Eugenie Kain über Visionen und Papers zu Linz 2009
Jetzt haben sie dem Staatsekretär Morak den ganzen Packen in die Hand gedrückt, die Linzer und der Oberösterreicher. Linz bewirbt sich. Als einzige österreichische Stadt. Im Mai 2005 fällt die Entscheidung. 2009 gibt es aller Voraussicht nach eine europäische Kulturhauptstadt Linz. Mit Partnerkulturhauptstadt Vilnius.
Bis dahin das Übliche, damit Linz zum ?Standort Linz? (Erich Watzl) und als ?Labor der Zukunft? ins entscheidende Licht gestellt wird. Eine GmbH muss gegründet werden, ein Intendantenposten ausgeschrieben, Sponsoren müssen gehätschelt, die Geldmaschine angeworfen werden. Zwei Wörter werden in aller Munde sein und derart strapaziert, dass schließlich schon ihre ersten Silben Aggressionen auslösen: Vernetzung und Synergieeffekt.
In Labors, insbesonders solchen der Zukunft, wird mit Stoffen experimentiert, über die es keine Langzeitstudien gibt. Entweichen sie, gibt es Katastrophen. Dann senken sich Wolken über die Stadt, zäh und klebrig wie die Klangwolke von Peter Wolf, während Laserstrahlen unablässig das Donauufer befingern, auf der Nibelungenbrücke Feuerschlucker im Akkord ihre Arbeit verrichten und der kleine gelbe Zug im Höllentempo zwischen AEC und Lentos hin- und herrast. Möge der Stadt und uns das erspart bleiben!
2004 heißen die Kulturhauptstädte Genua und Lille. Auch der Bürgermeister von Genua hat sich Gedanken gemacht über Visionen und Nachhaltigkeit. In Genua wurde die Altstadt saniert, damit auch die Bevölkerung was hat vom Kulturhauptstadttaumel.
Immerhin: Die Installation des Kulturhauptstadtkarussels ist noch eine der sympathischeren Maßnahmen der EU. Aber alle die jetzt an der Umsetzung der Linzer Visionen 2009 arbeiten, mögen sich zur Relativierung in Erinnerung rufen, wo der geographische Mittelpunkt Europas liegt: In der Nähe von Rachiw in den Waldkarpaten der Ukraine. Vermessen wurde dieser Mittelpunkt noch zu österreichisch-ungarischen Zeiten.
Ungünstig ist das Timing. Wäre Linz heuer zur Kulturhauptstadt erkoren worden, hätte es erstens keine Kulturhauptstadt Graz 2003 gegeben und die GrazerInnen hätten jetzt nicht ein Monster von Kulturbudgetloch vor Augen und Linz brauchte nicht allzu viel investieren, weil derzeit der Mega-Event ohnehin abläuft. Der Abriss des alten und der Aufbau des neuen Hochofens in der VOEST. Da ist alles beinander, worauf sich die Bewerbung beruft: Stahl, Arbeit, High Tech, Feuer, Klang, die Verbindung von West-Ost und Nord-Süd am Beispiel der zusätzlichen Leasing-Arbeiter und, wenn man das Projekt Feuertaufe verfolgt, auch ein Schuss Poesie, die, wie die Literatur insgesamt, im Paper für 2009 ohnehin zu kurz kommt.
Eugenie Kain