Alles neu beim Festival der Regionen

FdR-Vorstandsmitglieder Fina Esslinger, Lorena Höllriegl und Anna Rieder im Gespräch mit Rainer Zendron.

Rainer Zendron: Das Festival der Regionen hat anlässlich seines 30. Geburtstags einen breiten Diskussionsprozess über Struktur und Ziele in der OÖ Kultur- und Kunstszene initiiert, welcher jetzt, kurz vor der Ausschreibung für die Festivalausgabe 2023, vorläufig abgeschlossen wurde. Zu welchen personellen und strukturellen Änderungen hat dies geführt?

Fina Esslinger: Wir sind angetreten mit dem Ziel, den Verein breiter aufzustellen, die regionale Einbindung zu stärken und einen Generationenwechsel herbeizuführen. Heute freue ich mich, gemeinsam mit meinen neuen Vorstands-Kolleginnen im Interview mit einem der Gründer des Festivals in Austausch zu treten.

Anna Rieder: Es ging auch viel darum, mehr Leuten eine Mitarbeit oder Beteiligung am Festival zu ermöglichen. Vor allem im Hinblick auf die jeweilige Region, in die das Festival alle zwei Jahre geht. Vor Ort sollen mehr Berührungsmöglichkeinen von lokalen Kulturarbeiter*innen, Vereinen, Organisationen und Künstler*innen geschaffen werden. Dadurch wird gewährleistet, dass das Festival nachhaltige Entwicklungen in der Region mittragen kann. Von den Erfahrungen und dem Austausch mit den Menschen sollen eine Region und auch das Festival selbst profitieren können.

Lorena Höllrigl: Die strukturellen Umbauarbeiten lassen eben mehr Menschen einen aktiven Teil des Festivals sein. Durch die neue und breite Aufstellung vom Vorstand beginnend, zum Programmboard, das zu fünft das nächste Festival kuratiert und gestaltet, bis zum Regionalbeirat, der unsere Blicke vor Ort in der Region nochmals verschärft, ergibt sich ein riesiges Netzwerk, das ein superdiverses und einzigartiges Festival ermöglicht. 

FE: Wir sind von einem Intendantenfestival – auch im Sinne von „back to the roots“ – umgestiegen auf ein kollektives Kuratieren und haben uns für das Programmboard 5 Personen gesucht, die das Festival 2023 programmieren. Der Vorstand wurde ebenfalls neu besetzt. Darüber hinaus haben wir ein neues operatives Team, einen neuen Vereinsbeirat und zusätzlich einen Regionalbeirat. Die Beiräte und das Programmboard sind ein flexibles System, das für die jeweiligen Ausgaben neu gewählt wird. Es ging darum, unterschiedliche Netzwerke mit unterschiedlichen Schwerpunkten einzubinden – und im Fall des Programmboards und des Regionalbeirates für jedes Festival neu und spezifisch.

AR: Das Ziel des Festivals der Regionen ist es, dass Kunst im dezentralen Raum dazu führt, die vorhandenen widerständigen Strukturen in den Regionen zu stärken und durch einen Blick von außen sowie durch internationalen Austausch nachhaltig positiv zu prägen. Um mit einem vielfältigen Netzwerk in den Regionen andocken zu können, haben wir die Trägerschaft so aufgebaut, dass sich unterschiedliche Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen darin finden.

Schon bald nach Abtreten der männlich dominierten Gründergeneration gelang es, im Festival eine Parität der Geschlechter in den Entscheidungsgremien und der Projektauswahl durchzusetzen. Doch parallel zur weiblichen Dominanz im Vorstand wurden für die künstlerische Leitung jeweils international erfahrene männliche Kuratoren nominiert. Welche Auswirkungen hatte diese Periode auf das Festival?

FE: Das Festival hat jedenfalls eine Professionalisierung erfahren. Trotzdem – so ein Feedback in dem vom Festival angelegten Strukturentwicklungsprozess – wurde dem Festival nachgesagt, oft wie ein Satellit in einer Region zu landen und damit in gewisser Weise auch austauschbar mit vergleichbaren Festivals zu sein. Darüber hinaus herrschte eine Dominanz durch die jeweiligen Leitungen. Wir sind im Strukturentwicklungsprozess angetreten, wieder mehr Resonanzboden spezifischer regionaler Problemlagen zu sein. Nicht mehr Satellit zu sein, der nach zwei Wochen wieder abhebt. Deshalb war es uns auch sehr wichtig, die KUPF Oberösterreich mehr an das Festival zu binden und auch die regionalen Netzwerke von Anfang an in die Struktur miteinzubeziehen.

