„Was kann Radio?“ Langversion

Dies ist die Langversion zum Originalartikel in der KUPF-Zeitung Nr. 125: https://kupf.at/node/1952

 

Zum zehnjährigen Bestehen Freier Radios in Österreich. Wegen eines geplatzten Kühlwasserschlauchs um einige Minuten verspätet, traf ich Mittte März am Linzer Hauptbahnhof Helga Schwarzwald und Sandra Hochholzer, die Geschäftsführerinnen der Freien Radiostationen ORANGE 94,0 (Wien) und FRO (Linz). Ein Gespräch zu Geburtstagsaktivitäten, Programmaufträgen, Geldbeschaffungsmöglichkeiten und der Frage, ob man Freie Radios überhaupt gerne hören soll. Von David Guttner.

David Guttner: Schön, dass wir alle da sind, und dass ihr die Zeit gefunden habt, im möglicherweise stressigen Jubiläumsjahr. Wie wird denn das bei euch begangen?

Helga Schwarzwald: Naja, neben dem Umstand dass wir zehn Jahre alt sind, was eben ein Anlass zum Feiern ist, gibt es gleichzeitig einen Anlass zu reflektieren und zu schauen, wo wir stehen. Beziehungsweise sich diesen Moment als Gelegenheit dafür herzunehmen, weil das sonst im laufenden Jahr, das so schnell vorbei ist, oft untergeht. Es fällt auch mit der Arbeit der letzten drei Jahre zusammen, in denen wir viel nachjustiert oder entwickelt haben. Jetzt ist dieses Programm eigentlich abgearbeitet, von dem her trifft sich das mit so einer Zahl ganz gut. Es gibt auch heuer wieder – wie jedes Jahr – ein großes Geburtstagsfest, dass diesmal etwas stärker auf die Geschichte und die Anerkennung von RadiomacherInnen und Leuten, die das Projekt seit langem mittragen, mitgestalten und mitgegründet haben, Bezug nehmen soll. Des weiteren planen wir eine kreativ-künstlerische Herangehensweise an das Medium Radio, worin ORANGE 94,0 eine wichtige Identität hat: Es soll eine niedrigschwellige Veranstaltung im Bereich Hörspiel entstehen, Hörstücke im weitesten Sinn. Und darüber hinaus gibt’s auch noch den Bereich Medienpoltik, wo wir über Beteiligung bzw. Ausschlüsse nachdenken, die etwas mit Herkunft/Rassismen zu tun haben, und wie man da eventuell eine interessante Veranstaltung dazu machen könnte. Also die Zehn Jahre als, ja – Rückschau, Kritik aber auch Perspektive in die Zukunft nützen.

David: Das klingt alles danach, als hättet ihr jetzt Luft, um euch über solche Geschichten Gedanken machen zu können.

Helga: Ach Gott, ich denk mir es ist wirklich so: Dieses Jahr kommt halt, und dann quetscht man das irgendwo rein, man versucht Räume zu schaffen, wo man darüber nachdenken kann, was denn Sinn macht, was wir denn wirklich gerne machen würden, was Not tun würde, auch im Sinne einer Auseinandersetzung, und wenn dann etwas Spannendes, auch unter Beteiligung des Teams und von RadiomacherInnen rauskommt – dann mach ma’s, und dann findet sich meistens auch irgendwie die Zeit.

David: 10 Jahr FRO – was kann man da machen?

Sandra Hochholzer: 10 Jahre Freies Linzer Stadtradio spielt sich eh nicht ganz unähnlich ab, wie bei ORANGE in Wien. Wir haben bereits 2007 einen Reflektionsprozess gestartet, die Vorbereitung für diesen Prozess und der Einstieg in die Reflektion waren relativ aufwendig. So ist es 2008 geworden, bis wir da wirklich zur Tat schreiten konnten. Es sind Videointerviews entstanden, mit Leuten die praktisch von Anfang an tragende Rollen bei Radio FRO gehabt haben, und das ist jetzt der erste Teil einer Dokumentationshomepage. Neben diesen Videos kommen auch noch Audios und Texte auf die Homepage, die sowohl medienpolitischen Charakter haben, als auch eine Momentaufnahme eines Blicks auf Radio FRO widerspiegeln, was eine Mischung aus einer Dokumentation und einer Reflektion ist. Weiters sind Fragebögen entwickelt worden, die im Zusammenhang mit einer für den Herbst 2008 gedachten Programmreform stehen. Diese Fragebögen sind im weiteren Sinne auch für HörerInnen/NutzerInnen entwickelt worden, und werden ebenfalls auf der Homepage online ausfüllbar sein, beziehungsweise werden wir sie auch verschicken oder aufliegen lassen, je nachdem. Fragebögen sind da immer ein bissl eine heikle Geschichte, in Bezug auf die Rückmeldungen, vor allem dann, wenn diese einen bestimmten Umfang haben. Was in diesem Rahmen jetzt noch passiert, ist eine im März begonnene Impulsreferatreihe, beziehunsweise Diskussionsreihe. Unter dem Namen ‚Appetite for Transmission’ werden Gäste eingeladen, auch von anderen Freien Radios in Europa, aber auch KünstlerInnen, die sich mit Medien/Kunst auseinandersetzen. Die Reihe ist jetzt primär für Radiointeressierte und RadiomacherInnen, das Team und Vereinsmitglieder von Radio FRO gedacht. Es geht dabei um die Frage „Was kann Radio?“, ein Experimentierfeld aufzumachen, einmal nachzudenken, „Was kann ich neben meiner Sendung, was könnt’ ich alles machen?“. Und da ein bissl anzuregen. Ja und im Herbst wird’s ein Fest geben. Aber das gibt’s jedes Jahr.

