Den Blick ins Jahr 2040 zu richten, dazu lädt Carmen Bayer von der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen ein.
Was, wenn wir heute wissen würden, wie es um Salzburg im Jahr 2040 steht? Würden wir heute schon die Weichen für morgen stellen? Würden wir uns alle im Jetzt ausruhen, im Wissen, dass die Zukunft es schon richten würde? Wir haben in Salzburg zwar kein Orakel von Delphi aber eine Institution, die sich mit Zukunftsforschung befasst: Die Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) hat zum nunmehr dritten Mal eine Studie für Salzburg erstellt, die demnächst als Open Access-Dokument zur Verfügung stehen wird. Salzburg morgen. Die Szenariostudie baut dabei auf vielen unterschiedlichen Zukunftsbildern auf, welche sich wiederum auf Basis diverser möglicher Zukunftsszenarien entwickelt haben. Denn: Zukunft lässt sich nicht festschreiben, sondern ist immer im Wandel und wird von Gegenwartswissen und Vorstellungen über die Zukunft beeinflusst.
Wird es bunter?
Im Rahmen von Salzburg morgen hat auch die Frage nach gesellschaftlicher und kultureller Diversität eine Rolle gespielt. Katharina Kiening (JBZ) und Magdalena Mühlböck (Universität Klagenfurt) haben sich mit eben diesem Teilbereich beschäftigt, lassen Zuversicht aufkommen und legen zuerst eine theoretische Basis für die Auseinandersetzung mit der kulturellen und gesellschaftlichen Diversität: „Kulturen und Gesellschaften können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Wir verweisen in unserem Text zur kulturellen Diversität in Salzburg dafür zur Erklärung auf Latours Akteur-Netzwerk-Theorie. Diese Theorie betont, vereinfacht formuliert, dass es Verbindungen zwischen Akteur*innen gibt, die miteinander in Beziehung treten. Um lose Verbindungen zu einem zusammenhaltenden Strang innerhalb eines Netzwerks erstarken zu lassen, ist wiederholende Performanz notwendig. Wesentliche Faktoren für diese spezielle Theorie sind Akteur*innen, Ort und Zeit. Bei jeder Veränderung dieser drei Parameter kommt es zu Veränderungen des kulturellen Gesamtbildes“, so Mühlböck.
Für die Studie wurde der Fokus dann konkret auf Veränderungen der Lebens- und Familienformen, Religionszugehörigkeiten sowie die Kunst- und Kulturpraxis in Salzburg eingegrenzt. Das Ergebnis: In allen Bereichen zeigt sich eine steigende Differenzierung. Diese stetige Zunahme an diversen Lebensgeschichten hat gleichwohl Auswirkungen auf Ein- und Ausschlussmechanismen im Salzburger Kulturbetrieb, auf inhaltlicher/institutioneller Ebene wie auch bei den Kulturarbeiter*innen sowie dem angesprochenen Publikum, so die Wissenschafterinnen.
Beispiele aus der Salzburger Kulturlandschaft
Das Salzburger Filmkulturzentrum DAS KINO wird beispielhaft als Einrichtung genannt, das etwa mit dem Lateinamerika Filmfestival oder auch den gemeinsam mit dem Afro-Asiatischen-Institut organisierten Afrika-Filmtagen, Programmpunkte in Salzburg verankert hat, die kulturell und gesellschaftliche Diversität fördern. 2022 gehört im Speziellen etwa auch dazu, dass im Zuge des erstgenannten Festivals eine Filmauswahl gezeigt wurde, die sich zur Hälfte von Frauen produziert sah. Nicht nur mit Blick auf die Filmbranche, in welcher Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert sind, ist die hier erreichte Quote ein willkommenes Zeichen für ein verändertes Denken bezüglich Repräsentation und Themensetzung.
Neben der Sparte Film wird auch auf das MARK Salzburg verwiesen, welches durch seine innovativen und diversen Programmpunkte als unabhängiges Kulturhaus für zeitgenössische Kunst- und Kulturvermittlung insbesondere in Salzburg lebende junge Menschen anspricht. Auch die Sendung Queer.beet. Diversity in Salzburg, welche im Rahmen des Freien Radio Salzburgs entwickelt wurde, bietet LGBTQIA*-Perspektiven seit 2021 eine wichtige Plattform.
Viele der in der Studie genannten best practice-Ideen haben schon seit längerem Bestand in Salzburg. Darüber hinaus gibt es weitere, die in der Studie nicht vorkommen: Das Theater ecce etwa steht schon lange für inklusives und partizipatorisches Theater sowie theaterpädagogische Projekte. Und als junges Beispiel ließen sich die Salzburger Tage der Clubkultur ergänzen, die dieses Jahr erstmals Politik und Clubszene miteinander in Austausch gebracht haben. Mit Blick auf die konservativen und auf Tourismus ausgerichteten Kräfte in der Mozartstadt ist diese Vernetzung eine beinahe revolutionäre Entwicklung und ein weiterer Hinweis, dass sich vor Ort etwas bewegt. Mensch darf demzufolge wagen, zuversichtlich in die kulturelle Zukunft Salzburgs zu blicken.
Kulturentwicklungsplan
Neben den Aktivitäten, welche direkt aus den Einrichtungen kommen, spielt das Land als Fördergeber und Ermöglicher von vielen Projekten eine wesentliche Rolle. Dem Kulturentwicklungsplan des Landes 2018 wird in der Studie ein positives Zeugnis ausgestellt, dieser sei als Hinwendung zu gesellschaftlich-kultureller Diversität zu lesen. „Sicher ist es nicht ausgeschlossen, dass sich bis 2040 in der Region Salzburg politische Akteur*innen und die eingeschlagene Denkrichtung bezüglich der Förderung von gesellschaftlich-kultureller Diversität verändert. Und sicher realisieren sich gerade materiell angedachte Zuwendungen aus einem politisch-ökonomischen Komplex heraus, der oftmals nicht d’accord mit öffentlich kommunizierten Versprechungen geht“, so Kiening. „Dennoch kann der letzte Kulturentwicklungsplan als richtungsweisend wahrgenommen werden. Wir hoffen natürlich, dass die Richtung beibehalten wird.“
Möglichkeiten gestalten
Es wird sich zeigen, ob wir den Weg zu mehr Diversität im gesamten kulturellen Angebot bis 2040 erfolgreich umsetzen werden, Basis und Zielsetzung sind auf jeden Fall vorhanden. Aber, wie einleitend dargestellt, dies ist nur eines der möglichen Zukunftsbilder. Wir können uns nicht zurücklehnen und auf die ‘gute Zukunft’ warten. Es liegt an uns allen, Salzburgs Kultur kontinuierlich (noch) bunter werden zu lassen – mittels eigener Projekte, gegenseitiger Unterstützung, konstruktiv formulierter Kritik und ständigen Reflexionsprozessen.
Salzburg Morgen. Die Szenariostudie der Robert-Jungk-Bibliothek ist online abrufbar
→ jungk-bibliothek.org
Die Abbildung in der Online-Version ist eine Schöpfung von DALL·E, einem KI-System, das aus einer Beschreibung realistische Bilder und Kunstwerke erstellen kann. Der eingegebene Text lautete: „Futuristic version of Salzburg“.