Eugenie Kain weiß, dass das Landestheater kein SM-Studio ist.
Diese Kolumne hätte dieses mal um ein Haar nicht erscheinen können. Der Grund: ein Besuch des Linzer Landestheaters mit dadurch ausgelöstem Ischiasanfall. In den Kammerspielen ist die Bestuhlung noch um eine Spur körperfeindlicher als im Großen Haus, wo das Sitzen nach einer halben Stunde unerträglich wird. Die Knie stoßen an die Lehne des Vordersessels, für Arme und Beine gibt es keinen Bewegungsspielraum, sodass im Laufe einer Vorstellung die Glieder abzusterben beginnen. Wenigstens liegt diesesmal der Sitz im Parkett günstig, es gibt auch Plätze, wo die Sicht auf die Bühne nur durch permanentes Schiefhalten der Wirbelsäule gewährleistet ist. Wer in der Pause mit ertaubten Füßen den Weg zur Toilette antritt, landet in einer Warteschlange, die länger ist als die Pause, weil es in den Kammerspielen im Erdgeschoß nur ein WC gibt. Aber die Stimmung bleibt freundlich. Man ist höflich und ausgesprochen herzlich, schließlich wissen alle um das Verbindende. Man ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die bereit ist, körperliche Qualen für Theaterbesuch und Kunstgenuss auf sich zu nehmen, und da gehört was dazu. Schließlich ist das Landestheater kein SM–Studio und die meisten BesucherInnen keine deklarierten AnhängerInnen von Fesseln, Glühnadel und Knebel.
Bei den Konzepten zur Kulturhauptstadt 2009 spielt der Begriff Provinzialität eine große Rolle. Im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land im Allgemeinen, zwischen Mühlviertel und AEC im Besonderen, so der Ansatz, entsteht manches, was einzigartig und für ganz Europa von kulturellem Interesse ist. Die Geschichte des Linzer Musiktheaters gibt dieser Sichtweise Recht. Und die Provinzialität, die das Musiktheater, das Theater am Berg, das Theater am Urfahranermarkt und viele andere schöne Theaterstandortpläne mittels Volksabstimmung nachhaltig ins Reich der Virtualität katapultiert hat, erzeugt ein Spannungsfeld mit Stromschlaggefahr. Das müsste zweimal reichen, um Innsbruck und alle anderen Konkurrenten aus dem Rennen zu werfen.
Vor der Kulturhauptstadt 2009 kommt das Festival der Regionen 2005 mit dem Thema Geordnete Verhältnisse. Mein Projektvorschlag: Strafsitzen und Strafpinkeln im Linzer Landestheater für alle, die gegen den Neubau eines Musiktheaters gestimmt haben. Für Freiheitliche, deren Anhänger und für die Kampagnisierer vom Kleinformat ist der Besuch einer vier einhalbstündigen Aufführung einer Wagneroper verpflichtend. Ich bin für geordnete Verhältnisse.
Eugenie Kain
Eugenie Kain ist Autorin und lebt in Linz