Die Zähmung der Fernsehmaschine

Franz Fend über den Verein Matrix, der angetreten ist, digitales Community-TV in Oberösterreich zu realisieren.

 

Fernsehen, so lautet eine gängige, aber nichts desto trotz stimmige These, habe alleine den Zweck, das Publikum an die Werbeindustrie zu verkaufen, oder wie der Hacker Matt in Die Hard 4.0 meinte, die Menschen in ständiger Angst zu halten, damit diese besser beherrschbar seien. Thesen, die täglich aufs Neue verifiziert werden, die sich aufs bestürzende immer wieder bestätigen, obwohl sie nicht ganz neu sind. Hatten Adorno und Horkheimer in ihrer Dialektik der Aufklärung die Kulturindustrie, deren wichtigster Bestandteil heute zweifelsohne das Fernsehen ist, als „Zirkel von Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis“ beschrieben, das nur nach einem Prinzip, nämlich dem des maximalen Profits sich selber bewerbe und befördere, können wir heute Fernsehen als Dispositiv der Macht sehen, das Menschen und Subjektivitäten konstruiert.

Verlorener Blick Es geht nicht mehr um den verlorenen Blick auf die Welt, wie es Günter Anders beklagte, weil das Fernsehen Wirklichkeitshäppchen in Wohnzimmer liefere, die doch nur Phantome von Wirklichkeit seien. Die Wirklichkeit gehe durch die Bilder von ihr verloren, so Anders. Fernsehen wurde immer als außen stehende Macht aufgefasst, die Menschen manipuliere. Neuere Theorien zeigen die Menschen als Bestandteil der Kommunikationsmaschine Fernsehen, wie sie durch sie konstruiert werden. „Es gelingt dem Fernsehen, die mit der herrschenden Wirklichkeit des Kapitalismus konformen Aussagen als Aussagen der Individuen gelten zu lassen.“ Wenn man im Fernsehen spricht, egal ob in einer Literatursendung, in einer Talkshow oder in einer Reality-Show, fügt man sich einer Maschine ein, die interpretiert, auswählt und normalisiert, noch bevor man zu sprechen begonnen hat, so der italienische Theoretiker Maurizio Lazzarato. Die Rede ist hier selbstverständlich vom kommerziellen und vom so genannten öffentlich rechtlichen Fernsehen, das ja immer ein Fernsehen der jeweils Herrschenden ist.

Partizipative Fernsehalternativen Diesen Teufelskreis der Unterwerfung und der Indienstnahme durch die soziale, politische und Kommunikationsmaschine Fernsehen zu durchbrechen oder zumindest zu neutralisieren, wäre eines der großen Experimente, das freie Medien in Angriff nehmen könnten. Otto Tremetzberger und Georg Ritter, freie Medienaktivisten seit frühen Zeiten, haben mit dem Verein Matrix e.V. auch auf dem Feld des Fernsehens die Initiative ergriffen, um nichts Geringeres als nicht kommerzielle, regionale, partizipative Fernsehalternativen zu entwickeln, die nicht der Logik des Marktes und der Macht unterworfen sind. „Aufgrund der europaweiten Umstellung auf ein digitales Sendesignal bietet sich auch eine Vielzahl von Möglichkeiten an, um eine tatsächliche Medienvielfalt herbeizuführen“, befindet Otto Tremetzberger.

Die Notwendigkeit ist für ihn evident: Plattformen wie YouTube oder Web 2.0 zeigen zwar technische Möglichkeiten auf, sind selber aber ausschließlich dem Kommerz verpflichtet. Die Digitalisierung des Fernsehens sei vermutlich die letzte Möglichkeit, unabhängige und offene Medienangebote zu etablieren. Weil einerseits Sendesignale frei werden, andererseits die technische Machbarkeit leichter werde. Der Illusion, dass alleine eine leichtere technische Realisierung automatisch eine Demokratisierung der Medienlandschaft mit sich bringe, geben sich die Matrix-Aktivisten nicht hin. „Damit aber in Oberösterreich neben dem ORF und den kommerziellen Betreibern freie FernsehmacherInnen zum Zug kommen können, fehlen einfach die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, so Georg Ritter.

Dabei gebe es auch in Österreich durchaus Beispiele, wie Community-Fernsehen funktionieren könnte. Das Projekt OKTO in Wien beispielsweise, ein Community-TV, das 80 verschiedene Sendungen von unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen anbietet. Was unterscheidet Wien? Es widmet einen Teil des Kulturförderungsbeitrags aus den Rundfunkgebühren für die Förderung Freier Medien. „Wir wollen OKTO zwar nicht inhaltlich kopieren, aber das Wiener Gebührensplitting ist zweifelsohne ein Vorbild für uns“, so Otto Tremetzberger. Das in Oberösterreich durchzusetzen, erfordert mühsame politische Bewusstseinsarbeit, das wissen die Matrix-Leute. Obwohl sich Linz Medienstadt nennt, in der man das Bewusstsein für eine Finanzierung freier Medienprojekte voraussetzen müsste, ist erst einmal eine „Ochsentour“ zu den politischen Entscheidungsträgern des Landes und der Stadt erforderlich, um zumindest ein Problembewusstsein herzustellen. Georg Ritter sieht das als eine Form der Erwachsenenbildung.

Ob der Kulturcent für Medienprojekte durchgesetzt werden kann, hängt auch davon ab, ob und wie eine medienkritische Öffentlichkeit hergestellt werden kann. Die Radio FRO-Konferenz mit dem Thema Goodbye FM/AM farewell analogue TV im Rahmen der diesjährigen Ars Electronica, wird eine Möglichkeit sein, Druck zu erzeugen.

http://www.cody.at

Franz Fend lebt und arbeitet in Linz.