Emotionen, Politik, Gesellschaft

Anna Durnova erforscht Gefühle und wie über sie gesprochen wird.

Welche Rolle spielen Emotionen in Politik und Gesellschaft?

Emotionen nehmen politisch und gesellschaftlich eine zentrale Rolle ein – als Gegenstand politischer Auseinandersetzungen genauso wie als Merkmal der polarisierenden Diskussionen rund um aktuelle Entwicklungen. Eines wird dabei häufig außer Acht gelassen: Gefühle haben strukturelle Ursachen. In meiner Arbeit will ich herausfinden, warum die emotionale Last in der Gesellschaft ungleich verteilt ist. Wie entstehen emotionale Herausforderungen? Was braucht es, um sie zu bewältigen? Soziale Beziehungen und sozioökonomischer Status spielen dabei eine zentrale Rolle.

Wozu forschst du gerade konkret?

Derzeit erforsche ich, wie Emotionen, die wir im privaten Umfeld erleben, gesellschaftlich diskutiert werden. Eines meiner letzten Projekte beschäftigt sich mit Einsamkeit und den damit verbundenen Gefühlen. Einsamkeit ist gerade in der Pandemie ein zentrales Thema geworden. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um etwas Individuelles. Aber Einsamkeit ist sozial und ökonomisch bedingt und wird je nach Alter, Geschlecht und sozialer Situation unterschiedlich diskutiert: Wem wird in der eigenen Emotionalität Recht gegeben? Welche und wessen Emotionen werden anerkannt und welche nicht? Diese Fragen entscheiden unter anderem, welche politischen Maßnahmen getroffen werden.

Mit welcher Art von Emotionen hast du zu tun und wie erforschst du sie?

Überwiegend mit Angst, Frustration und psychosozialem Wohlbefinden. Aber auch Freude und Erleichterung kommen vor. Ich arbeite mit der Methode der Diskursanalyse, das heißt ich erforsche, wie über Emotionen gesprochen wird. Dabei durchkämme ich öffentliche Debatten und erforsche jene Emotionen, die dabei aufpoppen. Ich untersuche vor allem das Umfeld, in dem die Emotionen artikuliert werden – wer sagt was, wie und wo. Diskurse sind so etwas wie komplexe Gedächtniskarten, die uns den Weg weisen und erklären, warum wir manche Emotionen in einem Umfeld akzeptieren und andere eher nicht.