David: Jetzt seid ihr beide ja intensive Begleiterinnen eines Zeitabschnittes der Freien Radiogeschichte in Österreich. Per Definition hat sich die Idee eines Freien Radios ja kaum gewandelt: Es geht, runtergebrochen, um eine nicht kommerzielle Plattform, die freien Zugang zu dem Medium Radio ermöglichen soll. Wie weit deckt sich diese Definition mit euren Erfahrungen als Geschäftsführerinnen Freier Radiostationen?

Sandra: Ich glaub genau das ist eine recht spannende Frage, die eben noch ein bissl ein Teil dieses Reflektionsprozesses ist: Was war der Gedanke der Freien Radios vor zehn Jahren, und wo stehen wir heute? Ist es heute immer noch der gleiche Auftrag, oder hat sich der in einer gewissen Weise auch verändert? Und ich glaube, auch das ist noch einmal absolut abhängig von der Örtlichkeit wo jetzt das Freie Radio angesiedelt ist. Also Linz selbst hat sich in den letzten zehn Jahren bestimmt verändert, und genauso das Freie Radio in Linz. Die Rolle eines Freien Radios in Linz war vor zehn Jahren eine sehr neue, sehr spannende. Mittlerweile hat sich das Radio in Linz positionieren können und wird auch angenommen. Linz hat sich auch kulturell stark verändert: 2009 – Linz als ‚Kulturhauptstadt’ – solche Prozesse verändern eine Stadt, und diese Veränderungen wirken sich auch auf’s Radio aus, oder vielleicht hat auch das Radio auf die Stadt gewirkt?

David: Inwiefern sind da Veränderungen spürbar? Zu dieser ursprünglichen Intention, die ja klarerweise auch ein politische Intention war und ist?

Sandra: Na ja, die starke Ausprägung von Linz als Kulturstadt hat es sicher auch dem Radio erleichtert und ermöglicht, nicht nur als Plattform für RadiomacherInnen, sondern auch im kulturellen Bereich zu einem tätigen und regen Faktor in der Stadt zu werden. Und… ja.

David: Kann man diesen Weg über die freien SendungsmacherInnen gehen, oder muss man den auch redaktionell beeinflussen? Also soll das Radio eine Linie vorgeben oder wird die Linie allein durch die ProgrammmacherInnen gestaltet?

Sandra: Also ich glaube bei Radio FRO ist das getrennt zu sehen: Man versucht schon die RadiomacherInnen einzubinden, aber ich glaube das kulturpolitische Schaffen oder die Projektarbeit von Radio FRO ist etwas, was nur teileise von den RadiomacherInnen selbst beinflusst ist. Ich finde, es ist wichtig das zu trennen und nicht unmittelbar zusammen zu spannen.

David: Aber dieser Auftrag, sich auch inhaltlich-redaktionell als Radio selbst zu positionieren, ist in Wahrheit gar nicht vorhanden. Hat sich der erst durch die Praxis ergeben?

Sandra: Es gibt beispielsweise bei Radio FRO das Infomagazin FROZINE, das auch nach Bedürfnissen gestaltet wird, die nicht wahnsinnig viel mit den ProgrammmacherInnen zu tun haben. Das würde ich eher auf die Seite einer kultur- und medienpolitischen Ausrichtung stellen. Also diesen Auftrag gibt’s schon. David: Helga wie siehst du das, ist das in Wien ein Thema?

Helga: Ein Thema? Jetzt die Frage nach inhaltlicher Posititionierung, Beteiligung… Also ich mache den Job ziemlich genau seit 4 Jahren, hab davor auch nicht in Wien gelebt. Ich kenne ORANGE allerdings schon länger, noch aus meiner Zeit in Salzburg, wo ich ursprünglich her komme, auch als politischen – wie soll ich sagen – Akteur. Bei ORANGE war das nie so sicher, ob das eine Plattform ist. Diese Abspielfläche oder Plattform ist eines, ist ein wichtiger Faktor. Die andere Geschichte ist, dass ich bei ORANGE den Eindruck gehabt habe, und noch habe, dass es sehr hohe Ansprüche darüber hinaus gibt: Wie kann man es erreichen, dass sich Leute als Teil des Projekts wahrnehmen? Wie kann man mit dem ganzen Spektrum der Progammmacherposititonen umgehen? Von – überspitzt formuliert – „das Projekt bin ich“, bis hin zu denen, die sagen sie sind im autonomen feministischen Bereich verortet, und wollen das Radio als Medium nutzen, um eine andere Öffentlichkeit für ihre politische Arbeit herzustellen. Oder jemand will irgendwann einmal bei Privat-Kommerziellen, oder bei FM4, ein bekannter DJ sein, und eigentlich einen Beruf daraus machen. Da gibt’s eine sehr große Bandbreite, und ich habe so den Eindruck, das sich ORANGE traditionell nicht damit zufrieden geben will oder kann, diese Abspielfläche zu sein, sondern dass es immer schon darum geht, dass darüber hinaus etwas möglich ist. Was, glaube ich, zum Teil dazu führt, dass es das Projekt auch fast zerreißt, im wörtlichen Sinn, und es in den vergangen Jahren über diese ganze Geschichte auch immer wieder Konflikte gegeben hat, weil sich dann auch die Frage stellt: Wo ist jetzt die Grenze der Beteiligung? Wo geht es auch darum, dass man aus der Positition, nicht in die Organisation involviert zu sein, auch nicht wirklich informierte Entscheidungen treffen kann?

David: Dabei geht es nicht nur um inhaltliche Fragen, sondern auch um finanzielle, nehme ich an. Wo setzt Du diese Grenze, kannst du das klar definieren, oder ist das von Fall zu Fall unterschiedlich zu bewerten?

