Oder: Der lange Atem einer Szene von Sylvia Nagl und Richard Schachinger.
»Wir hätten gerne ein offenes Kulturhaus, bitte! «. »Zum Mitnehmen oder gleich Beleben?«. »Danke, wir beleben es gleich!«. Derartige Bestellungen sind ein Phantasieprodukt als Resultat einer langen kulturpolitischen Herbergssuche und haben freilich mit der Realität gar nichts gemein. Zugegeben: schön wäre es schon, sich dermaßen unkompliziert eine Notwendigkeit zu erfüllen. Aber was wäre schon die freie Szene, würde sie nicht selbst prozessorientiert Räume und Themen besetzen, sondern sich bedienen lassen? Eben.
Die Forderung nach einem offenen Kulturhaus in der Stadt Vöcklabruck ist ebenso alt wie die freie Kulturszene selbst. Bereits Mitte der 80iger Jahre strebten regionale Initiativen nach einem »KIZ« (Kultur- und Informationszentrum), welches den Kulturvereinen und kulturell engagierten Menschen ein beständiges Zuhause bieten sollte. Zu dieser Zeit waren die Initiativen ähnlich wie heute geographisch auf den ganzen Bezirk zersplittert, betrieben aber durchaus erfolgreich Vernetzungsarbeit, waren Mitglied der neu gegründeten KUPF und publizierten gemeinsam den »Vöcklabrucker Umschwung« als Zeitung, die einen kulturpolitischen Diskurs anregen sollte und dies in polarisierender Weise auch schaffte. Trotz der Bestrebungen blieb eine umfassende bzw. befriedigende Lösung stets aus, und da sich das zu dieser Zeit übliche Besetzen von Häusern nicht durchsetzte, blieb bloß das Abfinden mit Zwischenlösungen. Eine Zwischenlösung schien mit dem Stadtkeller gefunden worden zu sein, welcher Anfang der 90iger bereits von internationalen Rockgrößen wie »Urge Overkill « beschallt worden war. Doch auch dieser »Strohhalm« währte nicht lange und musste im Jahr 1992 geschlossen werden, worauf der »Vöcklabrucker Umschwung« mit der Frage titelte: »Fahrlässige Tötung einer Szene?«. Selbst wenn die Szene nicht getötet wurde, so fügte man ihr zumindest einen herben Schlag zu, von dem sie sich erst 10 Jahre später weitgehend erholen konnte. Um die Jahrtausendwende gründeten sich neben den »alten Hasen« zahlreiche neue und stark vernetzte Initiativen, welche nun die Basis für einen erneuten Anlauf – endlich Raum für das große kulturelle Potential zu schaffen – bilden.
Der Platzbedarf zum kulturellen Werken ist freilich über die vergangene Zeit nicht weniger geworden, ganz im Gegenteil: neben einem genügend großen Veranstaltungssaal als Kernstück, einem Innenstadtkino und einem Kulturcafe fehlt es an einem Leseraum, einer Galerie und Proberäume für Bands. Um diesen Notwendigkeiten ein gemeinsames Dach zu geben, musste abermals viel Engagement, positive Energie und Überzeugungsarbeit in die Entwicklung von verschiedenen Standorten gelegt werden, um letztlich den idealen Raum für unsere Visionen, Projekte und Veranstaltungen zu finden.
Die stattfindende Landesgartenschau 2007 bewahrte quasi als Glücksfall die alte Hatschekstiftung (vormals Teil des Landeskrankenhauses) vor dem sicheren Abriss und die Stadtpolitik ließ sich plötzlich dazu inspirieren, das Gebäude im Zentrum von Vöcklabruck neu zu beleben. Für uns war es Liebe auf den ersten Blick, weswegen wir unsere Konzentration von nun an darauf richteten. Dieses Haus versprüht nämlich nicht nur den Charme, den es braucht um Kultur lebendig werden zu lassen, sondern verkörpert in seiner einzigartigen Architektur die zentralen Ansprüche unseres Kulturverständnisses. Schwungvoll und inspirierend, abwechslungsreich und einladend, offen und mit vielen Freiräumen verbindet dieses Areal verschiedene Bereiche, ohne deren Eigenständigkeit zu gefährden, zu einem gelungenen Ganzen, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile.
Die Stadtgemeinde hat ihr Bekenntnis zum Kulturhaus bereits mit Beschlüssen untermauert und die Vision, dass alle angedachten Bereiche zeitgenössischer Kunst- und Kulturproduktion endlich »ihren« Raum bekommen, wird schrittweise Realität. Mittlerweile hat ein Schneeballeffekt eingesetzt, der immer neue Unterstützung und Mitarbeit durch regionale Kulturvereine und interessierte Einzelpersonen beim neu gegründeten Trägerverein »Kunst- und Kulturhaus Vöcklabruck« hervorgerufen hat. Wir befinden uns damit auf der Zielgeraden eines langen Prozesses und werden bis zur geplanten Eröffnung des Kulturhauses im Jahr 2010 selbstbewusst und mit starkem Rückhalt, aber stets mit den Lehren aus der Geschichte vor Augen weiterarbeiten. Es hat sich bereits jetzt gelohnt!
Schließen möchten wir diesen Artikel im Sinne einer Vervollständigung des Anfangsdialogs und sagen hoffnungsvoll: »Bitte sehr und schönen Tag noch!«
Sylvia Nagl ist Kultursoziologin und betreibt seit 2004 ein Programmkino in Vöcklabruck. Richard Schachinger ist Kulturaktivist (u.a. beim Freiwerk) und Balkonpflanze aus Leidenschaft.