Gedanken, Nachbetrachtungen, Reflexionen, aber auch Ausblicke nach der Veranstaltungsreihe „Establish Cultural Worker – Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?“
Susanne Blaimschein, Stefan Haslinger, Elfi Sonnberger
Rewind heißt die an den/die DJ gerichtete Aufforderung auf diversen Clubbings, die eben gehörte Platte noch einmal zu spielen.
Rewind darf auch heißen, sich nach einer Reihe, nach dem Abschluss eines Themenkomplexes fragen zu dürfen, was von den Grundannahmen bestätigt wurde, welche Theorien zerschlagen wurden, welche Thesen neu zu formulieren sind.
Ausgangspunkt für die Reihe „Establish Cultural Worker – Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?“, welche von September bis November stattfand, war die Tatsache, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse in der Kulturszene stark überrepräsentiert sind. Diese prekären Arbeitsverhältnisse resultieren nicht ausschließlich aus der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung oder entstehen unter Zwang. Vielfach ist es der Wunsch oder die freie Entscheidung der so genannten neuen Selbstständigen, die sich nicht mehr in Achtstundentagen ausquetschen lassen möchten. Selbstverantwortung, Eigeninitiative, Freiheit, sich die Arbeit nach eigenen Wünschen zu gestalten, arbeiten ohne in enge Hierarchien eingezwängt zu sein, freie Zeiteinteilung sind die damit verbundenen Schlagworte. Gerade aber diese Schlagworte, und die damit verbundenen Inhalte bzw. Kernaspekte der Arbeit der Cultural Worker, sind von der neoliberal ausgeprägten Wirtschaft längst absorbiert und für ihr System nutzbar gemacht worden. Flexibilität, erhöhte Arbeitsbereitschaft bis zur Selbstausbeutung und großer Idealismus versus geringer Lohn sind gängige Modelle. Modelle, für die die Cultural Worker Model gestanden sind. Es wurde also ein ideologisch stark aufgeladener Arbeitstypus „entideologisiert“, um leichter vereinnahmbar zu werden. ‚Der Neoliberalismus der Blairschen Prägung ist kreativ, gesund, erfolgreich, durchlässig und schwerlich bekämpfbar. Es handelt sich um ein Kultur-Modell, um ein künstlerisch strategisches Vorgehen, vermengt mit politischem Aktivismus – nie war der Spruch, dass die Revolution ihre Kinder frisst, so erlebbar wie heute. Und KünstlerInnen sind die Avantgarde des Neoliberalismus. Flexible Arbeitszeiten, Ausbeutungs- und Selbstausbeutungsmodelle, die in Unternehmenszusammenhängen noch durch Betriebsverfassungsgesetze, Tarifverträge und Gewerkschaften verhindert werden. Die Identifikation mit dem Produkt führt zur Selbstaufgabe.‘ Armin Chodzinski Aus dieser Avantgarde-Rolle heraus resultiert auch, dass die Bildung von Netzwerken mit dem Ziel der sozialen Absicherung der unsicheren Arbeitsverhältnisse im Kunst- und Kulturbereich sich äußerst schwierig gestaltet.
Doch wie soll diese Bildung von Interessensvertretungen bei einem derart inhomogenen Feld wie dem der Cultural Worker aussehen? Gerald Raunig forderte in seinem Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe einen Weg, der weg von klassischen Interessensvertretungen führt, und sprach sich für strategische, kurzfristige Allianzenbildungen aus. Aus der Notwendigkeit, auf bestimmte politische und gesellschaftliche Ereignisse schnellstmöglich zu reagieren, werden die vorhandenen Netzwerke aktiviert und punktuell eingesetzt. Wie am Beispiel der ‚Volxtheaterkarawane‘ oder der GlobalisierungsgegnerInnen exemplarisch dargestellt, kann durch solche Netzwerke tatsächlich einiges bewegt werden. Diese Netzwerke kommen ohne Mitglieder und Mitgliedsbeiträge aus. Sie vernetzen sich, starten gemeinsam Aktionen und gehen wieder auseinander. Die Diskussionen auf dem Abschlusssymposion führten schließlich dahin, dass eine mögliche Lösung in einer Kombination der vorhandenen Interessensvertretungen zu liegen scheint: Dort, wo es Sinn macht, schließen die Cultural Worker eine strategische Allianz. Keine Bindung, keine Verpflichtung, schnelles Handeln und kurzzeitig sehr effektiv. Dort