Helga: Na ja, ich sehe das schon so, dass die Partizipation sich im wesentlichen auf das Pogramm und darüber hinaus gehende programmatisch vertretene Inhalte konzentriert: Was für eine politische Posititonierung nimmt dieses Radio ein? Also in dem sehe ich die Diskussion und die Beteiligung.

David: Auch die Außenwahrnehmung?

Helga: Doch, Natürlich! Ich denke, es ist Realität, dass so und so viele Radiomacher auch relativ intensiv die Möglichkeit und die Macht haben, dieses Projekt auch nach außen hin zu repräsentieren. Für viele ist die Organisationsform von Freien Medien gar nicht so nachvollziehbar. Die sehen so jemanden mit einem Mikro und einem ORANGE-Logo und gehen davon aus, dass diese Person auch in irgend einer Form in der Lage sei, für die Organisation zu spechen. Zur redaktionellen Position des Herausgebers sehe ich das für ORANGE so, dass es notwendig ist, und in den letzten Jahren auch relativ viel Energie hinein geflossen ist, zu reflektieren und wahrzunehmen, wo man, mehr oder weniger bewußt oder unbewusst, redaktionell tätig wird, beziehungsweise gerade auch nicht tätig wird. Wir haben 500 Leute, die regelmäßig monatlich Sendung machen, in ungefähr 180 verschiedenen Shows. Auch wenn man viel Radio hört, hört man manche Sachen gar nicht, weil man es möglicherweise nicht versteht, andere Dinge hört man nicht, weil sie einen nicht interessieren. Das ist einfach Realität. Ein Programmkoordinator ist auch nicht dazu da, das Programm sozusagen zu ‚überwachen’, sondern sich eher etwas dazu zu überlegen, wie man gemeinsam mit Leuten aus dem Schulungsbereich in einer Art redaktionell tätig sein kann, die da heißt: Den Prinzipien von ORANGE 94,0, die meiner Ansicht nach extrem hoch sind, gerecht zu werden. In den allgemeinen Richtlinien, die man auf unserer Homepage nachlesen kann, steht sogar so etwas wie antisexistisch, antirassistisch, antifaschistisch, nicht die Würde des Menschen verletztend. Das ist ein hoher Anspruch.

David: Geht’s da um die Vermeidung von beispielsweise Rassismen oder Sexismen, oder das auch…

Helga: …bewußt zu sein! Genau. Die Realität, denk ich mir, ist ein bisserl so: Verlangt man ein bisserl mehr, bekommt man ein bisserl weniger, im Sinne von: Wenn man antirassistisch verlangt, bekommt man hoffentlich wenigstens NICHT rassistisch. Das ist nicht meine Herangehensweise. Ich bin Juristin. Ich würde es eher bei dem belassen, dass man sagt: „Wir wollen keine rassistischen Inhalte!“. Denn der Anspruch einer x-beliebigen Musiksendung, die super spezialisiert ist im Bereich elektronischer Musik, das ist jetzt eh schon ein sehr positives Beispiel, von der jetzt zu verlangen antirassistisch tätig zu sein, ist natürlich schon möglich, aber ist – wie schon gesagt – ein extrem hoher Anspruch, und wäre schon eine sehr klare Einschränkung der möglichen Konzepte.

David: Könnte, würde man das restriktiv auslegen, auch sehr in die Gestaltungsfreiheit eingreifen…

Helga: Könnte, genau. Und das tut man so nicht. Die Realität ist eben, dass wir uns bemühen, die meist heterogenen Gruppen von Menschen in den Schulungen immer mehr auch für Fragen zu sensibilisieren, wie ‚Was heißt Sexismus?’. Auch die Leute dazu zu bewegen, oder ein Stück weit zu verordnen, oder medienpädagogisch zu realisieren, dass sie sich auch darauf einlassen, das persönlich und emotional ein Stück weit zu erspüren. Und nicht: Das ist irgendwas, und solange man nicht ganz verheerende Rassismen oder Sexismen ausposaunt, ist eigentlich alles OK.

David: Also ein Grundverständnis herzustellen.

Helga: Genau.

David: Gibt es bei ORANGE ein redaktionelles Pendant zur FROZINE bei FRO?

Helga: Na ja, es gibt bei uns in dem Sinn zur Zeit keine direkte redaktionelle Arbeit. Wie sich ORANGE redaktionell positioniert, seh ich darin, wie konsequent und ernsthaft man den Programmauftrag umsetzt, und wie gut man in der Auswahl neuer Sendungen auch darauf schaut, dass im gesamtmedialen Spektrum unterrepräsentierte Inhalte wirklich sehr ernst genommen werden. Nicht zuletzt deswegen, weil ja unser Programm relativ voll ist, und wir schauen müssen, was mit dieser wertvollen Zeit passiert. Es geht auch darum, in einen Diskurs mit lang bestehenden Sendungen zu treten. Es gibt einen Passus bei uns in den Richtlinien, der heißt: „Vor allem zu fördern sind neu aufkommende kulturelle, politische, subkulturelle, künstlerische Strömungen.“. Auch auf das ein Augenmerk zu legen, in dem seh ich eigentlich die redaktionelle Verantwortung.

David: Wenn man das jetzt so geschafft hat, wie du es geschildert hast, wie ist dann der Weg aus dem Studo hinaus, damit diese Inhalte auch irgendwo ankommen können? Ich nehm jetzt ein ganz ‚böses’ Wort in den Mund, das in diesem Zusammenhang aber immer wieder fällt, nämlich ‚sexy’. Wie kann man diese ganze Heterogenität, von der du gesprochen hast, so ankommen lassen, dass sie auch trotzdem sexy klingt?

Helga: Ach, ja. Also gerne hören, im Bezug auf Freie Medien, ich weiß es nicht…

David: Soll man das gar nicht?

