„Kunst und Wirtschaft -Peter Behrens, Emil Rathenau und der dm-drogerie markt“ lautet die Neuerscheinung von Armin Chodzinski. Für Sie gelesen von Andre Zogholy
Kunst und Wirtschaft sind zwei Sphären,deren Kombination und Verschränkung zahlreiche Publikationen, Feuilletonartikel und Diskussionsrunden zumeist auf polarisierende Art und Weise füllt und beschäftigt. Irgendwo und irgendwie oszilliert der Themenkomplex zwischen einer no-no Kombination und affirmativem Hype. „Eine authentische Künstlerin muss sich von der Ökonomie fernhalten“ oder „Businesspläne sind was für BWL-Studierende“ sind oft gehörte Aussagen. Interessant aus welcher Sicht gesprochen wird: denn einerseits kann festgehalten werden, dass solche Ansichten einem romantischen KünstlerInnenbild zugeordnet werden können. KünstlerInnen sind natürlich – ob diese wollen oder nicht, ob negativ ob positiv, ob gespeist aus Diskursen um Prekarisierung oder auch um Kreativwirtschaft – Teil eines Marktes.
Andererseits sind Begriffe wie „Innovation“,“Kreativität“ und eben auch „Kunst“ längst nicht mehr Bestandteile künstlerischen Vokabulars,sondern zählen mindestens ebenso zum Managementwording. Inmitten dieser heterogenen Ansichten und verschiedenen Standpunkten nimmt sich Armin Chodzinski in der vorliegenden Publikation diesem Themengeflecht an. Mit seinem Abschlussvortrag an der Kunsthochschule mit dem Titel „Armin Chodzinski muss ins Management“ meinte er es ernst. So wechselte Chodzinski nach dem Kunststudium zum internen Unternehmensberater, bis hin zum freischaffenden Berater. Er entschloss sich, die Perspektiven zu wechseln und von Seiten der Wirtschaft nach möglichen Antworten zu suchen. So bewegt er sich in dieser Sphäre zwischen freiem Künstler und Manager und Berater, was für ein derartiges Vorhaben eine spannende Voraussetzung darstellt.
Chodzinski hält zu Beginn fest, um was es ihm in diesem Buch nicht geht: hübsche Bilder „auf Unternehmensfluren, reiche Unternehmer oder arme Künstler“. Zentral erscheinen ihm die Begriffe der Gestaltung und Gestaltbarkeit. „Aus unterschiedlichen Perspektiven fokussieren Kunst und Wirtschaft auf die Gestaltung von Gesellschaft und instrumentalisieren sich dabei gegenseitig.“ Durchaus in Anlehnung an Beuys soziale Skulptur ist in diesem Sinne die Annahme der Gestaltbarkeit des sozialen und physischen Raumes zu sehen. Diesem Gestaltbarkeitsaspekt wird eine Einbettung in historisch-ökonomische-gesellschaftliche Transformationsprozesse, von der Agrar- in die Industrie- in die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft zugrunde gelegt und so spannt Chodzinski in fünf Teilen einen weiten Bogen. Dieser reicht von den Rahmenbedingungen des Themenfeldes bis zu einem historischen Kontext – vor allem mit Fokus auf die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert – hin zu einer visuellen Argumentation im dritten Teil.
Mit der Kooperation von Peter Behrens und Emil Rathenau beschäftigt sich der vierte Teil. 1907 bestellte die AEG Peter Behrens zum künstlerischen Berater. Zuständig für die Gestaltung sämtlicher Produkte, der Werbemittel und der Architektur gilt er als der weltweit erste Corporate Designer. Ausgehend von den jeweiligen Motivationen sich überhaupt aufeinander einzulassen, führt Chodzinski an Beispielen vor, wie sich unterschiedliche Auffassungen ergänzen, verbinden und letztlich auflösen. Im fünften Abschnitt soll ein Sprung in die Gegenwart vollzogen werden: dies reicht von Vorstellung, Konturierung und Problematisierung exemplarischer aktueller Entwicklungen und Handlungspraktiken – von Atelier Europa über Politkunst bis hin zum dm-drogerie markt und dessen Geschäftsführer Götz W. Werner. Wenngleich diesem letzten Teil leider etwas zu wenig Raum gewährt wird, ist Armin Chodzinski insgesamt eine spannende Arbeit gelungen, um weiterführende Diskussionen zu öffnen.
Andre Zogholy ist Soziologe, Künstler und Kulturarbeiter.
Kunst und Wirtschaft von Armin Chodzinski ist im Berliner Kadmos Verlag erschienen. ISBN:978-3-86599-030-3