Kupf-Innovationstopf 2009 – Was sagen die Eingeborenen?

Doris Rögner warnt davor den KUPF-Innovationstopf 2009 zu ignorieren.

 

Die KUPF hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem Innovationstopf 2009 ausschließlich Projekte zu fördern, die abseits von Linz stattfinden.

So weit, so gut. Schließlich haben die LinzerInnen 2009 sowieso allerhand Spektakel auszuhalten, da ist es nur gerecht, wenn sich woanders auch was abspielt. »Abseits« ist das Motto des Innovationstopfes. Wo ist abseits? Aus radikal-individualistischer Sicht ist »Abseits « eigentlich immer woanders, nämlich dort, wo das Selbst nicht ist. Andererseits gibt es durchaus Individuen, die von sich selber sagen, sie stünden im Abseits. Es sind solche, welche die Definitionsmacht abgegeben haben. Insoweit, als die Abgabe, oder sagen wir Beschränkung der individuellen Definitionsmacht eine notwendige Vorraussetzung für Kommunikation und soziales Leben ist, ist sie eine sinnvolle Sache. Dennoch bleibt »Abseits« eine Frage des Standpunktes.

Versteht sich die KUPF als gleichberechtigter Zusammenschluss oberösterreichischer Kulturinitiativen, oder ist sie ein Linzer Verein? Mit der vorliegenden Ausschreibung positioniert sie sich als letzteres und übernimmt die Mainstream-Sichtweise, dass die Metropolen (im Falle von Linz müsste man vielleicht eher sagen: die, die sich dafür halten) eine führende Rolle innehaben, »vorne liegen«, während alles andere zwangsläufig abseits liege. Es stellt sich die Frage, ob sich die KUPF dadurch nicht selber zu einem Teil des von ihr erkannten und kritisierten Mechanismus macht. Sie geht davon aus, dass Kulturinitiativen und Bewegungen entweder aus dem Abseits heraus wollen, aber keine Chance haben, oder sich bewusst abseits stellen. Im ersten Fall soll der Innovationstopf eine Art Entwicklungshilfeb leisten, im zweiten möchten die KupfianerInnen genießen, was der/die aufgeschlossene MitteleuropäerIn sucht, wenn er/sie bei primitiven, Verzeihung, indigenen Kulturen urlaubt, sei es in Afrika, auf dem Balkan oder im Salzkammergut: »Dann wäre das Abseits ein hervorragender Ort für Kreativität, Individualität, Abstand vom Alltag oder für Selbstreflexion.« Die Ausschreibung zum KUPF-Innovationstopf ist Produkt einer intensiven Reflexion einer Gruppe von gescheiten, gebildeten, kritikfähigen Leuten. Dass die (positiven und negativen) Klischees vom Leben außerhalb der Landeshauptstadt dennoch so stark durchklingen, kann man dahingehend deuten, dass ein Vorurteil eben in Persönlichkeitsschichten verankert ist, die dem Verstand nicht zugänglich sind. Man könnte aber auch vermuten, dass es sich um die Art von gar nicht so selten anzutreffenden Klischees handelt, welche mit der Realität zumindest in grober Übereinstimmung stehen. So oder so, als von der KUPF beauftragte Eingeborene habe ich meine Rolle zu erfüllen: Moderne Eingeborene wehren sich gegen jede Art von Bevormundung, und sei sie noch so gut gemeint. Was diese zivilisierten LinzerInnen »abseits« nennen, ist unsere Lebensrealität. Wir werden hier weder besonders kreativ oder selbstreflektiert, noch sind wir besonders arm dran.

Holen wir uns die Definitionsmacht: Abseits, das ist Linz! Diese Stadt, die ihr etwas verschmuddeltes, langweiliges, industriegeprägtes, aber nicht unsympathisches Antlitz Schritt für Schritt in eine gesichtslose, austauschbare Fassade zu verwandeln versucht, auf dem Weg zur wahnsinnig spannenden schicki-micki Kulturhauptstadt! Hey, LinzerInnen: Erst dann, wenn die letzte Glas-Beton Fassade fertiggestellt, das hundertdreiundvierzigste Shoppingcenter eröffnet und der letzte Platz videoüberwacht sein wird, werdet ihr erkennen, dass man ein Musiktheater nicht essen kann und das Lentos auch nicht. Widerständige Eingeborene könnten sich überlegen, den Innovationstopf schlichtweg zu ignorieren. Davor möchte ich allerdings warnen. Denn die Ausschreibung weist ihre Tücken auf: Es heißt ja keineswegs, dass nur waschechte Abseitige einreichen dürfen. Die Projekte müssen lediglich abseits von Linz stattfinden. Das heißt, die LinzerInnen werden kommen, um Abstand von ihrem Alltag zu gewinnen, ihre Kreativität und Individualität zu entdecken und sich selber zu reflektieren. Verständlich, dass sie ihrer Kulturhauptstadt den Rücken kehren wollen.

Gut, dass sie bei unseren Biobauern einkaufen werden. Nett, dass sie sich mit uns gerne unterhalten werden. Interessant, dass sie uns vielleicht sogar zu lebenden Teilen einer Installation machen werden. Aber das machen wir uns lieber selber. Reicht ein!

Doris Rögner, geb. 1971, lebt in Niederneukirchen, arbeitet allerlei und nützt Restzeit zum Schreiben.