Nie erlag ich seiner Persönlichkeit…

Gerlinde Schmierer hat Edith Friedls Buch über Margarte Lihotzky gelesen.

 

Margarete Lihotzky und Adolf Loos – Ein sozial- und kulturwissen-schaftlicher Vergleich

„Nie erlag ich seiner Persönlichkeit…„ ist Teil eines Zitates aus einem undatierten Typoskript von Margarete Schütte-Lihotzky zu Adolf Loos. Klingt, als hätte die Gefahr bestanden. – Weit gefehlt! Jener Satz, der Titel gebend für Edith Friedls Buch wurde, spricht vom Geniekult, wie er um die Wende zum 20. Jahrhundert gepflegt wurde; Etwa von Loos selbst, wenn er von sich in der dritten Person sprach oder, wenn er die Pose des „verkannten Genies„ für sich in Anspruch nahm, dessen Krea-tionen wenn möglich erst einmal missverstanden werden sollten, um als „avantgardetauglich„ gelten zu können. Seine „charismatische Persön-lichkeit„ zeitigte aber bei Schütte-Lihotzky nicht dieselbe Wirkung, wie bei seinen Studenten.

Während Loos´ Architektengeneration ästhetische Ansprüche vor die Erfüllung gesellschaftlicher Funktionen stellte und im Hinblick auf die eigene Arbeit in den Kategorien des Werkes dachte, legte Margarete Schütte-Lihotzky die Gewichtung in ihrer Arbeit von Beginn an in den gemeinnützigen-relevanten Bereich. Sie analysierte Lebenszusammen-hänge und formulierte von diesen ausgehend ihre Planungsgrundsätze. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag eindeutig in Bereichen, die der „sozialen Architektur„ zugeordnet werden, von der sich Loos nach kurzer Zeit in der Wiener Siedler Bewegung wieder entfernte. Auch in ihrer theoretischen Arbeit konzentrierte sich die Architektin hauptsächlich auf den Wohn- und Städtebau, auf Typisierung und Normierung oder auf politische Themen wie Sozialismus und Frauenfragen. Jahrelang wirkte sie an welt-berühmten Projekten mit und erlangte ein hohes Ansehen innerhalb der Moderne. Dennoch war gerade ihre klare Entscheidung für ihr Engagement im sozialen Wohnbau und ihre politische Ausrichtung Grund für eine jahrzehntelange, verhältnismäßig geringe fachliche Reputation und für fehlende Anerkennung. Friedls anschauliche und spannende Darstellungen beschreiben unter welchen gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Voraussetzungen Lihotzky und Loos in der Zeit vom Beginn der Jahrhundertwende bis in die frühen 30er Jahre arbeiteten und werfen dabei einen differenzierten Blick auf verdeckte Mechanismen sowie auf latente Zuschreibungen und Erwartungshaltungen, in die Architektinnen bis heute immer wieder eingeordnet werden.

Gerlinde Schmierer

Edith Friedl: Nie erlag ich seiner Persönlichkeit… Margarete Lihotzky und Adolf Loos – Ein sozial- und kulturwissenschaftlicher Vergleich Feministische Theorie Band 47, Verlag Milena 400S., EUR 22.- ISBN -85286-10-6

Gerlinde Schmierer ist im Vorstand von FIFTITU% und Studienassistentin an der Kunstuniversität Linz.