Handgemacht

Von der Kunst, Fäden zu spinnen und Netze zu knüpfen. Ein Projekt der Hupfauer stellt Andi Wahl vor.

Mit ihrem Projekt TON ON TON, das ab 6. September in der Türkei stattfinden wird, beweist die Kulturinitiative „DIE HUPFAUER“ einmal mehr ihre Fähigkeit, Menschen zu begeistern und zusammenzuführen. Und dies nicht aus geselligem Selbstzweck, sondern um komplizierte gesellschaftliche Verhältnisse und Zusammenhänge auf hohem ästhetischen Niveau abzuhandeln.Ein Vorbericht.

Es gibt Projekte, die keinen Anfang haben. Sie entwickeln sich aus dem Leben. Verschiedene Stränge verknüpfen sich, führen zueinander, verdichten sich und irgendwann stellt jemand fest, dass man sich mitten in einem Projekt befindet. So auch das jüngste Projekt der Kulturinitiative DIE HUPFAUER aus dem Mönchwald im Mühlviertler Mönchdorf. Und die HUPFAUER beweisen einmal mehr ihre Meisterschaft, Fäden zusammen zu führen, Menschen zueinander zu bringen und Lebenswege sich kreuzen zu lassen.

Da ist Kurt, gemeinsam mit Brigitte Herz und Pulsschlag der Kulturinitiative, der bereits mit 15 erstmals in die Türkei reiste, um seinen Vater zu besuchen und zu ärgern. Da ist die ehemalige Großkommune, die sich Land und Olivenbäume in der Türkei kaufte, um auch in einer anderen Kultur zu leben und die Kinder vor dem Zugriff der österreichischen Schulbehörden zu schützen. Da sind all die Freundschaften und Konflikte, die einen über die Jahre mit den Menschen in diesem türkischen Dorf verbinden. Da ist auch Mehmet Sahin, der als junger Heißsporn aus der Enge des väterlichen Betriebes entflieht und nach Sibirien geht, um dort in einer primitiven Hütte zu leben, den es dann aber auch nach Deutschland und in die USA verschlägt, und der, nach dem Tod des Vaters, doch wieder in die Türkei zurückkehrt, um gemeinsam mit seinem Bruder, Yilmaz Sahin, die Ziegelei zu übernehmen. Da ist Renate Moran, bildende Künstlerin aus Linz, die jeden Tag des Feldzuges gegen den Irak mit einem großen Kreuz in den Fenstern ihres Atelier kennzeichnet, daraufhin von der Hausverwaltung mit dem Hinauswurf bedroht wird, und die daraufhin ein heiliger Zorn über die Lahmarschigkeit ihrer KünstlerInnenkollegInnen befällt. Da ist Brigitte, die mit sinnlicher Hingabe zum Material und sanfter Entschlossenheit seit Jahren riesige Gefäße aus Ton formt.

Und da ist das gesellschaftliche und soziale Engagement der HUPFAUER, die sich bei ihren Aufenthalten in der Türkei in das Leben dort einmischen. Nicht um eine exotische Kultur zu genießen und nicht um zu missionieren, sondern um mitzuleben und mitzustreiten. Weil durch Reibung Wärme entsteht und sein Gegenüber mindestens so klug ist wie man selbst, aber keinen Deut klüger. So gelang es auch, die große, aber abseits lebende und ein wenig verachtete Gruppe türkischer Roma stärker in das Dorfleben zu integrieren und ein (immer wieder filigranes) Klima der gegenseitigen Achtung aufzubauen. Aus diesen Bemühungen entwickelten sich im Laufe der Jahre eine Art „Begegnungstage“ die die HUPFAUER alljährlich in „ihrem“ Dorf Selcuk mit viel Beharrlichkeit und Gespür initiierten.

