Über die Unfähigkeit „das Andere auszuhalten“.

Rubia Salgado teilt uns ihre Beobachtungen am ASF mittels Brief an Andi Wahl mit.

 

Lieber Andi,

wir haben ursprünglich vereinbart, diesen Text in Form eines Austausches zu verfassen. Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich mich lediglich am Rande des ASF 04 bewegen, und leider nur an wenigen Veranstaltungen teilnehmen. Daher begrenzt sich unser Austausch. Ich habe deinen Text gelesen und den Eindruck bekommen, dass wir das ASF aus verschiedenen Orten beobachtet haben. Bedingt durch meine begrenzte Teilnahme, kann ich deine Beschreibungen bzgl. das Ausprobieren und das Entwickeln einer neuen Art des Umgangs miteinander und neuer Organisations-, Entscheidungs- und Kommunikationsformen auf keinen Fall bestreiten. Aber anhand der Beobachtungen, die ich gemacht habe, kann ich sie ebenfalls auf keinen Fall bestätigen! Ich möchte hier über meine Beobachtungen von der Demonstration am Freitag erzählen. Ich war als maiz-Mitarbeiterin dabei und erhielt die Funktion, unsere Teilnahme fotografisch zu dokumentieren. Dies hat mir einen gewisse Abstand ermöglicht. Dazu kommt die Tatsache, dass ich aus einer anderen (im Vergleich zu deiner) gesellschaftlichen Position die Ereignisse beobachtet und erlebt habe.

Bei der Demonstration habe ich uniformierte OrdnerInnen gesehen, die versuchten die DemonstrantInnen in einer auffallenden Form zu kontrollieren und zu disziplinieren. Ich habe gesehen, dass unsere Gruppe (feministische Migrantinnen und Mehrheitsangehörigen) mehrmals von OrdnerInnen und OrganisatorInnen aufgefordert wurde, nicht „vorne“ zu sein. Ich habe gesehen, dass die OrganisatorInnen, die auf der Bühne waren, verlangt haben, den Redebeitrag der maiz-Frau vorher zu lesen. Ich habe gesehen, dass die OrdnerInnen eine Mauer um die Bühne gebaut haben, als es wieder zur Auseinandersetzung gekommen ist, denn sie wollten es nicht erlauben, dass Claudia von Werlhof ihren Beitrag vorliest. Ich habe gesehen, dass die OrganisatorInnen Claudia von Werlhof das Mikrofon aus der Hand genommen haben. Ich habe gesehen, dass nach mindestens 5 Minuten Protest der Rednerin erlaubt wurde, einen Satz zu sagen. Und ich habe ihren Satz gehört: „Wenn das das Social Forum ist, dann hat es keine Zukunft“. Ich habe auch gesehen, dass die Gruppe von feministischen Migrantinnen und Mehrheitsangehörigen die Demo als Zeichen der Empörung und des Protestes verlassen haben. Ich habe gesehen, dass die OrganisatorInnen unflexibel waren, dass sie versucht haben, die „zu allem entschlossenen Feministinnen“ zu disziplinieren und letztendlich auszugrenzen. Lieber Andi, Deutsch ist nicht meine Muttersprache, und durch den Abstand zwischen ihr und mir ertappe ich mich oft beim Kauen von Wörtern und Ausdrücken. Dieser o.e. Ausdruck liegt mir noch im Magen. Ich vermute, hier einen Geschmack zu erkennen: die Unfähigkeit, „das Andere auszuhalten“.

Rubia Salgado ist Mitarbeiterin von MAIZ, Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich und Mitglied des Stadtkulturbeirates Linz.

http://www.servus.at/maiz