Ein Reader ist eine feine Sache!

Meint Gerlinde Schmierer und stellt Ihnen den „Reader Neue Medien“ vor.

 

So diffus der Begriff Neue Medien daher kommen mag, so spannend kann sich doch das Inhaltsverzeichnis einer entsprechenden thematisch gebündelten Textauswahl lesen, in der akademische Theorietexte neben politischen Texten von Künstler/-innen und Aktivist/innen, Manifesten und Erklärungen sowie Polemiken und Essays stehen. Im Reader Neue Medien finden sich neben Texten von Alan Steven Levy (Die Hacker- Ethik) oder Donna Haraway (Ein Manifest für Cyborgs) solche von der autonomen a.f.r.i.k.a.-gruppe oder von der australischen Künstlerinnengruppe VNS Matrix. Außerdem vielleicht gleich eingangs erwähnenswert sind die bisher nicht auf Deutsch erschienenen Beiträge u.a. von Espen J. Aarseth, Anne Balsamo, John Perry Barlow, Nam June Paik, Alan M. Turing und Sherry Turkle.

Die Herausgeber/-innen des im April dieses Jahres erschienenen Reader Neue Medien berücksichtigten im Titel in kritischer Distanzierung eine nicht mehr wegzudenkende Sprachregelung und -konvention ohne darauf zu verzichten, den titelgebenden Begriff selbst zu hinterfragen und zu problematisieren. Gegenüber einer vorrangig methoden- und wissenschaftshistorisch motivierten Arbeit am Kanon der digitalen Medien und ihrer theoretischen Verortung steht in diesem Buchprojekt der Versuch, die erkenntnistheoretische Deutungshoheit per se zu problematisieren und die damit verknüpften strategischen Ein- und Ausschlüsse kritisch zu hinterfragen. Indem medientheoretische Diskurse ihre Methoden und Gegenstände in wissenschaftliche Erzählungen und Metaphern betten, werden unterschiedliche Strategien verfolgt – etwa wenn zu (Un-)Gunsten der Neutralisierung der neuen Medien die gender- und sozialpolitische Usability ausgeblendet wird. Der Verdienst einer alternativen Relektüre liegt darin, die diesbezüglichen Verfahrensweisen aufzuzeigen. Grundlagentexte etwa, die einen fast kanonischen Anspruch erheben können, werden im Reader Neue Medien konterkariert durch solche, die bislang noch wenig Beachtung gefunden haben, sich aber beispielsweise zu Klassikern positionieren, indem sie sie weiter schreiben, kritisieren, umschreiben oder eine Gegenposition formulieren.

Die Empfehlung der Herausgeber/-innen für den Gebrauch des Readers, neben der Möglichkeit der linearen bzw. kapitelweisen Lektüre durchaus die Taktik des Querlesens einzusetzen, wird hiermit bedenkenlos weiter gegeben!

Reader Neue Medien Texte zur digitalen Kultur und Kommunikation Karin Bruns, Ramón Reichert (Hg.) transcript Verlag, Bielefeld, April 2007 ISBN: 978-3-89942-339-6 € 39,80

Gerlinde Schmierer studiert Medienkultur- und Kunsttheorien an der Kunstuniversität Linz und ist im Vorstand von FIFTITU%.