Liebe immervolle Eva!

Mata Hari über die Krippenstadt als größte Propagandaschleuder für die heilige Familie.

 

Also was für eine Aufgabe! Kulturpolitische Briefe zu schreiben, ist ja eine nette Aufgabe, noch dazu, wo du mich so geschickt mit Sonderausstattungen für meinen Lamborghini versorgst. Aber liebes Mistress-Mind, mir im Oktober den Auftrag zu geben, ich solle doch über die Linzer Krippenstadt schreiben, da krieg’ selbst ich eine Schreibhemmung! An wen soll ich denn mein Schreiben richten, bitte schön? An den schönen Erich (auch Pretty Ricky genannt), der richtigerweise in dieser event-verliebten Zeit Vize für Kultur und Tourismus ist, oder an den Vickerl oder doch gleich lieber an die Stadträtin Susi? Quasi an die Heiligen Drei KönigInnen der Kripperlsaison? Dabei ist doch die Krippenstadt die größte Propagandaschleuder für die heilige Familie!

Da gibt es dann »more of the same«: Vater-Mutter-Kind aus Stroh, Vater- Mutter-Kind aus Ton, Vater-Mutter-Kind aus Messing, Vater-Mutter-Kind aus Silikon. Derweil ist es in Österreich immer noch unmöglich anzuerkennen, dass es auch Mutter-Mutter-Kind oder Vater-Vater-Kind Familien gibt, in denen die Kinder keine vollen Zugriffsrechte auf ihre Eltern haben. Diese Familien existieren längst, aber ihre Anerkennung wäre quasi die Kreuzigung der Hetero-Ehe und der Hetero-Familie. Ach, ach, Eva! Lässt du dir auch immer einen Adam vorschreiben? Und dann heißt er doch manchmal Hans, Franz, Sepp oder gar Leonie! Aber was weiß ich schon! So wie ich dich kenn’, lässt du dir gar nichts vorschreiben. Stattdessen wäre es an der Zeit – in der Hoffnung, dass die größte Angst der Heteromafia wahr werde – und die Homo-Familie die Ehe zerstört. Die Zusammenlebensform nämlich, die die Grundfesten der patriarchalen Gesellschaft darstellt: Die alles vereinende Lebens-, Sexual- und Wirtschaftsgemeinschaft.

Ich glaub’s zwar nicht, dass die Homo-Ehe diese Macht hat, aber ich lass mich gerne eines besseren belehren. Da wäre es doch eine gute Gelegenheit, die Propagandaschleuder »Krippenstadt« umzudrehen und ein paar Silikon-Josefs mit eine paar Ton- Marien oder ein paar Messing-Jesusse zu tauschen. Da wären wir dann in einem post-homophoben und sogar im postrassistischen Zeitalter angekommen, so ganz Obama-mässig.

Muss los. Parkplatz vor dem Dom suchen. Deine Mata

PS: Apropos Obama! Lieber Provinzfürst des Jahres 2009. Hab reichlich CNN geschaut dieser Tage und Nächte und weiß jetzt, dass Warschau sich um die Kulturhauptstadt 2016 BEWIRBT. Von Linz 09 keine Spur, nicht auf CNN, nicht in Brüssel, nicht in Stockholm. Mit den lokalen Kulturinitiativen nicht zusammenarbeiten, aber provinziell bleiben. Das lob ich mir!

Mata Hari ist Doppelagentin und arbeitet hie und da.