Aber die HUPFAUER knüpften auch wirtschaftliche Kontakte und stießen dabei auf die Ziegelei, die Mehmet nach seiner Rückkehr aus den USA mit seinem Bruder übernommen hatte. Damals erkannten die Brüder, dass sie durch Modernisierung und Automatisierung nicht mit den großen Ziegelfabriken konkurrieren konnten. Also gingen sie den entgegengesetzten Weg und verlegten sich auf die Produktion handgemachter Ziegel, Fliesen und Dachziegel. Durch Mehmets Kontakte konnte die Ziegelei mit ihren Produkten auch bald auf internationalen Märkten Fuß fassen und heute gehen beispielsweise 60% der Dachziegelproduktion nach England. Aber es war vor allem der Handel mit den USA, der eine entscheidende Rückkoppelung auf die Arbeitsbedingungen in der Ziegelei hatte. Die US-amerikanischen Abnehmer verlangten nämlich die Einhaltung sozialer Mindeststandards und das gleiche Lohnniveau für Männer und Frauen. So kam es, dass sich die Ziegelei der Brüder Sahin in Torbali mit ihren 150 Angestellten mittlerweile zu einem Musterbetrieb in Sachen soziale Standards entwickelte. Und in eben dieser Ziegelei arbeitete Brigitte immer wieder. Nicht nur um ihre riesigen Tongefäße herzustellen, sondern auch um mit den ArbeiterInnen Ziegel und Fliesen zu produzieren.

Und während Brigitte im türkischen Torbali fröhlich ihrem Tagwerk nachgeht, sitzt Renate Moran in Linz und giftet sich über die Hausverwaltung und noch mehr über KünsterInnenkollegInnen, die angesichts des Irakkrieges und der Weltsituation ihren gottverdammten Arsch nicht hoch bekommen und sich in ihrem KünsterInnenkokon einspinnen, anstatt klar Stellung zu beziehen. Irgendwann aber treffen die beiden Frauen zusammen und beschließen, engagierte Künstlerinnen und Künstler für drei Wochen zusammen zu holen um neue Kontakte zu knüpfen und um all diesen EinzelkämpferInnen zu zeigen, dass sie nicht die letzten ihrer Art sind. Und welcher Platz wäre schöner als die Ziegelei in Torbali, wo es nicht nur genügend Material und Platz gibt, sondern auch eine Firmenleitung, die Neuem prinzipiell offen gegenüber steht und ArbeiterInnen, die sich immer freuen, wenn es ein wenig Abwechslung gibt. Zudem kann sich eine Ziegelei, die auf handgemachte Produkte setzt, wohl einige Impulse oder zumindest einen gehörigen Prestigegewinn von einem KünstlerInnensymposium erwarten. Die Bedingungen sind auch schnell ausgehandelt: Die Ziegelei stellt Infrastruktur und Material und sorgt für Unterkunft und Verpflegung der KünstlerInnen. Zudem wird sie auch noch einen ansehnlichen Geldbetrag beisteuern.

Auch die Bedingungen auf der anderen, der Künstlerseite standen bald fest: Bereitschaft sich auf dieses Projekt einzulassen und Statements zu den Themenfeldern Integration, Solidarität und Gemeinschaft zu erstellen. Außerdem mussten sich die geladenen KünstlerInnen bereit erklären, mindestens einen Tag mit den ArbeiterInnen der Ziegelei und einen Tag mit Jugendlichen zu arbeiten. Und obwohl es in diesen drei Wochen nichts zu verdienen gibt, fanden sich sehr bald KünsterInnen aus Italien, Österreich, Tschechien, Deutschland, Bulgarien, der Türkei, Spanien, Russland und den USA, die sich ab 6. September dieses Jahres diesen Experimenten stellen werden. Bisher sind es 18 – mehr als ursprünglich geplant.
Und auch sonst fanden sich auch hierzulande viele UnterstützerInnen dieses Vorhabens. So hat sich etwa Hans Schorn (Werbeagentur ArtHouse) bereit erklärt, sich um die Werbelinie zu kümmern. Von ihm stammt auch der Übertitel: TON ON TON. Wolfgang Moringer macht die Rechtsberatung und Klaus Wallinger kümmert sich um die Finanzen (um nur einige „gute Geister“ dieses Projektes zu nennen). Besonders erfreulich ist das Engagement von Christian Schrenk, der sich als geübter Ex-ORF-Mann um die Videodokumentation kümmern wird. Schon in den Vorgesprächen kam bei den HUPFAUERN die Frage auf, ob der ORF wohl weiß, was für einen fähigen und engagierten Menschen er da hat ziehen lassen.

Alles in allem ein wunderbares Projekt, das vor allem dadurch besticht, dass hier Menschen etwas machen, dass nur SIE machen können. In Zeiten der Austauschbarkeit und des Professionalisierungswahns, wo manche glauben alles machen zu können, wenn sie es nur professionell angehen, ein ungemein wohltuendes Faktum.