Andi Liebl im Gespräch mit Wolfgang Steiner, Leiter der Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming des Landes Oö.
Die Verankerung von Gender Mainstreaming in den Amsterdamer Verträgen der Europaischen Union verhalf der Auseinandersetzung mit Gleichbehandlungsfragen zum Einzug in Gemeinden und Länder der Mitgliedsstaaten. So zum Beispiel auch in Oberösterreich. Die KUPF bat den verantwortlichen Leiter des Landes OÖ zum Gespräch.
Mag. Dr. jur. Wolfgang Steiner leitet seit gut einem Jahr die 14-köpfige Arbeitsgruppe „Gender Mainstreaming“ des Landes Oberösterreich. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen Abteilungen der Landesverwaltung und bilden eine Plattform zentraler AnsprechpartnerInnen in Sachen Gender. Dadurch sollen BeamtInnen und PolitikerInnen des Landes die Möglichkeit haben, das notwendige Know-how zu sammeln, um in der täglichen Arbeit den Genderaspekt zu berücksichtigen. Für den Arbeitsgruppenleiter Steiner ist der erste Erfolg bereits geerntet: Das Topmanagement und die Politik des Landes OÖ stehen hinter GM. Wie es diese Initiative jedoch schafft, sich in der Wirklichkeit zu behaupten, bleibt jeder und jedem selbst zu beurteilen.
KUPF: Zur Definition. Der Begriff Gender Mainstreaming (GM) ist wohl insofern problematisch, als davon auszugehen ist, das es sehr unterschiedliche Vorstellungen zu dieser Strategie gibt. Was versteht nun ihre Arbeitsgruppe unter GM?
Steiner: „Gender“ steht im Unterschied zum biologischen Geschlecht für die soziale Dimension von Geschlecht und thematisiert gesellschaftlich verankerte und verfestigte Rollen, Rechte und Pflichten. „Mainstreaming“ steht für „selbstverständliche Handlungsmuster“. Als Beispiel kann ich hier anführen, dass das Land OÖ seit einem Jahr versucht, die Unterschiedlichkeit von Gesetzesbeschlüssen im Hinblick auf deren Wirkungen auf die verschiedenen Geschlechter zu überprüfen. Das haben wir 2001 auch in der Landesverfassung festgeschrieben.
Warum beschäftigt sich das Land mit Gender Mainstreaming? GM als Strategie ist ja auch von der Europäischen Union proklamiert worden und in den jetzt erweiterten Gründungsverträgen verankert. Daraus leitet sich eine rechtliche Verpflichtung ab, integrierte Gleichstellungspolitik zu betreiben. In weiterer Folge gab es im oö. Landtag entsprechende Anträge und das nahm die Landesregierung zum Anlass, das Thema allgemeiner anzugehen und eben diese Arbeitsgruppe einzurichten. Zusammenfassend kann ich das so auf den Punkt bringen: Das Land Oberösterreich bekennt sich zur Strategie des GM und versucht das über die Arbeitsgruppe in die Breite zu den BeamtInnen und PolitikerInnen zu tragen.
Welche praktischen Erfahrungen konnten sie mit diesem „top down“ Prinzip sammeln? Spielen die BeamtInnen da überhaupt mit, wenn ein Thema verordnet wird, noch dazu eines, das eingefahrene und für manche auch vorteilhafte Rollenmuster in Frage stellt? Wie bei allen Veränderungsprozessen hat es die verschiedensten Reaktionen gegeben. Natürlich gibt es Menschen, die dieser Auseinandersetzung ablehnend gegenüberstehen und nie etwas von sich aus machen. Diese Menschen werden GM auch nie mit Herz tragen. Die andere Erfahrung ist jedoch, dass die Menschen das als Chance sehen, hier auch eigene Wünsche und Anliegen einzubringen. Denn warum soll es keine weibliche Form vom Sekretär geben wenn das doch vorwiegend Frauen sind. In Summe geht es um einen Beitrag zu einer Unternehmenskultur, die wir im Land etablieren möchten. Deshalb war auch unser Ansatz Überzeugungsarbeit zu leisten, dass es hier um kein Modethema geht, sondern um ein Thema, das uns erhalten bleiben wird und mit dem wir leben müssen. Das kommt so oder so. Sprache zum Beispiel. Geschlechtsneutrale Sprache und Schreibweise wird früher oder später für alle bindend sein. Die Frage ist: Wie lebe ich damit? Nach einem Jahr Arbeit ist GM immer noch ein heißes Eisen. Es vergeht keine Landtagssitzung oder kein Ausschuss, in dem kein Antrag zum Thema vorliegt. GM hat sich zu einem gemeinsamen Stichwort entwickelt, GM schwimmt überall mit. Auch am Stammtisch, wo dann Witze darüber gemacht werden. Das ist eben auch ein Weg: mit Witz zum Thema. Und das finde ich besser als gar nicht. Insofern sage ich GM als „top down“ Strategie funktioniert.
