Es ist wieder so weit. 2008 ist ein Gedenkjahr, 1848, 1918, 1938, 1968. Von Eva Blimlinger
Über 1848 wird nicht viel geredet und geschrieben werden, so wie es derzeit aussieht. Zu lange ist es her, dass die bürgerliche Revolution scheiterte, und jene, die das Scheitern feiern könnten, haben seit 1918 zumindest ihre staatliche Herrschaft verloren. Zu gedenken wäre da vielleicht jener, die am 16. November 1848 standrechtlich erschossen wurden, an den ehemaligen kaiserlichen Leutnant Wenzel Messenhauser, an die Journalisten Alfred Julius Becher und Hermann Jelinek oder an den Abgesandten des Frankfurter Parlaments Robert Blum. Fraglich, ob die heute verantwortlichen Politiker und Politikerinnen diese Revolutionäre überhaupt kennen? Die Revolution scheiterte zwar, aber langfristig wurde das, was gefordert wurde, doch nach und nach umgesetzt. Ohne die Revolution 1848 wäre das vom cisleithanischen Reichsrat erarbeitete Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder von Kaiser Franz Joseph I 1867 vermutlich nie bestätigt worden.
Mit 1918 ist es da schon ein bisschen anders, 90 Jahre Republik, das kann man feiern, wobei, so wirklich stimmt das ja gar nicht mit den 90 Jahren, denn zwischen 1938 und 1945 hat sie ja nicht existiert, die Republik Österreich, wurde annektiert vom Deutschen Reich, aber so genau ist man da nicht beim Feiern, denn viele Jubiläen gibt es in Österreich nicht. Vielleicht feiert man am 12. November die Gründung der Republik vor 90 Jahren, was wohl entsprechender wäre. Und vielleicht feiert man in Oberösterreich am 18. November die Konstituierung der Provisorischen Landesversammlung für Oberösterreich und die Wahl des Landeshauptmannes und seiner Stellvertreter, die die provisorische Landesregierung gebildet haben. Das Land Österreich ob der Enns wird zu Oberösterreich. Schon am 5. November 1918 findet sich in den Landesgesetzblättern eine Kundmachung der provisorischen Landesregierung für Oberösterreich, die Enns war verschwunden.
Und dann 1938, der 12. März 1938, der »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, die Annexion Österreichs. Die Landesgesetzblätter werden zum Verordnungsblatt für den Amtsbereich des Landeshauptmanns für den Gau Oberdonau, dann 1941 zum Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Oberdonau. Zu feiern gibt es da nichts, nur zu gedenken, nachzudenken, zu fragen, zu erinnern.
In den Kabinetten der Minister und Ministerinnen, in den Büros der Parlamentarier und Parlamentarierinnen, den Vorzimmern der Landesräte und Landesrätinnen, den Parteizentralen allerorts wird nachgedacht, vorgeschlagen, nach der richtigen Form gesucht, was denn da 2008 gemacht werden könnte. Praktischerweise fallen die Gründung der Republik und der »Anschluss« zusammen, und so kann man das eine mit dem anderen verbinden, einfügen wie auch immer, dann wird die Nazizeit da auch hinein, ja, nein selbstverständlich, doch etwas anderes, mal sehen. Und Gott sei Dank gibt es die EURO 2008, die Fußballeuropameisterschaft, da wird es für Österreich zwar auch nichts zu feiern geben, aber jedenfalls muss die Öffentlichkeit sich nicht mit historischen Ereignissen beschäftigen. Und die Überlebenden des Holocaust warten noch immer auf ihre Zahlungen aus dem 2001 gegründeten Entschädigungsfonds, auch 2008 wird dies nicht abgeschlossen werden, und manche Entschädigungsbeträge aus dem Opferfürsorgegesetz, die seit 1961 nicht valorisiert wurden, werden im Gedenkjahr 2008 wieder nicht erhöht. Es ist alles beim Alten, es ist wie es ist.
Eva Blimlinger ist Historikerin und Leiterin der Stabstelle Projektkoordination Kunst- und Forschungsförderung der Universität für angewandte Kunst Wien.