Helga: …also auch das soll möglich sein, es nicht gerne zu hören, aber es doch zu hören. Ich denk es geht ein Stück weit auch darum, dass, aufgrund dessen, dass es dieses Medium gibt, Menschen mit Inhalten konfrontiert werden, mit denen sie sonst vielleicht nie in Berührung gekommen wären. Das ist das eine. Das andere ist, dass ich selbst feststelle, wenn ich ORANGE höre, dass es erstaunlich viele Sendungen gibt, die, wenn nicht sexy, so doch interessant, und inhaltlich einfach sehr gut gemacht sind, sehr informativ. Man wird nicht zugetextet auf eine sehr gestylte und sehr glatte Art, aber man bekommt Informationen in Themenbereichen, die man sonst einfach nicht bekommt. Ich kann auch musikalisch einiges geben, was sonst nicht so leicht zugänglich ist, und ich glaub schon, dass das geschätzt wird. Ich glaub, dass es nicht umsonst so ist, dass heuer die Freien Radios zum Beispiel Ö1 beim ‚Radiopreis der Erwachsenenbildung’ überholt haben, und das FM4 gar nichts bekommen hat… Auf Fragen wie: „Na, de Freien Radios, sand des net de, de eh kana hert?“, wie ich es einmal aus einem Ministerium gehört habe, denk ich mir: „I glab net“. Das kann man heute so nicht mehr sagen. Mich würde schon interessieren, auf eine qualitativ interessante Art mehr über unsere Hörerinnen und Hörer zu erfahren. Nicht über den üblichen Radiotest, den wir uns zwar nicht leisten können, zum anderen auch nicht leisten wollen, da er österreichische, deutsch sprechende Menschen mit Festnetz begünstigt, was de facto nicht unsere primäre Zielgruppe ist. Es gibt einfach für verschiedene subkulturelle Kontexte attraktive Hörangebote auf Freien Radios. Bei ORANGE, das sich in einem urbanen Wiener Kontext befindet, geht auch darum abzubilden, was an kultureller, herkunftsmäßiger Diversität da ist, oder einfach mitzubekommen, dass uns ein türkischer Mobilfunkanbieter wegen der Möglichkeit einer Werbeeinschaltung kontaktiert, weil laut Marktforschung ORANGE das relevante Medium ist, um die türkische Community zu erreichen. Also ich glaub, dass mit den Inhalten funktioniert ganz gut. Wirklich mehr Geld für beispielsweise etwas so banales wie einer Werbemaßnahme, die richtig fett ist, und auch herkömmliche massenmediale Wege beschreitet, wäre sicher nicht verkehrt. Da stellt sich halt immer die Frage: Kosten – Nutzen, was kann man mit dem Geld sonst tun, steht das dafür? Mich würde interessieren, auch mit dem Fragebogen bei FRO, wie weit so etwas Sinn macht? Das sind glaub ich interessantere Wege, als einfach irgend ein Institut los zu schicken… Vielleicht gibt’s da eine Möglichkeit im Verband der Freien Radios, Ressourcen und Ideen zu teilen, zu schauen wie weit man da was entwickeln kann. In anderen Ländern ist das schon sehr viel weiter als in Österreich… Wir haben in den letzten Jahren intensiv nach Innen gearbeitet, haben diesen Betrieb von Grund wieder aufgebaut, weil er zu Tode gespart und gehungert wurde, nicht zuletzt seit 2001 vom Bund. Mittlerweile haben wir einen funktionierenden Betrieb, einen neuen Standort, ein tolles Team, einen Haufen RadiomacherInnen. Und jetzt gilt’s auch für uns eher nach außen zu gehen, zu schauen, wo man in der Stadt auch wirklich Präsenz zeigen kann, nicht nur mit dem Programm, sondern auch mit Menschen, mit Veranstaltungen. Zu signalisieren: Das ist jetzt nicht ein abgeschlossenes Ding, wo das Programm voll ist, und wo sich alle gemütlich eingerichtet haben, sondern es handelt sich um ein lebendigs Teil, das immer noch freie Programmflächen hat, das immer noch gerne Leute in Bezug auf Öffentlichkeitserzeugung unterstützt, wenn’s darum geht Unerhörtes, Provokantes, Subversives, Gefährliches auch On Air zu bringen! Also das wäre das, was ich erstrebenswert finde. Oft gibt es beim Freien Radio die Idee, dass Hörer und Prodzent nicht diese zwei Pole sind, sondern mehr, auf den alten Brecht zurückgehend, dass der Hörer – mehr oder weniger – auch ins Radio hinein sprechen kann, was in dem Fall ein Stück weit stimmt, weil du kannst es einfach von der anderen Seite her auch machen! Ich denk mir es geht auch darum, dieses Wissen an die Leute zu bringen. Wir stellen immer wieder fest, dass Leute, die bei uns in Projekten mitarbeiten, oft ganz erstaunt darüber sind, dass es möglich ist zu sagen: Ich würd’ gern eine Sendung machen!

David: Sandra, wie siehst du das, speziell die Frage der Marktpositionierung. Gibt’s da eine Notwendigkeit?

