Erzwungene Möbilität in Innsbruck.
von Sylvia Riedmann
Tag und Nacht ohne auszuruhn / Sieht man sie etwas gegen die Menschheit tun. / Aber wer ist gewillt / Etwas für die Kunst zu geben…? Bertolt Brecht
Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Vor allem dann, wenn sie von unfreiwilligem Nomadismus gekennzeichnet sind. Innsbrucks junge Kunst- und Kulturszene kämpft seit dem finanziellen Aus für das Kulturzentrum Utopia, Heimstätte der Kunst- und Kulturszene, mit den prekären Nebenerscheinungen erzwungener Mobilität.
Im Spätherbst wandten sich daher einige Betroffene mit einem symbolischen Hilfeschrei an die Öffentlichkeit und zeigten so den zynischen Umgang der Innsbrucker Politik mit einer ganzen Generation von Kunst- und Kulturschaffenden auf. Sie besetzten die seit langem leerstehende Minatti-Halle in unmittelbarer Nähe zum Innsbrucker Zentrum. Nach dem Abzug der Polizei, die die Innsbrucker Bürgermeisterin Hilde Zach nach Verhandlungen im Gebäude vorerst kalmiert hatte, schrieb sich ein Lehrstück solidarischer Organisationsfähigkeit nahezu von selbst: Innerhalb kürzester Zeit stellten die AktivistInnen ein abendliches Fest im neu gewonnenen Kulturraum auf die Beine, zu dem über 300 BesucherInnen erschienen. Das bittere Erwachen folgte am kommenden Morgen im wahrsten Wortsinn: Trotz gegenteiliger Zusicherungen der Bürgermeisterin wurde das Gebäude polizeilich geräumt.
Zachs Vorgehen gegenüber den BesetzerInnen ist ein Musterbeispiel für das Verhalten von Innsbrucks Stadtpolitikern in den vergangenen Jahren: Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Nach dem Konkurs des Kulturzentrums Utopia schlossen sich 16 heimatlose Kunst- und Kulturvereine zur Plattform Mobile Kulturinitiativen (PMK) zusammen und begaben sich, in zahllosen Gesprächen und Verhandlungen immer wieder von den Stadtverantwortlichen ermutigt, auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für die Szene. Nach schier endlos scheinender Suche, Besichtigung von leerstehenden Räumlichkeiten, Gesprächen mit Architekten, Schallschutzexperten und Juristen sowie der Ausarbeitung von Finanzierungsplänen war schließlich das ideale Objekt gefunden: Ein privater Supermarktbetreiber stellte das Dach eines seiner neu errichteten Geschäftslokale an der Sill zur Verfügung. Bund und Land sicherten ihre Unterstützung zu und budgetierten auch den dafür vorgesehenen Finanzbetrag. Ein bis ins letzte Detail ausgearbeitetes Konzept wurde der Stadt Innsbruck, deren bereits mündlich in Aussicht gestellte Zusage noch fehlte, übermittelt. Doch nun begann ein Marathon der besonderen Art. Über Nacht war es unmöglich geworden, einen Gesprächstermin mit der Stadt zu bekommen – Verzögerungen, Verschiebungen und ausweichende Antworten prägten von nun an die Kommunikation. Mitte November folgte dann die kalte Dusche. In einem kurz gehaltenen Brief teilte die Bürgermeisterin die Ablehnung des Projektes mit und verwies darauf, dass die Plattform Mobile Kulturinitiativen – wie ja auch ihr Name schon besage – die Stärke der Mobilität auch weiterhin im Sinne von Flexibilität und Innovation einsetzen solle.
Doch Innsbruck ist erwacht und lässt sich die Marginalisierung einer ganzen Generation von Kunst- und Kulturschaffenden in Tirols Landeshauptstadt nicht länger bieten. Die Besetzung der Minatti-Halle war der Startschuss in einen ‚heißen Advent‘, wie die AktivistInnen unmittelbar nach der Räumung des Gebäudes ankündigten. Und in der Tat: Nahezu täglich intervenierten sie den ganzen Dezember über mit neuen Aktionen im Stadtraum und machten eines klar: „Aus den Steinen, die man uns in den Weg legt, werden wir uns eine Treppe bauen!“ Und während der aktivistische Teil der Bewegung an neuen Aktionen feilt, kehrten andere im Jänner an den Verhandlungstisch zurück. Die PMK versucht dabei nun, ihre Arbeit mit Hilfe eines von der öffentlichen Hand geförderten Büros auf eine festere Basis zu stellen – auch um weiterhin für die Maximalforderung nach öffentlichem Raum kämpfen zu können. Eine Reaktion von Innsbrucks Politik auf dieses Kompromissangebot fehlt allerdings bislang!
Mehr Informationen rund um die Besetzung sowie über die Aktionen im Innsbrucker Stadtraum gibt’s unter: http://kulturraumfuerinnsbruck.cjb.net
Sylvia Riedmann