#HassimNetz @drlisamaria 

Eine widerwärtige Treibjagd nimmt am 29. Juli ein schreckliches Ende: Dr. Lisa-Maria Kellermayr begeht Suizid. In die Enge getrieben durch Morddrohungen im Netz, aufgehussten und bewaffneten Besucher*innen ihrer allgemeinmedizinischen Praxis, unterlassener Hilfe von Institutionen. Sie war eine engagierte Ärztin, die für eine Meinung eintrat, sich öffentlichen Diskursen stellte, Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse teilte und Patient*innen informierte. 

Opfer psychischer Gewalt stoßen nach wie vor auf Mauern von Häme und Spott. Passiert die Gewalt im Netz, potenziert sich dieses Phänomen um den Faktor Ohnmacht. Im Fall von Frau Dr. Kellermayr kommt noch der Aspekt Geschlecht dazu. Damit ist alles bereit für Opfer-Täter*innen-Umkehr. Man suggeriert Frau Dr. Kellermayr seitens Behörden und Interessenvertretung, dass sie selbst Schuld sei und vielleicht angepasster, ruhiger, ‚weiblicher’ sein solle, um weniger aufzufallen. 

Dieses erniedrigende Prinzip ist aus Vergewaltigungsprozessen bekannt, wenn Opfer angeblich ihre Täter doch provoziert hätten. Der nächste Tritt an Denunzierung, den man Frauen gerne verpasst? Eine psychische Erkrankung andichten. Damit nimmt man dem Opfer Würde und vernebelt die Glaubwürdigkeit. Frau Dr. Kellermayr wird weiter abgewimmelt. Man könne die Täter*innen nicht ausforschen, sei womöglich gar nicht zuständig. Wir wissen mittlerweile: Stimmt nicht. 

In einem Nachruf beschreibt Journalistin Corinna Milborn, dass Frau Dr. Kellermayr aus Angst nicht mehr in ihrer Wohnung übernachtete, sondern im Panikraum der Praxis. Sie spricht von einem „Lynchmob“, dem Frau Dr. Kellermayr zum Fraß vorgeworfen wurde. Ich möchte mich Milborns Forderung anschließen: Gewalttaten müssen als solche gelten – im digitalen wie im physischen. Es braucht in den Behörden Richtlinien und Professionalität für geschulten Umgang im Cyberspace. Es zählt (zivil)couragiertes Aufzeigen von Hass, Häme und Terror im Netz. Und letzten Endes braucht es: mehr Menschlichkeit im Digitalen.