Thomas Philipp über Sonntagsreden und das Linzer Kulturbudget
Vor kurzem verkündete der Linzer Kulturstadtrat und Vbgm. Erich Watzl (VP) in einer Pressemeldung stolz, dass das Kulturbudget in Linz trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten gleich bleibt. Im gleichen Atemzug erfolgt ein Verweis auf die triste Situation in anderen Städten und Bundesländern, insbesondere die Kürzungen der Freien Szene in Stadt und Land Salzburg. In der Pressemeldung wird auch davon berichtet, dass sich der Linzer Kulturstadtrat mit Finanzstadtrat Johann Mayr (SP) auf die Stagnation des Kulturbudgets geeinigt hätte, die Finanzdirektion des Magistrats jedoch nicht sagen könne, wie viel dies in absoluten Zahlen ausmache. Es scheint Erklärungsbedarf gegeben …
An Gesamtausgaben für Kultur wurden im Budgetjahr 2004 von der Stadt Linz 37,82 Millionen Euro vorveranschlagt, das sind 6,90 Prozent des Gesamthaushalts. In den Jahren zuvor blieb das Kulturbudget relativ stabil – abgesehen von Schwankungen, die vor allem durch Bauvorhaben wie das Kunstmuseum LENTOS oder das Haus der Architektur ausgelöst wurden: Im Budgetjahr 2000 wurden 37,66 Millionen Euro abgerechnet (7,55 Prozent des Gesamthaushalts), 2001 waren es 37,56 Millionen Euro (6,99 Prozent des Gesamthaushalts), im darauf folgenden Jahr 42,70 Millionen Euro (7,71 Prozent des Gesamthaushalts) und im Jahr 2003 waren es 40,16 Millionen Euro (6,96 Prozent des Gesamthaushalts).
Der Anteil der Freien Szene am Kulturbudget ist dabei beschämend gering. Im Budgetjahr 2003 lag er bei rund 2,4 Prozent, wovon über die Hälfte dem Theater Phoenix zugerechnet werden muss. Im aktuellen Budgetjahr bleibt der Anteil stabil bei 2,4 Prozent (anders gesagt: Er stagniert auf dem Niveau vom Vorjahr), in absoluten Zahlen wird dies jedoch einen leichten Rückgang bedeuten. Um sich zu verdeutlichen, welche Wertschätzung der Freien Szene in Linz entgegengebracht wird: vom gesamten Haushalt der Stadt Linz werden nur 0,16 Prozent für die künstlerischen und kulturellen Aktivitäten der Freien Szene ausgegeben.
Die budgetäre Berücksichtigung der Freien Szene steht also im krassen Gegensatz zum Stellenwert, den sie in politischen Sonntagsreden oder diversen Broschüren, Konzepten und Leitbildern einnimmt. Im Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz ist etwa in der Präambel (!) zu lesen: „Die Stadt Linz bekennt sich als Kulturstadt für alle und zu kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Technologie und Neue Medien, Offene Räume und Freie Szene.“ Während jedoch bei den anderen Schwerpunkten sehr wohl Bewegung spürbar ist (im Schwerpunkt Technologie und Neue Medien z. B. durch die verstärkte Förderung des AEC im Hinblick auf die „Medienhauptstadt 2009“ oder den Ausbau des Instituts für Medien an der Kunstuniversität Linz, im Bereich der Offenen Räume durch die Förderung der verstärkten Kooperation der großen Institutionen wie LIVA, AEC, LENTOS oder Kunstuniversität Linz, die Linzer Klangwolke und verschiedene Open-Air-Events wie LinzFest oder Pflasterspektakel), harren deutliche Impulse für die Freie Szene ihrer Umsetzung.
So wurde der mit 72.000 Euro dotierte Linzer Innovationstopf, der hauptsächlich der Freien Szene zu Gute kommt, zwar heuer auf den mondänen Namen „LINZimPULS“ umbenannt, eine seit Jahren versprochene Erhöhung erfolgte jedoch bislang nicht. Auch eine Investition in die infrastrukturelle Absicherung und den Ausbau einzelner Wirkungsstätten der Freien Szene ist seit langem überfällig.