wo es notwendig ist, gibt es die Interessensgemeinschaften der IG Kultur, Bildende Kunst, AutorInnen oder Freie Theater, die sich in Arbeitsgruppen den Schwerpunkten der Fachbereiche zuwenden. Dort, wo es notwendig ist, dass alle Kulturschaffenden gemeinsam agieren, dort braucht es eine Plattform, die für alle Betroffenen aus Kunst und Kultur sprechen kann und dementsprechende Maßnahmen aus der Politik fordert. Und schließlich dort, wo es eine Interessensgemeinschaft braucht, die langjährige Erfahrung hat mit Absicherungsmaßnahmen, Kranken- und Sozialversicherung, Arbeitsausfall, dort ist die Arbeiterkammer und die Gewerkschaft notwendig, den Betroffenen Strategien und Hilfe anzubieten. Was diese notwendige Diversität der Interessensvertretungen darüber hinaus bedingt, ist die Heterogenität des Feldes und die Symptomatik, dass die Cultural Worker mit ihrer Arbeit alle Lebensbereiche durchdringen: Die Arbeit mischt sich mit der Freizeit, Privates mit Beruflichem und alle arbeiten irgendwie zusammen. Marie Luise Angerer beschreibt daher auch den Cultural Worker als durchschnittlich 25 – 30 jährige Person, multi-skilled, flexibel, psychisch stark im Nehmen, unabhängig, alleinstehend, ortsungebunden, die zugreift, wo es im Bereich der Kunst, der Musik, der Medien etwas gibt. Es ist auch empirisch nachgewiesen, dass die Cultural Worker sehr häufig viel höher ausgebildet sind, als die Tätigkeiten qualifiziert sind, die sie machen. Durch die Bank sind die Cultural Worker ExpertInnen in den verschiedensten Bereichen, ohne aber formell – also nachweis- bzw. belegbare – „Ausbildungszeugnisse“ für diese Bereiche vorweisen zu können. Dieser Umstand ist der Arbeit der Cultural Worker immanent, denn nur durch diese „Überprofessionalisierung“ und das Aneignen von „multiple skills“ kann die nötige Flexibilität im Arbeitsfeld gewährleistet werden. Um der Ausbeutung dieser skills durch wirtschaftliche Vereinnahmung vorbeugen zu können, wurde auf dem Symposion die Forderung nach einer adäquaten Akkreditierung dieser informellen Bildung erhoben. Auch das Thema der Geschlechterasymmetrie nahm einen wesentlichen Teil der Reihe ein. Mittlerweile ist durch Studien belegt, dass der Zugang für Frauen zum Normalarbeitsmarkt schlecht bis gar nicht vorhanden ist. Dies führt dazu, dass überdurchschnittlich viele Frauen selbstständig beschäftigt sind. Die Paradebeispiele wie Teleworking, Homework usw. seien hier exemplarisch angeführt. Doch gerade in dem – per Annahme – aufgeschlossenen Bereich der Cultural Worker gelingt es nicht, die tradierten Rollenmuster aufzubrechen. Vielmehr funktioniert auch hier die klassisch (neoliberale) Zuschreibung der Frau als Systemerhalterin. Als Systemerhalterinnen insofern, als dass sie die „Hintergrundarbeit“ leisten, ohne welche der „Betrieb“ nicht laufen könnte, während – zumindest, oder vor allem was die Rezeption der Arbeit anbelangt – ihre männlichen Kollegen an vorderster Front stehen. Eigentlich widerspricht es dem Impetus einer Selbstreflexion eine derart triste These am Schluss stehen zu lassen. Aber noch ist die Zeit für euphorisches Herumgehopse nicht gegeben.
Im Februar wird die Dokumentation der Reihe mit Analysen und den Textbeiträgen der ReferentInnen erscheinen. Diese Dokumentation soll aber mehr sein als ein für diverse Archive gedachtes Schriftstück, sondern vielmehr als Arbeitsgrundlage für die weiteren Diskussionen dienen. Denn was nach Abschluss der Reihe klar war und nach wie vor klar ist, ist dass das Thema der atypisch, selbstständig Beschäftigten im Kunst- und Kulturbereich aktueller denn je ist. So wird mit der Dokumentation in der Hand daran gegangen werden, die notwendigen strategischen Allianzen zu bilden, welche einen lösungsorientierten Diskussionsprozess vorantreiben werden.
Information und Bestellung: http://www.culturalworker.at, https://kupf.at, kupf@kupf.at KUPF, Hofgasse 12/1, 4020 Linz; Tel.: 0732/79 42 88, Fax: 0732/79 42 89
Susanne Blaimschein Stefan Haslinger Elfi Sonnberger