Sandra: Na ja, das ist jetzt bei der Helga auch schon einmal gekommen, die Positionierung in der Stadt, daran arbeitet auch FRO schon die letzten Jahre. Intensiv rauszugehen in die Stadt, präsent zu sein in Linz und Umgebung, und da eben auch Aktionen zu starten. Wir haben vor drei Jahren schon einmal eine ‚Talkaokeserie’ gemacht, auch bewusst in den Randbereichen der Stadt, auf Spielplätzen oder in Gemeinschaftszentren, haben Gespräche zu spannenden Themen geführt, die dort auch aktuell sind. Wir haben jetzt wieder solche Ideen als Projekte eingereicht. Nicht immer nur auf dem Hauptplatz picken zu bleiben, oder einmal auf der Uni präsent zu sein, das sehen wir auch absolut als unseren Auftrag. Eine andere Geschichte ist, dass wir jetzt wesentlich unsere Signalqualität verbessern konnten, was jahrelang auch eine Frage des Geldes war. Es ist tatsächlich so, dass der Empfang jetzt viel besser ist, und, wenn man von anderen Sendern auf FRO schaltet, man den Sender nicht sofort an seiner Klangqualität erkennt, sondern an anderen Dingen. Also das war für uns ebenfalls ein großer Schritt in Richtung Präsenz. Ich denk mir, es wird sich bei diesem Reflexionsprozess auch in Richtung Programm einiges ergeben, wo wir dann neue Zielsetzungen herausfiltern können. Also darauf hoff’ ich schon stark. Einfach auch mit dieser vielleicht kleinräumigen Einbindung von NutzerInnen durch die Fragebögen. Ich erwarte mir da jetzt nicht die massenhafte Rücksendung von Fragebögen, aber die, die wir dann zurück bekommen, da ist sicher ein Inhalt drinnen, der für uns sehr kostbar ist. Und dann auch das Feedback von den ProgrammmacherInnen, die ja, wie Helga schon gesagt hat, nicht nur RadiomacherInnen sind, sondern eigentlich auch bis zu einem gewissen Grad die Hörerschaft repräsentieren, dass wird sicher spannende Ergebnisse bringen.

David: Es ist im Gespräch einmal kurz die Finanzierungsfrage aufgetaucht, auch in Form der sich immer wieder änderden poltischen Bedingungen, speziell beim Bund. Wie ist denn der Status quo? Es wurde doch frohlockt, dass mit dem Ende von Blau-Schwarz-Orange auf Bundesebene endlich wieder eine angemessene Finanzierung zu erwarten sein dürfte. Gibt es nun die, auch immer vom Verband der Freien Radios geforderte Grundförderung? Und wie wichtig ist derzeit überhaupt der Anteil der öffentlichen Finanzierung?

Sandra: Ja also die Bundesförderung, da muss man halt festhalten, dass es da jetzt noch keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, und dass es 2007 und 2008 eine Akutförderung gegeben hat. Und alles was dem jetzt noch folgen wird, das ist im Moment noch absolut unklar.

David: Ist die Frage der ministeriellen Zuständigkeit zumindest schon geklärt?

Sandra: (unter begleitendem Lachen von Helga) Also im Moment ist es das Bundeskanzleramt selbst, und wo es dann angesiedelt sein wird, ich weiß nicht, kannst Du etwas dazu sagen?

Helga: Na ja, es kann ja immer anders kommen. Im Moment stellt sich die Frage, wie lange diese Koalition überhaupt noch halten wird, derzeit ist es eben keine ‚Chefsache’, sondern in der Zuständigkeit der Ministerin Bures. Mit ihrem Büro wird auch ein Gesetzesentwurf verhandelt, an dem man sich schon ein bisserl festhalten kann, denn woran sollt’ man sich auch sonst festhalten? Auf der anderen Seite ist es so, dass wir in Österreich einfach immer noch damit kämpfen, dass es ja nicht die Wahrnehmung des dritten Sektors, des Nichtkommerziellen gibt, sondern dass wir mit den Privat-Kommerziellen zusammen gespannt sind, auf Gedeih und Verderb, unter dem Stichwort ‚Privater Rundfunk’. Ich denke das Problem ist, dass die Ziele der Privat-Kommerziellen und der Privat-Nichtkommerziellen ungefähr diametral auseinander liegen, das heißt, es ist sehr schwierig da überhaupt ein Modell zu entwickeln, das auf der Basis kommerzieller Logiken auch für nicht-kommerzielle Medien etwas hergibt. Und falls der Gesetzesentwurf der jetzt vorliegt durchgehen sollte, ist auch nicht klar, wie er dann vollzogen werden soll.

David: Also man konnte der Entscheidungsebene nicht verständlich machen, dass Freie Medien und kommerzielle Medien zwei paar Schuh sind?

Helga: Aus meiner Wahrnehmung nicht. Es gibt einzelne Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen auf der Entscheidungsebene, die aus irgend welchen Gründen auch mehr inhaltlichen Bezug und fachliche Kompetenz in dem Bereich haben, aber tendenziell ist es so, dass man sich damit auch inhaltlich nicht auseinander gesetzt hat, bevor man sich in das hinein begiebt. Die Zeit ist natürlich immer knapp, die Ressourcen sind knapp, es ist ein kleiner Fisch im großen Teich der Themen …

Sandra: … das zeigt schon am besten, dass im Moment eine gemeinsame Lösung gesucht wird, also mit den Privat-Kommerziellen und den Privat-Nichtkommerziellen. Der Versuch ein gemeinsames Fördermodell zu entwickeln, zeigt eigentlich eh schon diese Wahrnehmung, oder das Streuben gegen eine andere Wahrnehmung. David: Gäb’s da auf EU-Ebene ein Beispiel, wie man Freie elektronische Medien wahrnehmen, bzw. fördern könnte? Helga: Ja, ich denke da gibt es viele verschiedene Modelle. In Deutschland zum Beispiel, hat man es nicht so stark mit den Freien Medien, sondern eher mit den offenen Kanälen oder Bürgermedien. Aber dort ist das Ländersache, da gibt es zum Teil sehr weit ausgebaute Unterstützungen. Man merkt auch, wenn man sich mit Mitarbeitern der dortigen Regulierungsbehörde unterhält, da ist jemand, der hat sich, ob er will oder nicht, oder ob er es richtig findet oder nicht, inhaltlich mit Freien Medien auseinandergesetzt, und der weiß circa, von was er redet. In Irland ist das ähnlich.

David: Wäre die Länderkompetenz ein Modell, das man auf Österreich umlegen könnte?

