich Wiederkehrende Arbeitslosigkeit ist für Berufe im Kunst- und Kulturbereich ein berufsspezifisches Phänomen aufgrund der projektbezogenen Anstellungen. Das gilt speziell für Theater und Film, doch auch für Kulturarbeit. Es ist daher unsinnig, solche Leute in ihrem Beruf als nicht erfolgreich und als Umzuschulende einzustufen. Genau das aber macht »Team 4«, das in NÖ und Wien für die Arbeitsvermittlung im Theater- und Filmbereich zuständig ist. Vorrangiges Ziel dabei: Die »Ich-AG«, wie Team 4 auf seiner Homepage bekennt. Vor der Auslagerung in den privaten Verein Team 4, die selbst vom zuständigen Beamten im BMWA als teuer kritisiert wird 3, gab es im Rahmen des AMS engagierte Arbeitsvermittlung. Jetzt gibt es Kurse in Selbstvermarktung und anderen »Fächern«, die von den Besucher/innen als teuer und wenig tief gehend kritisiert werden (2.500 Euro für einen dreiwöchigen Kurs »Camera-Acting« mit 9 Stunden pro Woche (mehr als 92,- € pro Stunde für jede Teilnehmer/in). Das ist ein Negativbeispiel für Arbeitsmarktpolitik in der Kultur.
Das Positivbeispiel wurde vor kurzem bei der steirischen Landeskulturkonferenz der IG Kultur Steiermark thematisiert: STWUK – Steirische Wissenschafts-, Umwelt- und Kulturprojektträgergesellschaft. Es geht darum, dass Langzeitarbeitslose über Lohnsubventionen während eines gewissen Zeitraums wieder in den »1. Arbeitsmarkt« hineinwachsen. Das Beschäftigungsmodell wird von autonomen Initiativen in Form von Beschäftigungsprojekten realisiert und richtet sich auch an gut ausgebildete Menschen. Der Erfolg ist bestechend: gerade im Kulturbereich finden 60 % der so Unterstützten wieder Arbeit über das Beschäftigungsprojekt hinaus, 40% bleiben im Kulturbereich tätig. Schöner Nebeneffekt: Kulturinitiativen erhalten aus Arbeitsmarktmitteln Arbeitskräfte. Die »Verweildauer « im Projekt lag bis Ende 2007 bei zwölf Monaten, seither ist sie auf neun Monate gefallen, weil das AMS Mittel in die Ausbildung von Metallarbeitern investieren musste. Das Problem dabei: die Perspektive verschlechtert sich für die Menschen, weil sie über das Projekt nicht mehr die Anwartschaft für Arbeitslosengeld erreichen können, die bei zwölf Monaten innerhalb von zwei Jahren liegt. Die Anwartschaft überhaupt zu erreichen ist ein generelles Problem für Leute in der Projektarbeit. Ein weiteres Problem ist die »Höhe« des Arbeitslosengeldes, das bei rund 50% des Arbeitsentgelts liegt.
Noch glauben Leute wie der steirische Kulturlandesrat Kurt Flecker an die Einführung der Mindestsicherung. Diese würde – bei allen bekannten Problemen – die zwei genannten Schwierigkeiten entschärfen: das Erreichen der Anwartschaft und einen Betrag, der die Lebenshaltungskosten deckt. Doch das AMS bastelt an einer Neuauflage des 2006 gefloppten Kombilohns 4 – zum Ausbau des Niedriglohnsektors.
1 Z.B. wird in Schweden die soziale Lage der Kunst- und Kulturschaffenden alle drei Jahre wissenschaftlich erhoben. Eine Auswirkung dieser Forschung war die Installation von speziell ausgebildeten Beamt/innen in den Finanzämtern und Sozialversicherungsträgern, die bestehende Gesetze in fairer Weise für Kulturschaffende anzuwenden vermögen. 2 Der Standard, 27.8.2008 3 Mag. Roland Sauer am Rande einer Podiumsdiskussion des Kulturrats am 20.2.2007 4 http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/369379/print.