Als wären diese Übel nicht bereits genug, werden Einrichtungen und Initiativen der Freien Szene auch in der Förderpraxis der Stadt Linz teils eigenwillig behandelt. Manche BeobachterInnen sind der Meinung, dass eine Politik des Herrschens und Teilens innerhalb der Freien Szene eingesetzt hat. Die „Aufkündigung“ von per „Gentleman Agreement“ getroffenen Fördervereinbarungen wie im Falle der KAPU, die mangelhafte Begründung von Förderabsagen für international renommierte Initiativen wie Social Impact oder die Festschreibung von Einrichtungen wie MAIZ, Medea oder FIFTITU% auf niedrige Beträge durch mehrjährige Fördervereinbarungen seien hier genannt.
Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen für die Stadt Linz – Stichwort „Europäische Kulturhauptstadt 2009“ – wäre der erfolgversprechende Weg ein anderer. Unbedingt notwendig sind dafür deutliche und kräftige Impulse für die Freie Szene, insbesondere:
– die Erhöhung des gesamten Fördervolumens für die Freie Szene – die Bereitstellung von nachhaltig wirksamen Ressourcen im Zuge des Projektes „Europäische Kulturhauptstadt 2009“ (Machtpositionen, finanzielle Mittel, öffentlichkeitswirksame Unterstützung, …) – die Behebung der bereits verursachten Schäden, insbesondere in Fällen wie bei der KAPU oder bei Social Impact – eine verstärkte Förderung von Projekten und neuen Entwicklungen, die mit dem Linzer Innovationstopf (LINZimPULS) beschritten wurde – eine qualitativ hochwertige Förderpolitik, die sich nicht davor scheut, verstärkten Mut zu experimentellen, inventiven und fortschrittlichen Kunst- und Kulturformen zu zeigen
Sollte die Stadt Linz es verabsäumen, diese Impulse zu setzen, würde es ansonsten im Jahr 2009 redlicher Weise nicht einmal zum Titel „Oberösterreichische Kulturstadt“ reichen.
Thomas Philipp
vgl. Neues Volksblatt vom 16. November 2004 (zurück)
Die Steigerung wurde vor allem durch (den Neubau des) LENTOS verursacht: 2002 = 7,27 Millionen Euro, 2001 = 2,61 Millionen Euro (zurück)
Wiederum verursacht durch das LENTOS: 2003 = ca. 4,07 Millionen Euro, sowie durch das Haus der Architektur: 2002 = ca. 57.000 Euro, 2003 = ca. 954.000 Euro (zurück)
Unter Freie Szene werden hier all jene NGOs/NPOs gefasst, die im zeitgenössischen Kunst- und Kulturbereich tätig sind und weiteren Kriterien genügen: autonome Organisation und Arbeit im Sinne von Parteiunabhängigkeit, emanzipatorischer Ansatz, inventiver/innovativer Charakter. Die Freie Szene umfasst dabei rund 30 Einrichtungen und Initiativen wie Theater Phoenix, Moviemento/Crossing Europe, Stadtwerkstatt, Radio FRO, KAPU, time’s up, Die Fabrikanten, Salzamt/Kliemsteinhaus, transpublic, Kunstraum Goethestraße, FIFTITU%, Medea, IFEK/Frohsinn, Linzer Frühling, MAIZ, Freundinnen der Kunst, servus.at, qujOchÖ, Social Impact usw. usf. Auch Einzelpersonen/-künstlerInnen, welche die genannten Kriterien erfüllen, werden der überwiegenden Auffassung nach der Freien Szene zugerechnet. Eine genaue Zuordnung ist hierbei jedoch weder möglich noch vom Großteil der AkteurInnen erwünscht. (zurück)
Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz 2000, S. 9 (zurück)
Ausnahmen wie etwa das „crossing europe“-Filmfestival oder die Neu-Instandsetzung der Stadtwerkstatt bestätigen nur die Regel (zurück)