Helga: In juristischen Belangen gibt’s in Österreich die große Neigung Sachen aus Deutschland zu übernehmen, weil man findet, die sind zehn Jahre vorne, oder was auch immer. Ich find’ das schwierig, man muss sich das sehr genau anschauen, auch die Modelle der einzelnen Länder. Auf jeden Fall kann man einmal die Wahrnehmung von privat-nichtkommerziellen Medien übernehmen, sowie die mancherorts vorhandene Selbstverständlichkeit, Leute zu engagieren, die sich mit dem Bereich inhaltlich auseinandergesetzt haben, oder die im Bereich Freier Medien selber einmal als ProgrammmacherInnen tätig waren, oder die noch einmal einen ganz anderen Zugang haben. Das wäre bei uns eher ausgeschlossen, während man anderswo sagt: Das macht vielleicht Sinn, denn die kennen dann den Bereich auch ganz gut. Zur Finanzierung bei ORANGE: Wir haben seit drei Jahren sozusagen eine Basisförderung der Stadt Wien, die in diesem Umfang auch einmalig in Österreich ist, denke ich. Vor allem haben wir heuer das erste mal einen mehrjährigen Fördervertrag bekommen …

David: Mehrjährig heißt…

Helga: Drei Jahre.

David: Darf man den jährlichen Umfang wissen?

Helga: 280.000 Euro derzeit. Es war schon sehr aufwendig und intensiv diesen Bedarf zu halten. Das ermöglicht natürlich viel. Es gibt in Wien nur ein Freies Radio, wobei wir nichts dagegen hätten, dass es vielleicht ein paar mehr gäbe. Das Hinausgehen und Hereinholen von Gruppen oder Personen ist einfach auch eine ressourcenintensive Geschichte. Wir finanzieren uns aber auch wesentlich über EU-Projekte, und stärken damit wiederum unsere internationale Zusammenarbeit, die für uns traditionell ein wichtiges Standbein ist, um nicht nur im eigenen Saft zu schmorren. Was im Endeffekt auch nicht wenig zur Diversifizierung unserer Finanzierungssituation beiträgt. Zudem gibt es immer noch einen relativ guten Beitrag von UnterstützerInnen und eine Bundesförderung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, wo wir schon seit mehreren Jahren frauenspezifische Projekte machen, und halt diese Akutförderung vom Bund. Ich komme ja eher aus dem NGO-Bereich im feministischen Kontext, und da war mir immer ganz wichtig, was mir von alten Lehrmeisterinnen eingetrichtert wurde: Je vielfältiger die Finanzierung und je weniger man von einem Großen abhängig ist, desto besser ist das für die politische Unabhängigkeit, und so würde ich es auch mit ORANGE halten. Das ist sozusagen das Ziel. Etwas groß zu erwirtschaften unter dem Banner der Nicht-Kommerzialität – ja, das ist begrenzt in unserer Gesellschaft.

David: Wie hört sich das für dich an, Sandra? 280.000 Euro Jahresförderung, drei Jahre garantiert. Könnte man damit in Linz gut arbeiten?

Sandra: Ja, da könnte man schon gut arbeiten in Linz, aber so weit sind wir noch nicht. Das letzte EU-Projekt ist bei uns zwei Jahre her. Wir werden zwar kontinuierlich von der Stadt Linz und dem Land OÖ gefördert, aber durch die geringere Förderung ist unser Eigenfinanzierungsanteil auch etwas höher, der liegt in etwa bei 50%. Da spielen einfach auch Projekte und ein AbonenntInensytem hinein, und der bei Radio FRO laufende Kultur- und Bildungskanal. Das heißt, Kultur- und Bildungseinrichtungen kaufen Sendeflächen, die dann aber von RedakteurInnen von Radio FRO gestaltet werden. Das sind unsere Finanzierungssäulen, und da muss ich mich Helga voll und ganz anschließen, es ist absolut wichtig, dass eine breite Finanzierung auf verschiedenen Beinen stehend auf jeden Fall zu halten ist, das hat man bei der Bundesförderung 2001 gesehen, als diese plötzlich gestrichen wurde. Man muss natürlich aufpassen, wenn es jetzt so und so viel Bundesförderng gäbe, dass man sich nicht zu sehr in Abhängigkeit begibt.

David: Helga hat erwähnt, dass es durchaus wünschenswert wäre, gäbe es mehr Freie Radios in Wien. In OÖ gibt’s jetzt schon drei, ein viertes in Kirchdorf steht im Raum. Ist die weitere Entwicklung von Freien Radios in den Regionen ein Schuss ins eigene Knie, oder erhöht das eher die Durchsetzungskraft der Argumente, die es bei Fördergesprächen braucht?

Sandra: Na ja, also…

David: Oder weder noch?

Sandra: … ich sag’s einmal so: Man sollte es auf keinen Fall als Schuss ins Knie sehen, da die Medienförderung für die Freien Radios vom Land OÖ momentan ein Topf ist, der immer auf drei Jahre fixiert wird. Was natürlich schnell die Assoziation zulässt, dass es jetzt ganz schlecht wäre, wenn plötzlich ein viertes Radio hinzukäme, da müssten wir ja auf einen Teil dieses Topfes verzichten. Ich glaube aber, dass man es von dieser Seite nicht betrachten darf, sondern dieses vierte Freie Radio in Kirchdorf, das da jetzt im Raum, in der Schwebe steht, ist ein ganz wichtger Schritt hin zu einer Abdeckung von OÖ, da Freie Radios ohnehin ein sehr kleines, lokales und regionales Sendegebiet haben. Die finanzielle Sache ist ein poltischer Wille, den man einfach fördern und bearbeiten muss. Das muss man auf zwei Schienen sehen. Also zuzulassen, dass man einen Topf bekommt, und der wird nie wieder höher, und dadurch kann man das Sprießen der Radios regeln, darauf sollte man sich auf keinen Fall einlassen.

