Wozu braucht es den Freien Rundfunk in Zeiten von Podcasts, Social Media und Co.? Immerhin wird ersterer jährlich mit drei Millionen Euro durch den Bund gefördert. Ein Plädoyer für Community Medien als Orte der Teilhabe, Weiterbildung und Demokratisierung von Katharina Biringer.
Der Freie Rundfunk in Österreich ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfes um legale Anerkennung. Dort werden keine kommerziellen Informations- oder Unterhaltungsformate präsentiert. Der Freie Rundfunk basiert auf Bottom-up-Initiativen, die seit den 1990er Jahren von engagierten Aktivist*innen ins Leben gerufen wurden.
Community Medien fördern aktiv die Teilhabe der Bevölkerung. Jede*r kann sich – unabhängig von der Staatsbürger*innenschaft – bei einem der in Österreich ansässigen Freien Radio- oder TV-Sender mit einer eigenen Idee um einen Sendeplatz bewerben. Es geht um Empowerment, Community Building, Inklusion und darum, jenen Menschen eine Stimme zu geben, die ansonsten medial nicht gehört werden.
Vielfalt, Bildung, Aktivismus
Betrachtet man die einzelnen Sender, so sind diese zwar sehr vielfältig, ähneln einander aber in einem Punkt: Ihr Programm ist bunt und großteils von ehrenamtlichen Sendungsmachenden gestaltet. Von gesellschaftspolitischem und regional-lokalem Programm über Kulturelles und Musikalisches bis hin zu Sendungen für bestimmte sprachlich diverse Communities ist vieles vertreten, was sonst nirgends vorkommt.
Sonderveranstaltungen wie die feministischen Radiotage Claim the Waves auf Radio Orange 94.0 bieten die Möglichkeit, mit dem Radio in Kontakt zu treten und sich in Vorträgen und Workshops weiterzubilden. Außerdem kooperieren viele Sender mit Schulen und vermitteln Kindern und Jugendlichen Kompetenzen im Umgang mit Medien. OKTO TV und Radio Orange sind jährlich auf der Regenbogenparade in Wien vertreten und der Linzer Sender Radio FRO bot mit dem Projekt #itsup2us Initiativen ein Podium, um zivilgesellschaftliches Engagement sichtbar zu machen. Freie Radio- und TV-Sender sind also auch Bildungsinstitutionen und Plattformen für gesellschaftspolitischen Aktivismus.
Wer wird nicht erreicht?
Community Medien decken ein breites Spektrum der Bevölkerung ab (s. Infobox). Eine Umfrage aus dem Jahr 2018 zeigt aber, dass vor allem Personen mit geringem formalen Bildungsgrad schlechter erreicht werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Ein Mangel an Zeit und Geld für eine ehrenamtliche Tätigkeit spielt genauso eine Rolle, wie der Respekt vor der Gestaltung einer Sendung – schließlich machen das sonst nur professionelle Journalist*innen. Viele kennen auch einfach die Angebote der Community Medien nicht.
Eine Aufgabe für die zukünftige Entwicklung der Community Medien kann sein, verstärkt Personen mit geringem formalen Bildungsgrad ins Boot zu holen. Wie das gelingen kann, muss jeder Sender selbst entscheiden, da sie sich in Struktur und Arbeitsweise sehr stark voneinander unterscheiden. So kann man verstärkt auf Vereine und Initiativen zugehen, in der sich die Zielgruppe engagiert und trifft.
Was es braucht
Derartige Projekte bedürfen personeller und vor allem finanzieller Ressourcen. Die Förderung durch den nichtkommerziellen Rundfunkfonds ist für die Existenz des Freien Rundfunks essenziell. Diese Förderung ist im Gegensatz zu der des privaten Rundfunks seit Jahren nicht gestiegen. Da Community Medien ihre Tätigkeit aufgrund ihrer Verpflichtung zur Nicht-Kommerzialität nicht durch Werbung finanzieren, bräuchte es eine Erhöhung des Fördervolumens, damit Freie Radio- und TV-Sender ihre demokratiepolitisch wichtigen Aktivitäten adäquat fortführen oder sogar ausbauen können.
Dazu zählt auch die im digitalen Zeitalter immer wichtiger werdende Förderung von Medienkompetenz. Wegen sich ändernder Hörgewohnheiten, aber auch wegen neuer Produktionsweisen, die etwa die Sendungsgestaltung von zu Hause aus erlauben, werden die Sender selbst immer digitaler. Mit dem Cultural Broadcasting Archive (CBA) und der Radiothek verfügen sie über zwei Plattformen, auf denen sich Beiträge der Freien Radios bequem nachhören lassen. Dahingehend ähneln sie Podcasts. Und manchmal integrieren sie Podcasts sogar. Mit dem Anbieten einer Plattform an marginalisierte Gruppen, dem Voicing, und ihrer Aktivität als Medienbildungseinrichtung sind sie aber mehr noch als Podcasts wichtige Institutionen, die es in einer Demokratie braucht.
Infobox
Die Begriffe Community Medien und Freier Rundfunk werden im Beitrag synonym verwendet. Außerdem gibt es noch viele weitere Bezeichnungen, wie Citizen Media, Alternative Media oder Freie Medien. Österreichweit senden mehr als 3.000 ehrenamtliche Sendungsmachende in 41 Sprachen auf 17 Radio- und TV-Sendern. Sie decken alle Altersklassen ab und sind recht heterogen hinsichtlich ihres Geschlechtes. Beim formalen Bildungsgrad überwiegen hingegen klar die höheren Abschlüsse.
Literatur
Peissl, Helmut & Seethaler, Josef, unter Mitarbeit von Biringer, Katharina (2020): Public Value des nichtkommerziellen Rundfunks. Wien: RTR. https://www.rtr.at/files/epaper/RTR-PublicValue-2020/epaper/RTR_PublicValue.pdf
Weiterführende Literatur
Bellardi, Nadia, Busch, Brigitta, Hassemer, Jonas, Peissl, Helmut & Scifo, Salvatore (2018): Spaces of Inclusion – An explorative study on needs of refugees and migrants in the domain of media communication and on responses by community media. https://edoc.coe.int/en/refugees/8040-spaces-of-inclusion-an-explorative-study-on-needs-of-refugees-and-migrants-in-the-domain-of-media-communication-and-on-responses-by-community-media.html#
Peissl, Helmut & Lauggas, Meike (2016): „Ich lerne mit jeder Sendung!“ Bildungsleistungen und Beiträge zum lebensbegleitenden Lernen des nichtkommerziellen Rundfunks in Österreich. https://www.rtr.at/medien/aktuelles/publikationen/Publikationen/SchriftenreiheNr22016.de.html
VFRÖ, VCRÖ & COMMIT (2018): On Air. 20 Jahre Community Medien – Die etwas anderen Privatsender. https://www.freier-rundfunk.at/download/artikeldok-8.pdfVerband Freier Rundfunk Österreich (VFRÖ) (2020): Charta des Freien Rundfunks Österreich. https://www.freier-rundfunk.at/charta.html