Ein Portrait zum fast 10jährigen Bestehen des Welser Infoladens von Klemens Pilsl.
Seit 2004 ist der Infoladen Wels Mitglied der KUPF – und hebt sich organisatorisch wie inhaltlich deutlich von sonstigen Initiativen ab.
Infoläden sind seit den frühen 1980ern ein europaweites Phänomen und im Kern politische Anbieter und Vertriebe für alternative Medien. Und weil auch die KUPF sich manchmal irrt, hat sie sich anläßlich des 10-Jahre-Jubiläums des „Laden“ mit einem Portrait desselben beauftragt – obwohl’s ja eigentlich noch ein Jahr dauern wird. Egal: 9 Jahre sind auch schon viel und Klemens Pilsl, selbst ehemaliger Infoladi aus Linz, hat trotzdem gerne ein Interview geführt.
Das folgende Interview vom Mai 2007 mit Mäxx vom Welser Infoladen fand im Internet statt und ist in seiner Gesamtheit leider zu lang für die Kupf-Zeitung.
Also – wer seid ihr? Erzähl doch ein bisschen.
Der Infoladen Wels wurde 1998 gegründet. Damals wie heute war der Infoladen Treffpunkt für unterschiedlichste politische AktivistInnen. Schwerpunkte waren zu dieser Zeit die Antifa-Arbeit, Burggartenbesetzungen und auch Tierrechte – damals waren einige VeganerInnen beim Infoladen aktiv, die u. a. Demos gegen Zirkusausstellungen organisiert haben. Die Motivation war seit jeher, einen Treffpunkt abseits von Konsumwahn und -zwang anzubieten und politische Informationen abseits der Mainstreammedien in Form von Büchern, Flugblättern und Broschüren anzubieten. … Leider verlieren wir immer wieder AktivistInnen, weil sie nach Wien ziehen, um zu studieren. Im Moment sind rund 10 Personen aktiv, der Laden dient vor allem Menschen als Anlaufstelle, die einen gemütlichen Aufenthaltsort in unserer durchkommerzialisierten Gesellschaft suchen, die etwas gegen Faschismus und Rassismus machen möchten. Leider sind es nur wenige Menschen, die sich kritisch mit den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzen möchten. Was die Geschlechterstreuung betrifft, ist es erfreulicherweise so, dass – im Gegensatz zu vielen anderen linken Projekten und Gruppen – auch sehr viele Frauen bei uns aktiv sind. Es gibt sogar eine eigene Frauengruppe innerhalb des Infoladens, die eigene Veranstaltungen durchführt. Entscheidungen werden grundsätzlich im Plenum getroffen, d. h. wir versuchen, Konsensentscheidungen zu wichtigen Fragen zu treffen.
Eure bekanntesten Aktivitäten sind die „Burggartenbesetzungen” und eure Antifa-Arbeit, vor allem zum BFJ (1). Könnt ihr die beiden Themen und eure Aktivitäten kurz erläutern?
Die Burggartenbesetzungen werden seit 1997 durchgeführt, um gegen das im Welser Burggarten herrschende Alkohol- und Rasensitzverbot zu demonstrieren. Seit damals haben wir unzählige symbolische Sit-Ins durchgeführt. Es geht uns hier aber nicht nur um den Burggarten, sondern generell um eine Ablehnung der Politik der Verbote. Es ist unserer Meinung nach zu einfach, missliebige Personen wie alkoholisierte Jugendliche, Obdachlose usw. durch Verbote aus der Öffentlichkeit zu verdammen. Wir wollen mit den Besetzungen auch Stellung beziehen gegen miserable Wohnbedingungen, Videoüberwachung, Law-and-Order-Politik. Wir treten für menschenwürdige Lebensbedingungen mit natürlich belassenen, frei verfügbaren Freiräumen sowie für eine sinnvolle Nutzung von vorhandenen Immobilien ein. Der „Bund freier Jugend” (BFJ) ist eine oberösterreichische Neonazibewegung. Wir haben zusammen mit anderen AntifaschistInnen die Aktivitäten dieser Gruppierung verfolgt und auch versucht, diese aufzuzeigen und auf die stillschweigende Toleranz durch Politik, Behörden und Polizei hinzuweisen. Auch nachdem vor kurzem drei führende Kader verhaftet worden sind, bleibt die Naziorganisation weiter aktiv.
Die meisten Läden arbeiten stark szenereferentiell – ihr unterschiedet euch da stark. Ihr betreibt eure Buchhandlung sehr offensiv, ihr beschäftigt euch öffentlichkeitswirksam mit Neonazi-Strukturen in OÖ, gebt Interviews für die Mainstream-Presse usw…
Wir wollen ganz einfach kein „linker Diskutierzirkel” sein, der von Selbstbeweihräucherung lebt und – abgekapselt und unbeachet von der restlichen Welt – ein stilles Dasein führt. Wir nützen die vorhandenen Medienstrukturen für unsere Zwecke und versuchen, unsere Positionen zu verbreiten. Vielleicht liegt unser Verständnis auch an der schwierigen Ausgangsposition in einer Provinzstadt wie Wels. In Großstädten wie Wien oder Graz gibt es ein linkes Stammpublikum. In Wels ist es schon schwieriger. Deswegen betreiben wir mit unserem Infoladen und der Buchhandlung ein sehr offenes Konzept und haben auch keine Berührungsängste, mit nicht-linksradikalen Gruppen zusammenzuarbeiten, etwa ATTAC oder der Grünalternativen Jugend. Das Verhältnis zu den anderen Läden in Ö ist sehr gut, es gibt auch regelmäßige Vernetzungstreffen.
