Zum 100sten Geburtstag der großen Beauvoir bietet Sigrid Lamberg einen kleinen Überblick über Ihr Werk.
Nein, liebe LeserIn, ich werde mich nicht im Voraus dafür entschuldigen, dass ich Sie mit bereits Bekanntem konfrontiere.
Runde Geburts- bzw. Todestage werden gerne von der schreibenden Zunft zum Anlass genommen, um auf das gesellschaftliche, kulturelle oder politische Wirken der Person zu verweisen. Dabei wird die Biographie durchstöbert, um eventuell noch unbekannte Facettchen zu entdecken und damit „Sensationsjournalismus“ zu betreiben. Trotz all dieser berechtigten Bedenken sollte jener Figur, deren Geburtstag sich 2008 zum 100. Mal jährt, auch im vorliegenden Blatt den ihr zustehenden Platz erhalten: zu kontrovers stellt sich ihr Leben und ihr Werk dar, um es unkommentiert zu lassen und auch 22 Jahre nach ihrem Tod ist jede Berichterstattung über sie gerechtfertigt; die Rede ist von Simone de Beauvoir.
Die französische Philosophin und Schriftstellerin definierte ihr Leben durch das Schreiben, daraus erklärt sich einerseits die Fülle ihrer schriftlich verfassten Gedanken – sei es in Briefen, Romanen oder Essays – andererseits gibt sie durch ihr Werk jedes Mal ein bisschen mehr von sich selber preis; ihre Schriften sind autobiographisch.
Im Roman Memoiren einer Tochter aus gutem Hause (1958), schildert Beauvoir die Loslösung von ihrer (groß)bürgerlichen Herkunftsfamilie. Sie studierte Philosophie an der Sorbonne und erhielt als eine der ersten Frauen die Lehrerlaubnis für Philosophie; in dieser Lebensphase trifft sie Jean-Paul Sartre, mit dem sie ihr Leben lang verbunden bleibt.
Während der Résistance betätigt sich Beauvoir nicht aktiv im Widerstand, sie befürwortet ihn zwar, aus einer intellektuellen Position heraus, aber greift selbst nicht zu den „Waffen“. Diese „Passivität“ verfolgt sie nach dem Ende der NS-Regimes, wie sie auch in einem Brief an Sartre bestätigt. „Ich weiß wohl, dass wir nichts tun konnten, aber immerhin gehören wir zu der Generation, die es hat geschehen lassen … Ich habe Gewissensbisse, wenn ich daran denke, dass ein anderer für unsere Ohnmacht bezahlen muss … Indem man sich fernhält, bezieht man Stellung.“ (Hervé/ Höltschl 2003: 28) Aus diesem Gewissenskonflikt heraus erfährt Beauvoir zusehends eine Politisierung und veröffentlicht 1945, den Roman Das Blut der anderen. Das Buch, das von den LeserInnen als Widerstandsliteratur aufgenommen wurde, beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Mensch im Kampf um die Freiheit nicht nur sein Leben, sondern auch das Leben der anderen riskieren darf.
Diese Erfahrungen veränderten Beauvoirs Engagement in politischen Fragen – sie bezog nun Stellung und machte sich damit auch angreifbar. Ihre vehemente Ablehnung des Krieges Frankreichs gegen das nach Unabhängigkeit strebende Algerien und die Unterstützung einer algerischen FLN-Kämpferin, welche von französischen Soldaten gefoltert und vergewaltigt wurde, brachten ihr viel Kritik in der Öffentlichkeit ein.
Viel ist im Jahr 2008 über das Werk von Beauvoir zu lesen, welches sie weltberühmt machte und mit dem sie Generationen von FeministInnen nachhaltig prägte: Das andere Geschlecht (1949). Das Gesamtwerk von Beauvoir ist zu vielschichtig, als dass die Reduktion auf dieses Buch zulässig wäre und deshalb, liebe LeserIn, lege ich Ihnen ans Herz, sich Beauvoir aus den vielen Perspektiven ihrer Bücher zu nähern und dabei jeweils ein Stück mehr von ihr zu erfahren – von einer Frau, die fasziniert!
Sigrid Lamberg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes Kepler Uni Linz.