Gedanken zur Leitkulturhauptstadt 2009 von Tanja Brandmayr
Über Linz09 Kritik zu formulieren, fällt schwer, da sich aus Sicht des Kulturschaffens vielerlei schwer zu handhabende Diskrepanzen aufgetan haben: während man sich etwa seitens der Intendanz an Reibereien wachsen sieht, bedeuten diese Reibereien für lokale Kulturschaffende in vielen Fällen einen schlichten Ausschluss aus dem Geschehen, logischerweise je mehr von vorneherein dafür umso nachhaltiger.
Oder: während die in der letzten Zeit forcierte Absicht seitens Linz09, Kritik zu integrieren, in öffentliche Diskussionen zu Aussagen geführt hat, die eine Kommunikation im Sinne der oft zitierten Empathie ausschließt (kommunikative Nestwärme als »begrenztes Gut«), ist man in persönlichen KritikerInnen-Einladungen durchaus gewillt, über eine besondere Art der Sprachdiktion emotionale Verhältnisse aufzubauen (»Sie haben sich in den letzten Wochen öffentlich zum Kulturhauptstadt-Projekt geäußert – ungeschminkt und teilweise mit schwerwiegenden Fragen bzw. Vorwürfen. Wir schätzen solche Direktheit. Auch wenn sie nicht immer einfach zu ertragen und in die laufende Arbeit zu integrieren ist: Nur so kann sich etwas bewegen«).
Ganz abgesehen davon sind diese Einladungen zur Diskussion verwirrend, da sie den Eindruck vermitteln, man sei sehr wohl an der Integration von Kritik interessiert, jedoch nicht an der Integration von konkreter Kulturarbeit. Eine Diskrepanz ergibt sich außerdem aus der Erwartung auf Projektvorschläge, die innerhalb eines abgesicherten Kulturmarktwertesystems gut zu bewerten sind – während Linz09 sich selbst allerdings so gar nicht gern bewertbar gibt, indem es auf unvermittelte Prozesse setzt (»Möglichst lange viele Optionen offen halten«). Wie andere auch habe ich letzteres beispielhaft selbst erlebt, indem ich bei einem Linz09 Gespräch aufgefordert wurde, wiederzukommen, »wenn meine Einreichung mehr Fleisch« hätte, während mein sich amikal gebendes Gegenüber verlautbarte, das Programm »erst kurzfristig« machen zu wollen. Diese Fleischsache habe ich dann gleich wieder beschlossen aufzugeben, weil ich die nächste eklatant bestehende Schieflage nicht weiter befördern wollte, nämlich diejenige, dass mein kulturellfinanziell sehr gefestigt wirkendes Gegenüber signalisierte, von irgendetwas überrascht werden zu wollen, das ohne jegliche Angabe von inhaltlichen und/oder künstlerischen und/oder organisatorischen und/oder strategischen Rahmenbedingungen aus meinen prekären Arbeitsbedingungen stammen sollte. Die derzeitig bestehende Ohnmacht zwischen dem, dass tatsächlich etwas vorangeht und der gleichzeitigen Kritik an anything goes/nichts geht mehr führt aber zur eigentlichen Desillusion: Während sich ganz allgemein auch Bereitschaft zum Warten aufs nächste Programmheft oder aufs Jahr 2009 zeigt, setzt man seitens Linz09 schon auf ganz andere Zeiträume.:»Linz09 ist Linz 2015«, denn es gehe auch um eine zu erarbeitende kulturelle Identität der Stadt.
Tja, und mit dem genannten Zeitpunkt 2015 fällt mir zur kulturellen Identität dann noch das Kulturleitbild des Landes OÖ ein, das die Förderkriterien für die Jahre bis dahin festschreibt. So wie Linz09 das ja auch tun wird: es sieht so aus, als ob durch das »Kulturhauptstadt-Projekt« eine »Kultur für alle«-Identität programmiert wird, die wenig Kenntnis von einer Kultur der Vielen haben will – indem auf ein Leitbild gesetzt wird, das quasi von oben nach unten ästhetisch glättet, anstatt kulturelle Identitäten in definierten Rahmensetzungen im Plural zu ermöglichen. Mit solchen Strategien von unterschiedlichen Rahmensetzungen hätte Linz09 uns überraschen können, um dem Spannungsfeld von Internationalisierung, gesellschaftlicher Fragmentierung und Prekarisierung tatsächlich etwas kulturell Neues entgegenzuhalten. Denn Kapitalismus und Karrierebedürfnisse kennen wir auch in Linz, obwohl uns mit dem oft zitierten und zu überwindenden »Stahlstadtimage« ja eigentlich fortdauernd unterstellt wird, die letzten 30 Jahre unter einem Felsen gehaust zu haben.
Tanja Brandmayr ist Kunst- und Kulturschaffende