Eine Wiener Straßenzeitung als lebendige Galerie im öffentlichen Raum: Eine schöne Idee, doch in dem Projekt „Interventionen gegen Rassismen“ wurden strukturelle Probleme der antirassistischen Szene deutlich.
Vielleicht waren meine Erwartungen einfach zu hoch: Als Daniela Koweindl und Martin Krenn von der IG Bildenden Kunst in der Redaktion der Bunten (Zeitung), der in Wien auf der Straße von Flüchtlingen verkauften migrationspolitischen Zeitschrift, auftauchten, wuchsen meine Hoffnungen ins Unermessliche. Eine Gruppe von KünstlerInnen, die eine Sondernummer der Bunten als lebendige Galerie für ihre Inserts verwenden will, als Intervention gegen Rassismen im öffentlichen Raum ? super!
War es doch immer schon schwierig der in der Bunten stark vertretenen ersten Generation der Migranten Kultur und Kunst näher zu bringen. Und zwar nicht allein in Form der Zelebrierung von verlorener oder imaginierter Heimat in einzelnen nationalen Staaten, sondern als interkulturellen frechen aktionistischen Prozess. Oft wurde im Herausgeberverein „Die Bunten“ die Meinung vertreten, dass die Kunst für die Politik zu instrumentalisieren sei und wenn nicht, dann solle sie wenigstens Einnahmen bringen. Eine Einstellung, die sich selbst im Editorial der Kunst-BZ (Juni/Juli 2004) spiegelt: „Das Medium der Kunst kann oft tiefgreifendere und weitreichendere Effekte erzielen als rein sachliche Aufklärungsarbeit, denn die Kunst transportiert Botschaften, die auf das Unterbewusstsein der Menschen einwirken, als solche kann sie die Verhaltensweisen nachhaltig beeinflussen“, schrieb Redakteurin Suzanne Ebeid mit einer gewissen Arroganz gegenüber der politischen Mündigkeit ihrer BZ-LeserInnen.
Eine andere Diskrepanz zeigte sich, als sich zwar die beiden Organisatoren der Interventionen gegen Rassismen mit bestimmten Teilen des bunten Redaktionsteams öfter trafen, sich aber in ihrer freundlichen akzeptierenden Art („Wir wollen von euch lernen!“) aus den inhaltlichen Kämpfen in der BZ lieber raus halten wollten. Keine einzige der feministischen antirassistischen Produzentinnen der Inserts tauchte auf. Wohl kein Zufall, obwohl es in den letzten vier Jahren schon bunte Zeiten gegeben hatte, als klar war, dass Rassismus eigentlich nicht ohne die Verknüpfungen zum Sexismus bekämpft werden kann, dass eine Analyse der Schnittpunkte dieser Phänomene grundlegend ist.
Nun veröffentlichte in der Kunst-BZ nebeneinander eine wilde Mischung von feministischen antirassistischen Künstlerinnen ihre Inserts, österreichische bzw. migrantische Männer ihre Inhalte und Selbstdarstellungen. Beinahe wie im wirklichen Leben, denn migrantische bzw. österreichische Feministinnen organisieren sich lieber ohne Männer und viele bunte Männer wollen sich lieber nur mit Antirassismus, dem wahren Problem dieser Welt, und nicht mit ihren eigenen Sexismen auseinander setzen. Typischerweise schrieben nur zwei Migrantinnen Beiträge, von denen sich einer immerhin u.a. mit den Gedanken einer Romni beschäftigte. Ein künstlich vorgeführter Frauen-Mangel, da z.B. ein Kunstprojekt der Bunten für SOHO Ottakring im gleichen Zeitraum muslimische Frauen verschiedenster Ansichten und Herkunft in einer Ausstellung und einer Podiumsdiskussion zu feministischer Vernetzung vereinte. Dieser Prozess hatte sich aus zwei Ausgaben der BZ (5/03 und 6/03) entwickelt.
Die mangelnde Unterstützung bestimmter Künstlerinnen führte u.a. dazu, dass sich eigene bunte feministische bzw. künstlerische Tendenzen gegen die erste Generation der Migrantenmänner nicht durchsetzen konnten und im Endeffekt die VertreterInnen dieser Richtung die Bunte verließen. Es siegte die klare, pragmatische Trennung von Kunst und Politik. Und die Hierarchie: Denn die 150 afrikanischen AsylwerberInnen, die als Kolporteure mit ihrer Kraft und Energie das Rückgrat der BZ ausmachen, hatten mit dem Kunstprojekt aber rein gar nichts zu tun. Der Performer Edgar Lliuya, der ein künstlerisches Projekt mit den Kolporteuren machen wollte, verließ ebenfalls die Bunte. Keine gemeinsamen künstlerischen Prozesse in welcher Form auch immer entstanden, eine einmalige Gelegenheit wurde verpasst.
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Kerstin Kellermann