David: Und das kann gelingen?

Sandra: Ich glaub es ist ganz wichtig, dass man daran glaubt, und in den letzten Jahren ist es oft gelungen etwas zu verändern. Natürlich, es braucht Zeit und es ist ein irrsinniger Energieeinsatz notwendig, und es ist auch Irrsinniges geleistet worden auf diesem Gebiet, aber da nicht locker zu lassen, das ist ganz wichtig. Das ist auch der Punkt, wo man sich beim Bund nicht auch auf einen Topf einlassen und wiederum auf so etwas beschränken lassen sollte, sondern da muss einfach der Raum offen sein.

David: Abschließend noch zur gesamtösterreichischen Radioszene: Auffallend ist, dass seit der Zulassung von Privatradios vor zehn Jahren viele kommerzielle Privatradios in Österreich wieder verschwunden sind oder von größeren aufgekauft wurden. Hingegen ist das, meines Wisssens nach, Freien Radios so gut wie gar nicht passiert. Wie könnt ihr euch erklären, dass sich Freie Radios scheinbar hartnäckiger und besser halten können, obwohl diese im Vergleich strukturell und finanziell immer unterernährt sind?

Sandra: Für mich liegt das einfach daran, dass die privaten Komerziellen sich ebenfalls mit lokalen, regionalen Frequenzen ausgestattet, und auf einen Werbemarkt gestürzt haben, der das einfach nicht erhält. Dieser Markt ist für private Nichtkommerzielle als Finanzierungssäule gar nicht zur Debatte gestanden. Die Finanzierungsmodelle unter Einbeziehung von Subventionen haben sich einfach besser bewährt. Der Werbemarkt in Österreich ist da einfach nicht stark genug.

Helga: Das ist auch das, was man so aus fachlichen Kreisen immer wieder mitbekommt, dass der Werbemarkt das einfach nicht trägt. Auf der anderen Seite hab ich ein bisserl den Eindruck, es gibt in Österreich die Freie Marktwirtschaft und ein ‚Willkommen am Freien Markt!’. Aber so frei braucht der Markt dann auch wieder nicht zu sein, weil Subventionen nimmt man dann doch gern zur Finanzierung der eigentlich als kommerziell gedachten, mehr oder weniger Unternehmungen. Das ist halt auch so ein bisserl eine hybride Situation. Im Bezug auf Freie Radios ist weit mehr im Vordergrund gestanden, dass wir das Recht auf Meinungsfreiheit und die Möglichkeit haben wollten, legal zu senden, und nicht: ‚Es muss was rausspringen dabei.’. Dadurch war das immer schon als vom Geld eher unabhängige Geschichte angedacht. Das war halt auch nur möglich, weil eine ganze Armada von Menschen ihre Zeit und ihr Engagement unbezahlt über Jahre in diese Freien Radios investiert, und als politische Arbeit definiert hat, die so halt oft einmal nicht bezahlt ist. Und auch nicht bezahlt werden sollte, finde ich. (Zur Kellnerin) Zahlen bitte!

David: Die Freien Radios in Österreich sind ja im Verband Freier Radios organisiert. Abgesehen davon, dass man diesen Verband auch nutzen wird, um die schon angesprochenen Forderungen an die Bundespolitik durchzusetzen, würde mich interessieren, wie es den prinzipiell mit der Kooperationsfähigkeit der Freien Radios untereinander ausschaut. Würde es Sinn machen wenn jetzt zum Beispiel Linz und Wien über den schon existierenden Programmaustausch hinaus zusammenarbeiten würden?

Helga: Das macht aus meiner Sicht durchaus Sinn. Bei den EU-Projekten ist das zwar fast konzeptuell verhindert, weil man da eigentlich internationale Partner braucht, aber für mich macht Zusammenarbeit gerade im Bereich inhaltliche, politische Positionierung Sinn. Auch im Sinne von: Mehrere Freie Radios sind schön und gut. Ich denke, es wird früher oder später wirklich Sinn machen, und meiner Ansicht nach macht es das jetzt schon, sich darüber zu unterhalten, was denn ein Freies Radio eigentlich ist? Was für verschiedene Konzeptionen gibt es, was sind die Anforderungen, was heißt das irgendwo am Land, in einer Kleinstadt, oder in einem kleinen Ort?

David: Du siehst Adaptierungsnotwendikeit in der Definition Freier Radioarbeit?

Helga: Ich meine den Verband gibt es jetzt auch zehn Jahre, und es gab voriges Jahr eine Diskussion über die Arbeit an der Charta. Es gibt ja auch immer wieder neue Akteure. Es geht darum, auch wirklich im Austausch zu bleiben, und eher nicht davon auszugehen, dass das, was ein Freies Radio ist, auch für alle das gleiche, und überall das Gleiche bedeutet. Sondern vielleicht auch im Sinne einer bestmöglichen Ausnutzung der Ressourcen, sich wirklich gut zu überlegen: Na ja, was woll’ ma denn eigentlich, unter dem Aspekt Freie Medien in Österreich? Ich denke mir, wenn es irgendwie Geld geben sollte, und wenn zum Beispiel der Zugang zu diesem Verband die Möglichkeit bietet, Teile dieser Finanzierung zu bekommen, ist es einfach sich das wirklich anzuschauen. Auch im Sinne der Qualitätssicherung, oder der Schärfung und nicht Verwässerung der unterschiedlichen Konzepte Freier Medien. Das muss halt auch in Kooperation passieren, weil anders, denk ich mir, geht’s gar nicht. Und veranstaltungsmäßig, ist das auch möglich, zum Beispiel zwischen Linz und Wien, aber da sollte es auch der Inhalt sein, und nicht so sehr der Lokalbezug, der ist halt, dort wie da, ein bisserl anders.