LH: Inwiefern eine männliche Dominanz ein Festival, eine Veranstaltung oder generell eine Struktur beeinflusst, nehme ich mir hier nicht heraus, zu beurteilen. Ich bin sehr froh, dass diese zeitgemäße Umstrukturierung und genderneutrale Besetzung auch das Festival erreicht hat und ich freue mich sehr bei dieser Periode dabei sein zu dürfen.

Jetzt wurden die Strukturen so gelegt, dass die Verantwortung wieder diskursiver und auf mehrere Gremien und Personen verteilt werden soll. Welche Strukturen werden dafür eingesetzt und welche Vorteile erwartet ihr euch?

FE: Bei der Projektauswahl waren immer mehrere Gremien bzw. Personen beteiligt. Es gab eine künstlerische Leitung. Aber auch der Vorstand hat sich inhaltlich eingebracht. Nun haben wir ein Programmboard aus 5 Personen, das autonom ein Festival kuratiert. Im Programmboard sind auch Mitglieder des Vorstandes vertreten.

LH: Die Expertise von mehreren Menschen ermöglicht es erst maximalen Output zu bekommen. Erst das Mitdenken und Mitformen mehrerer Köpfe kann auch mehrere Blickwinkel umfassen und so den Kreis schließen. Das junge Netzwerk, welches wir dadurch unterstützen und eben vor allem auch generieren, ist enorm. Von wo schlussendlich alle profitieren können und werden.

AR: Die neue Struktur bedeutet natürlich auch ganz viel Kommunikationsarbeit und zeitgenössische Arbeitsweisen. Bedeutet aber auch eine gewisse Handlungsfreiheit und Spielraum jeweiliger einzelner Akteur*innen, die am Festival beteiligt sind. Wir sind hier noch in einer Testphase, in der sich aber alle auf Augenhöhe begegnen und Kommunikationswege und Aufgaben klar formuliert ausgearbeitet wurden sowie laufend verbessert werden. Ziel für das nächste Festival ist, diese Struktur zu erproben und da nachzuschärfen, wo wir unser Vorhaben nicht erreichen.

FE: Es ist ein Experiment, auf das wir uns sehr freuen und in dem wir schon jetzt sehr viel gelernt haben. Es ist auch wichtig, weiter an der Vernetzung zu arbeiten, die wir begonnen haben und auch Akteur*innen, die im Strukturprozess nur kurz eingebunden waren, nicht zu verlieren. Da jedoch die Struktur so angelegt ist, immer wieder einen Blick darauf zu haben, wer Interesse haben könnte, sich aktiv zu beteiligen, können wir diese auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder abholen – da sind wir optimistisch. Momentan ist die Struktur so besetzt, das nächste Festival zu bespielen, wobei wir hier in der Region ganz intensiv die Netzwerkarbeit fortsetzen. Hier ist der Vorstand aktiv eingebunden. Wir setzen in allen Gremien auf spannende Besetzungen, auf Menschen, die die Kunstlandschaft kennen und immer auch ein Interesse an der Stärkung der OÖ Kunstlandschaft mitbringen. Wir haben eine starke Trägerschaft, deren jeweiliges Leuchtfeuer, das Festival selbst, sich immer wieder anders gestalten lässt. Dazu werden laufend das Modell der neuen Struktur nachgeschärft und Schwerpunkte, die sich durch den Austausch ergeben, neu gesetzt.

AR: Wir müssen unsere Relevanz wieder hervorkehren und den nötigen Spielraum geben, dass tatsächlich etwas gemacht werden kann. Wir hoffen auch, über unsere neue breit aufgestellte Struktur und dem Angebot an eine neue Generation das Interesse an einer intensiven Auseinandersetzung mit dem dezentralen Raum wieder mehr anzuregen.

In den Anfangsjahren habe ich in Texten zum Festival mehrmals den Begriff „Kraft der Provinz“ bemüht. Dies sollte die eigenständige regionale Entwicklung hervorheben. Gleichzeitig könnte jedoch durch die Umstrukturierung auch eine Provinzialisierung drohen. Wird es auch in Zukunft internationale Positionen im Festival geben?

FE: Ja. Der Austausch ist uns extrem wichtig und ist auch das, was die Kraft der Provinz stärkt.  Es gibt eine klare Arbeitsteilung: je nach Fähigkeiten der Akteur*innen und Gremien werden nationale wie internationale Positionen eingebracht. Es geht um keine beliebige „Leistungsschau“ der OÖ Künstler*innen, sondern darum, sich mit der jeweiligen Region intensiv zu befassen und diese nachhaltig zu prägen.

LH: Die regionale Entwicklung steht beim Festival ganz oben und kann sowohl von Internationalen als auch Regionalen Akteur*innen geprägt und gestärkt werden. Das Festival selbst hat eben auch den Auftrag, regionale und internationale Akteur*innen auf Augenhöhe zusammen zu bringen, sodass diese voneinander profitieren können und werden.