Infoläden existiert ja seit den beginnenden 80ern, damals war der Hauptanspruch noch, Informationen abseits der herrschenden Kanäle und Medien zu vertreiben. Ist das heute, wo jeder Bahnhof-Shop linksradikale Lektüre verkauft und das Internet alle möglichen und unmöglichen Infos zur Verfügung stellt, noch zeitgemäß?
Es ist offenbar tatsächlich etwas aus der Mode gekommen, ein Buch oder ein Flugblatt in die Hand zu nehmen. Wenn ein Buch gekauft wird, dann häufig über einen Internetanbieter, das merken wir leider auch bei unserem Buchverkauf. Wir denken nicht, dass sich das Konzept des Anbietens alternativer Medien überlebt hat. Die Mainstreammedien bewegen sich in einem Spektrum von linksliberal bis rechtsaußen. Auch das Buchangebot in üblichen Buchhandlungen ist nicht gerade überwältigend (mal abgesehen von Büchern von Moore oder Chomsky). Insofern ists wohl gut, dass es Infoläden gibt, wo eine Fülle von linker, kapitalismus- und gesellschaftskritischer Literatur und die entsprechende „kompetente Beratung” angeboten wird. Auch die Funktion eines Infoladens als „Oase” abseits der glitzernden, vollklimatisierten Einkaufspassagen an den Stadträndern ist nicht zu unterschätzen. Wenn das Innenstadtsterben in Wels so weiter geht, sind wir bald das alteingesessenste Geschäft in der Innenstadt. 😉
Eine andere Kritik haben die Dead Kennedys recht charmant in ihrem Song „Anarchy for sale” umschrieben: ist es möglich, mit dem Verkauf von popkulturellen Polit-Accessoires (Buttons, Batches, …) und fairgehandeltem Kaffee kapitalistische Verwertungslogiken zu sprengen? Oder dient man nicht vielmehr als Speerspitze für einen „sozialen Kapitalismus”, bei dem die ehrenamtlichen VerkäuferInnen nicht mal Lohn erhalten und noch stolz darauf sind?
Wir machen uns da nicht die Illusion, dass wir mit dem Verkauf von Büchern, T-Shirts, Buttons etc. die kapitalistische Gesellschaft umkrempeln können. Die Einnahmen aus dem Verkauf dieser Sachen dienen rein der Finanzierung des laufenden Betriebs, unserer Veranstaltungen und Aktionen. Die Leute, die bei uns ehrenamtlich hackeln, machen das aus Überzeugung. Wir denken halt auch, dass es innerhalb des Kapitalismus (fast) unmöglich ist, sich diesem System zu entziehen.
Die Grenzen zwischen rinks und lechts verschwinden zunehmend: Faschisten tragen Pali-Tücher und lesen Karl Marx, gestandene „Linke” fordern die Auflösung Israels und Nazis tätowieren sich Che-Guevare-Portraits auf den Unterarm. Sieht sich der Infoladen Wels als „links”?
Wir sehen uns als linksradikal, insofern wir die Gesellschaft von Grund auf zu einer besseren Welt verändern möchten. Momentan ist es „in”, sich in der Mitte zu positionieren, wohl um ja nirgends anzuecken. Die „Mitte”-Politik, wie sie etwa von SPÖ und ÖVP propagiert wird, entpuppt sich aber nicht selten als ziemlich rechts im Sinne von immigrationsfeindlich, neoliberal usw.
Der Infoladen Wels ist seit 2004 bei der KUPF. Wie kommt eine Politorganisation mit Buchhandlung zur KUPF?
Gegenüber Bündnissen sind wir generell positiv gesinnt, weil wir denken, dass mensch vereint mit anderen Gruppen und Vereinen mehr erreichen kann. Auch unser Bekanntheitsgrad wird dadurch gefördert. Zur KUPF haben wir ein sehr gutes Verhältnis, sie hat uns beispielsweise (zusammen mit einem Steuerberater) dabei geholfen, ein geniales Konzept für unser Buchhandelsgewerbe zu entwerfen, das in Österreich wohl einmalig ist und sehr viele Vorteile für unser politisches Projekt bringt.
Wie sehen eure Zunkunftspläne aus?
Nachdem unsere „Lieblingsfeinde” vom BFJ nun vermutlich für einige Zeit auf Eis gelegt werden, haben wir Zeit, uns neben antifaschistischen Themen auch anderen Dingen zu widmen. Wie bisher wollen wir subkulturelle Konzerte veranstalten, es wird weiterhin Vorträge geben, die Frauengruppe plant weitere Vortragsveranstaltungen und Feste. Wir möchten uns mehr mit der Lokalpolitik in Wels auseinandersetzen. Diese machte ja in letzter Zeit durch eine beispiellose Hetze gegen MigrantInnen auf sich aufmerksam. Auch der Lebenssituation in der Stadt Wels und der Kritik an untragbaren Wohnbedingungen oder überhaupt fehlenden Wohnraum wollen wir unsere Aufmerksamkeit widmen. Der Erfolg des Projektes Infoladen hängt natürlich von den AktivistInnen ab. Interessierte Leute sind bei uns jederzeit gerne willkommen!
Danke!
(1) siehe Kupf-Zeitung 112/05
http://de.wikipedia.org/wiki/Infoladen
http://www.infoladen-wels.at
Link zur Langversion:
https://kupf.at/zeitung/der-laden-langversion-des-interviews