Sandra: Also eine ganz spannende Geschichte ist jetzt zum Beispiel die Leipziger oder Frankfurter Buchmesse, wo dann Aktive und Interessierte von allen Radios zusammengespannt werden, um von dort Live-Sendungen zu machen, die dann alle übernehmen können (literadio). Der Verband ist eine Anlaufstelle, über die solche Sachen gemacht und angeboten werden können. Ein anderes Beispiel wäre der Ausbildungsbereich, wo seit zwei Jahren Module organisiert werden, die für alle offen stehen und wo man wiederum über das Inhaltliche hinaus die Möglichkeit hat, am gemeinsamen Verständnis zu arbeiten. Das halte ich schon für wichtig. Es ist in dem Rahmen auch deswegen möglich, weil es aktuell nicht so viele Radios gibt. Wenn es jetzt doppelt so viele Radios wären, weiß ich nicht ob der Verband in der Form so gut funktionieren würde, wie er es jetzt tut. Im Moment ist es eine sehr gute Zusammenstellung und eine sehr spannende Arbeit, die da passiert.

Helga: Ein vielleicht gutes Beispiel sind größere Radios, die mehr Schulungsmöglichkeiten haben, und ihre Ressourcen und ihr Wissen mit Kleineren teilen können, auch um ein bisserl umzuverteilen, was so auch wieder einen Ausgleich schaffen kann.

David: Eine Konkurrenzfrage taucht wahrscheinlich auch deshalb nicht auf, da sich bislang die Ausstrahlungsgebiete der unterschiedlichen Radios kaum überschneiden. Helga, du hast gesagt ihr sendet alleine in Wien. Gäbe es jetzt ein zweites Freies Radio, was würde das ändern?

Helga: Erstens einmal gibt es genug Frequenzen, so ist es ja nicht. Es ist gerade jetzt wieder eine ausgeschrieben worden, die Frage ist halt, wem gibt ma’s? Offensichtlich entscheiden sich die Behörden eher dafür Formatradios zu lizenzieren, bevor man einmal her geht und sich zum Beispiel für eine der großen, nichtmehrheitsgeprägten österreichischen Communitys entscheidet, wie die afrikanische eine ist. Da gibt’s auch wieder 17.000 Differenzierungen. Aber man findet durchaus welche, die wirklich lange im Freien Radiobereich tätig sind, nämlich länger als ORANGE, wie RADIO AFRIKA bei uns. Diese kulturelle Diversität auch einmal auf einen Markt, beziehungsweise Nicht-Markt des nicht-kommerziellen Radios darzustellen, wäre mir recht, aber es passiert so nicht. Ich merke da werden wir stark gegeneinander ausgespielt, weil bei den Behörden wird denen gesagt: „Geht’s zu ORANGE, weil die bekommen eine Förderung!“. Wobei ganz klar ist, dass wir die Förderung nicht bekommen um andere Organisationen damit zu fördern, da hätten wir ein Problem. Wenn’s denn so passieren würde, müsste man sich überlegen, wie man mit den Leuten zusammen kommt. Ich würde das aber nicht als ein sehr positives Signal in Richtung dritter Sektor sehen.

David: In zehn Jahren gilt es dann hoffentlich zwanzig Jahre zu feiern, bei euch und auch bei vielen anderen. Ein kleiner prognostischer Blick: Wo steht man in zehn Jahren, was wünscht ihr euch?

Helga: Zehn Jahre sind eine lange Perspektive für ein Freies Medium. Ich kann so was ganz Plattes sagen, wie: Für mich wäre es ein erstrebenswertes Ziel, dass ORANGE 94,0 als Freies Radio, und als kulturpolitische Organisation, auch von den anderen Akteuren in diesem subkulturellen, kulturpolitischen, gesellschaftspolitischen, zivilgesellschaftlichen Bereich, als Akteur und potenzieller Partner wahrgenommen wird. Dass das auch eine Entsprechung findet auf der Ebene der RadiomacherInnen, die in anderen Bereichen politisch tätig sind, das ist, glaube ich, de facto der Fall. Das wäre mir wichtig, und dass es, auch im Sinne des Zulaufes, ein nach wie vor offens Projekt bleibt, dem man Lebendigkeit zutraut und glaubt, und das man nicht als ‚das war einmal spannend, aber – war einmal.’ wahrnimmt. Denn ORANGE ist nach wie vor eine Anlaufstelle, nach wie vor eine Möglichkeit kritische Öffentlichkeit herzustellen, zu experimentieren und Neues unter die Leute zu bringen. Und natürlich eine abgesicherte Finanzierung – ja eh.

David: No na.

Helga: No na. Genau.

Sandra: Also, wo Radio FRO in zehn Jahren stehen könnte, da trau ich mir aus heutiger Perspektive nichts zu sagen. Was aber für die Freien Radios und auch für Radio FRO sehr wichtig ist, ist diese lokale Verantwortung. Sich dieser Verantwortung zu stellen und sie auch stark wahrzunehmen, ihr immer wieder neu bewusst zu werden und daran zu arbeiten ihr gerecht zu werden, das ist ein ganz wichtiger Punkt für mich, und das ist für mich auch Freie Radioarbeit.

David: Na dann, viel Spass beim feiern und danke für’s Gespräch.

Helga Schwarzwald ist sei Anfang 2004 geschäftsführende Koordinatorin bei ORANGE 94,0. Die gelernte Juristin engagiert sich seit Jahren im feministischen und queeren Bereich. Sandra C. Hochholzer ist eine an der Donau-Universität Krems ausgebildete Journalistin und seit 2003 bei FRO beschäftigt. Seit Juli 2006 ist sie Geschäftsführerin der Freien Rundfunk OÖ GmbH.