AR: Eine so breite diverse Zielgruppe anzusprechen ist immer ein schwieriger Spagat, denn wir denk ich alle auch aus unseren anderen Tätigkeitsfeldern im Kulturbereich kennen. Diesen Spagat muss man immer im Blick haben, egal um welche Zielgruppen es dabei geht und man muss sich auch immer fragen, wie viel Gewicht man ihm gibt. Eine internationale Beteiligung am Festival ist meiner Meinung nach nicht vorrangig für das Publikum relevant, sondern vor allem für am Festival beteiligte Künstler*innen, Vereine und Kulturarbeiter*innen, die so ihre Arbeit im Austausch mit Ideen, die aus dem Ausland kommen besprechen, neue Motivation und Inspiration sammeln und Kontakte knüpfen können. Eine Gefahr der Provinzialisierung sehe ich dabei nicht.

In den vergangenen Jahren wurden der darstellenden Kunst beträchtliche finanzielle Ressourcen gewidmet. Soll dieser Schwerpunkt beibehalten werden?

LH: Das Festival zeichnet sich dadurch aus, für alle Kunstformen geöffnet zu sein. Das schlussendliche Auswahlverfahren hängt natürlich sehr stark mit den eingereichten Projekten zusammen und den künstlerischen Schwerpunkten der jeweiligen Programmverantwortlichen. Der Fokus liegt bei der Auswahl der Projekte bei der Einbeziehung in die Region, welche Kunstform diese dann haben ist für mich zweitrangig.

AR: Da die Auswahl der Projekte sowie die Kuratierung eines zusätzlichen Rahmenprogramms nun durch ein mehrköpfiges Board erarbeitet und entschieden wird, soll hier auch eine gewisse Vielfalt gewährleistet sein. Das Board ist bewusst mit Personen unterschiedlicher Disziplinen besetzt.

FE: Die Stärke des Festivals war es immer, Kunstprojekte zu erarbeiten, die sonst in den Regionen in Oberösterreich nicht so stattgefunden hätten – mittlerweile gibt es mehrere Formate, die diesen Rahmen schaffen. Wir haben jedoch nach wie vor den Anspruch und setzen uns dafür ein, den Projektträger*innen einen so großen Freiraum wie möglich bieten zu können. Was sich insofern aber immer schwieriger gestaltet, da die Grundfinanzierung in 30 Jahren Festivalgeschichte im Grunde nie erhöht wurden. Der partizipative Ansatz bleibt bestehen: es ist uns ein Anliegen, vor allem die kreativen Kräfte in den Regionen einzubinden und ihnen zu mehr Selbstverständnis in der Bevölkerung zu verhelfen. Das Vermittlungsangebot ist dabei ein zentrales Element. Wir wollen dieses durch einen generationenübergreifenden Austausch ausbauen. Wir sind Nomaden, was den Austausch zwischen den Regionen anregen soll. Es geht darum, initiativ tätig zu sein und erarbeitete Modelle in die nächste Region weiterzutragen. Durch welche Produktionen das nun stattfindet, kommt ganz auf die Auswahl des Programmboards an.

Habt ihr fürs kommende Jahr schon Thema und Region festgelegt?

FE: Ja, haben wir – das Festival der Regionen 2023 findet von 23. Juni bis 2. Juli in der Region entlang der Summerauerbahn statt. Unter dem Titel “Höchste Eisenbahn” stehen aktuelle Zukunftsfragen im Fokus der künstlerischen Auseinandersetzung. Von der Klimakatastrophe bis zum gesellschaftlichen Miteinander.

LH: Ja wir freuen uns sehr, mit dem kommenden Festival die Sichtweise zu verändern und eine neue Art von Region präsentieren zu können. Eine Wegstrecke, die wir gemeinsam beschreiten und entdecken wollen, um eben dort auch etwas zu hinterlassen – von Linz bis nach Tschechien.

AR: Das Thema “Höchste Eisenbahn” bietet enorm viel Platz, verschiedene Perspektiven abzubilden. Verschiedene Perspektiven dafür, für was es denn eigentlich höchste Eisenbahn ist. Dabei wird es spannend hier internationale Arbeiten neben regionalen zu sehen, einer jungen Generation neben der von Künstler*innen, die sich schon länger in diesem Feld bewegen. Es ist ein Thema, bei dem das Publikum zu Diskursen aufgefordert wird, andere Positionen zu verstehen versucht oder neue Themen in sein eigenes Bewusst sein lässt.


Mehr zur Neuaufstellung des Festivals der Regionen lest ihr hier: