Langweilige (Beziehungs-)Kisten

Tipps gegen langweilige Tagespolitik hat Andi Wahl für Sie.

 

Simon (8) isst für sein Leben gern Käsekrainer mit Pommes Frites und viel Ketchup. Wenn seine Mutter zu Mittag nicht nach Hause kommt, mache ich ihm manchmal sein Leibgericht. Damit handle ich mir zwar Kritik ein, weil ich das Kind nicht richtig ernähre, aber das wird erst Abends sein. Also aus der Perspektive des späten Vormittags, wenn die Kochentscheidung endlich getroffen werden muss, erst in einer ohnehin immer ungewisser werdenden Zukunft. Zuerst ist einmal wichtig, dass ich dieses Essen innerhalb von 20 Minuten auf die Teller klatschen kann, und dass ich mit Simon zu Mittag gerne über andere Sachen rede, als darüber, wie viele gedünstete Karotten er noch essen muss, bevor er vom Tisch aufstehen darf.

Bei einem dieser entspannten Mittagessen wollte Simon von mir wissen, weshalb die EU oft so kuriose Gesetze mache und die Raucher so sekkiere. Aber wie erklärt man einem Achtjährigen relativ komplexe Zusammenhänge? Ganz einfach: man beschränkt sich auf das Wesentliche. „Schau, Simon“, sagte ich daher, „die Politikerinnen und Politiker machen sich Gesetze aus. Und wenn sie diese dann beschließen, dann muss sich jede und jeder daran halten. Solange, bis eben neue Gesetze beschlossen werden. Jetzt sagen aber die PolitikerInnen selber, dass sie eigentlich immer weniger entscheiden können, weil eigentlich die Leute, die das große Geld haben, und die Wirtschaftsbosse anschaffen, wo es lang gehen muss. Weil die sonst die Geldhähne zudrehen und ihre Firmen wo anders hinbauen. Jetzt könnten aber die ganz normalen Leute hergehen und sagen, wenn eh wer anderer anschafft, dann brauchen wir die PolitikerInnen ja gar nicht mehr zum Anschaffen. Das wäre natürlich blöd für die PolitikerInnen. Der Gusenbauer müsste dann als Gourmet-Kritiker sein Geld verdienen, Schüssel schauen, ob er Liederbücher illustrieren darf, und was der Josef Cap machen soll, das weiß wirklich keiner. Darum lassen sich die PolitikerInnen immer wieder Gesetze einfallen, die zwar kein Mensch braucht, über die man aber ganz viel diskutieren kann. Und auch sonst machen sie gerne möglichst viel Show. Alles nur deshalb, damit niemand auf die Idee kommt, dass man die PolitikerInnen eigentlich auch heimschicken könnte, ohne dass es groß auffällt.“ Simon hat sich mit dieser Erklärung zufrieden gegeben. Ich allerdings hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, die Sache doch zu sehr vereinfacht zu haben.

Dieses schlechte Gewissen verflog allerdings sehr schnell, als nach den Nationalratswahlen die “Entpolitisierung der Politik” (die ich Simon so umständlich nahe zu bringen versucht hatte) fröhliche Urstände feierte. Plötzlich machten sich die PolitikerInnen selbst zum vorherrschenden Thema politischer Debatten. Wer wen wann beleidigt, schief angeschaut oder anzurufen vergessen hat. Befindlichkeiten und „Beziehungsprobleme“ statt Inhalten. Das mag Stoff für die „Bunte Revue“, die „Neue Post“, oder wie solche Zeitschriften heißen, sein. Auf den Politikseiten hat so etwas nichts zu suchen! Vielleicht ist ja alles wirklich so banal, wie ich es einem achtjährigen Buben bei Käsekrainer und Pommes Frites zu schildern versuchte. Mir jedenfalls bleibt angesichts solcher Tagespolitik nichts, als mich gelangweilt abzuwenden. In der nun freien Zeit baue ich verschieden große Holzkisten. Da kann man dann verschieden große Dinge hinein geben. Klingt langweilig. Ist es auch. Aber immer noch spannender, als mich mit der derzeitigen Tagespolitik zu beschäftigen.

Andi Wahl ist Bau- und Kulturarbeiter und schreibt Bücher.