Der Brückenschlag von der Ars Electronica zur Esoterik gelingt Luigi Gabinetto
„Esoterik ist“, schreibt die Autorin Jutta Ditfurth*, „in der Definition ihrer ErfinderInnen, eine okulte, elitäre Geheimwissenschaft, die nur erlauchte Eingeweihte begreifen können. Sie entzieht sich der rationalen Auseinandersetzung.“ Man nehme nur die Symposien, auf denen sich, egal welches Thema verhandelt wird, eine Handvoll Symposiumstouristen mit sich selbst beschäftigen, sodass sich interessierte Außenstehende nur total deplatziert vorkommen können.
Esoterik werde, so Ditfurth weiter, wieder einmal gebraucht, um die Köpfe von Millionen Menschen für eine autoritäre Gesellschaft zuzurichten. Die Ars Electronica kann auch für diese These ein vorzügliches Beispiel geben. Das frühere Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft verhandelt nur noch, was neue Technik kann. Auf dem Schleichweg über die Kunst werden Überwachungs- und Repressionstechnologien salonfähig gemacht, die in anderen Kontexten zu massiver Kritik geführt hätten. Es wird nur noch debattiert was geht; nicht mehr, was das für die Menschen, für die Gesellschaft bedeutet. Technik- und gesellschaftskritische Töne vernimmt man schon lange nicht mehr. Aber warum sollten Siemens und Microsoft an der Erhellung der Zustände interessiert sein?
Wenn sich die technokratische Geheimwissenschaft mit dem Populismus vermählt, wird es besonders degoutant. Wir bekommen es mit Projekten zu tun wie diesem: „Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir bewusst wahrnehmen. Für das vielfältige Programm von ,ZukunftSchaun? haben wir Fachexperten eingeladen. Sie geben uns Einblick in die unterschiedlichen Möglichkeiten, Zukunftstendenzen zu erkennen…..“ Da wird Aura-Arbeit geleistet, Steinorakel gemacht, Hände gelesen und Karten gelegt, Störfelder ausgependelt und Astrologie betrieben.
Der esoterische Weg ist klar: Beschäftigung mit sich selbst, Ausbeutung und Elend werden mit „Karma“ gerechtfertigt, Eliten angebetet, Sozialdarwinismus als Gesellschaftsmodell gefördert, höhere Wesen, naturgesetzliche Ordnungen und der Kosmos vergöttert. Oder um mit Ditfurth zu reden: „Esoterik ist, ob modern und traditionell gewandet, Menschenhass, Demokratiegegnerschaft, Elite- und Führerkult, imperialistischer Herrschaftsanspruch, patriarchale Menschenbilder sowie die Variationen von Spiritualität und Naturmystik. (?) Sie macht den Menschen leichter ausbeutbar und enthemmter zerstörbar“
Die Ars Electronica ist zur reaktionären, esoterischen Veranstaltung der Herrschenden geworden. Und niemand tut was dagegen. Warum denn auch, wer sich heutzutage auf den Verstand verlässt, ist doch hoffnungslos zurückgeblieben?
Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei.
Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1997
Luigi Gabinetto E-Mail: kupf@kupf.at