Schmähtandler*innen

Geld ist eine ambivalente Angelegenheit. Symbolisch aufgeladen auf der einen Seite. Funktional und unbestechlich auf der anderen. Und schwieriger wird es, wenn mit Kultur gehandelt wird. Der Preis materieller Gegenstände ist ermittelbar: durch Vergleich mit Waren entsprechender Qualität. Wenn aber das Projekt, die Performance, die Inszenierung honoriert, gefördert, bezuschusst werden soll, wird erst einmal ins Ungewisse einbezahlt. Vertrauen und sein Gegenteil sind jetzt mit Geld verlötet – und oft auch Neid und Scham. Ist es nicht unerhört, sich mit dem Ausdruck des Eigenen zu verdingen? Wer Lust und Liebe sät, mag Luft und Liebe ernten! Und auf Empfänger*innenseite geistert heimlich Unbehagen darüber, für die ‹warme Leidenschaft› das starre, kalte Geld zu nehmen …

Geld stinkt eben doch. Ein psychoanalytischer Blick in die menschliche Entwicklungsgeschichte hilft zu verstehen, warum: Kleine Kinder erleben die erlangte Fähigkeit, die Herausgabe der Exkremente zu steuern, mit Vergnügen. Kot ist ihr erstes Eigentum. Über das wird machtvoll verfügt. Er wird hergegeben oder behalten. Sigmund Freud hat die Verkoppelung von Geld und Dreck in einem Beitrag über den Analen Charakter aufgegriffen. Aber die Gleichung ‹Kot = Geld› ist nicht der analytischen Weisheiten letzter Schluss. Geld ist laut Triebtheorie «polymorph pervers»¹, verbunden also mit allen Bereichen, in denen Lust (und ihr Gegenteil) sich tummeln kann. Geld verspeist und vernichtet, verschwendet und prahlt, penetriert und vergiftet.

Ich selbst war lange im Kulturkontext zu Hause. Die stolze, monetäre Abhängigkeit leugnende Vorstellung, mit der Leidenschaft an der Sache selbst ausreichend entlohnt zu sein, ist mir nicht fremd. Sie holte mich als Analytikerin wieder ein, als ich einer Patientin, die sich nach der Länge einer Behandlungsstunde erkundigte, antwortete: «60 Euro lang». Die Fehlleistung enttarnte mich als Schmähtandlerin. Es war mir peinlich, den Handel offengelegt zu haben, der eben auch mit der Begegnung verbunden ist. Es braucht halt Zeit, zu sehen und zu ertragen, was so am Gelde hängt: Verschwendung und Liebe, Vernichtung und Sex, Neid und Liebe, Schuld und Scham.

¹ Franz Wellendorf: „Pecunia non olet“ – Macht und Gleich­Gültigkeit des Geldes in der Psychoanalyse. In: Die phantastische Macht des Geldes, hrsg. v. Ingo Focke, Mattias Kayser u. Uta Scheferling, Stuttgart 2013.