Wie äußert sich nun dieser Veränderungsprozess GM in der alltäglichen Arbeit in Verwaltung und Politik? Primär durch Sensibilisierung. Alle Bereiche des Landes sollen auf lange Sicht von GM durchdrungen sein. Heute ist das schon bei der geschlechtsneutralen Gestaltung von Ausschreibungen und bei dem Internetauftritt des Landes zu sehen. Weiters entwickelt sich gerade die Tradition, bei Anträgen und Beschlüssen im Landtag und in Unterausschüssen Unterschiede hinsichtlich der Wirkung verpflichtend anzuführen. So wird den EntscheidungsträgerInnen bewusst, was ihre Entscheidungen bei wem bewirken. Weiters ist die Verankerung von GM im Leitbild ein deutliches Zeichen. Die Durchdringung von GM im Bereich der Förderungen, der Neubesetzungen von Gremien, Funktionen und den Arbeitsplätzen wird auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Gibt es Möglichkeiten das zu überprüfen und zu kontrollieren? Als Arbeitsgruppe haben wir keine Sanktionsmöglichkeiten. Wir sehen unsere Aufgabe darin, aufzuzeigen, was beschlossen wird. Sanktionen erlebe ich eher so, dass Dinge, bei denen der Genderaspekt nicht angesprochen wird, zurückgestellt werden. Das ist keine rechtliche Sanktion, aber der oder die, die das eingebracht haben, geraten in einen Begründungsnotstand. Außerdem gibt es ja das Instrument der Einsichtnahme. Verschiedene Abteilungen schauen sich gegenseitig in die Akten. Und dann wird das angemerkt. Der Verfassungsdienst z.B. sagt dann: Da fehlt etwas, zu dem wir uns bekannt haben.
Nun beschäftigt sich das Land innerhalb seiner Aufgaben mit GM. Wie kommt dieses Thema nun zu den Menschen außerhalb der Verwaltung und Politik? Die Einflussnahme auf Politik und Exekutive ist für uns größer als die auf eine Stammtischrunde im Innviertel. Wir schauen, dass wir in den rechlichen Rahmenbedingungen das leben, was wir uns vorgenommen haben. Wie das die Menschen umsetzen wird sich zeigen. Die Erfahrung zeigt, dass in der Menschengeschichte viel über Recht gelaufen ist. Ich denke z.B. an die Menschenrechte. Primär geht es um ein Signal, das durch das Vorleben der Politik und Verwaltung auch an Glaubwürdigkeit gewinnt. Am Rande bemerkt: Das Problem sehe ich bei den Medien. Da kommt GM kaum zum Tragen. Vielleicht liegt das an der Verkürzung, der Medien unterworfen sind, aber ich denke mir, wenn GM nicht Alltagssprache wird, dann wird das nie Allgemeingut werden.
Das heißt aber nun auch, dass sich ihre Arbeitsgruppe Instrumente überlegen muss, um Verbindlichkeiten herzustellen. Stichwort Förderungen. Klar. In diesem Bereich sind Vorschreibungen in den Förderrichtlinien durchaus sinnvoll. Es geht da um viel Geld und viel Macht. Gerade im Bereich der Wirtschaft. Vergaberichtlinien stellen die notwendige Verbindlichkeit her, und das würde sicher auch rechtlich halten. Wir kennen das ja aus der Fördererklärung, wo drin steht, wenn du schon mal illegal AusländerInnen beschäftigt hast, bekommst du keine Förderungen mehr. Und ich denke mir, nachdem sich das Land zu GM bekannt hat, ist es durchaus möglich, dass hier Maßnahmen folgen werden. Im Förderungsbereich ist das rechtlich auch nicht so eng zu sehen. Das ist ein vertragliches Verhältnis. Da werden Sachen eher partnerschaftlich ausgemacht. Der bessere Weg wäre natürlich aber überhaupt, zu sagen: Ich mache GM, weil es mir ein wichtiges Anliegen ist – und nicht weil ich sonst keine Aufträge oder Förderungen mehr bekomme.
Danke für das Interview.
Andi Liebl