Geld fürs Gemeinwohl!

Ein Plädoyer von Christina Buczko.

Eine andere Wirtschaft und auch ein anderes Geldsystem sind möglich. Die Forderung nach einer alternativen Form des Wirtschaftens ist keineswegs neu. Eine ihrer wesentlichen Grundlagen ist das Geld- und Finanzsystem. Es wird jedoch öffentlich kaum thematisiert und hinterfragt. Dabei bestimmt Geld unser aller Leben in einem sehr hohen Maße. All jene, deren Einkommen durch so genannte Lockdowns gerade einbrechen, erfahren das sehr unmittelbar.

Die Logik der privaten Geldschöpfung …

Private Unternehmen zielen auf die Erwirtschaftung von Profiten – unter anderem, um vorangegangene Schulden, etwa in Form verzinster Kredite, bedienen zu können. Das erzeugt die Dynamik einer laufenden Schaffung von neuem Geld – der privaten Geldschöpfung durch Geschäftsbanken in Form von Kreditvergaben – auf der einen, und dessen Vernichtung – durch Kreditrückzahlung mit Zinsen – auf der anderen Seite. Auf all das wurde von Ökonom*innen, die sich kritisch mit Wachstumsfragen auseinandersetzen, mehrfach hingewiesen.

… und ihre Folgen

Diese Form des Geldkreislaufs und des entsprechenden Wirtschaftens hat hohe soziale Kosten und führt uns seit Jahren in zunehmende Ungleichheit und eine Prekarisierung nicht (primär) profitorientierter Arbeit – wie etwa im Bereich Kunst und Kultur – im Dienste der Gesellschaft. Unser heutiges Wirtschaftssystem bedroht damit ernsthaft die Grundfesten unseres sozialen Gefüges, und unterliegt zudem keinerlei demokratischer Teilhabe – auch wenn einige Verfassungen, wie etwa in Bayern, Spanien oder Italien, festhalten, dass sowohl wirtschaftliches Handeln als auch Reichtum dem Gemeinwohl untergeordnet sind. Zu den bekannten, spürbaren Konsequenzen zählen unter anderem Steuerflucht, erhöhter Lohndruck, steigende Mietpreise und aktuell eine abrupt gestiegene Erwerbsarbeitslosigkeit, die gerade auch im Kunst- und Kulturbereich die Lücken unserer sozialen Sicherungssysteme deutlich werden lässt. Dies ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz, ist doch gerade bei der Thematisierung gesellschaftlicher Schieflagen und, noch wichtiger, ihren Alternativen, die Arbeit von Künstler*innen und Kulturschaffenden unentbehrlich. Kunst und Kultur schaffen Realität(en).

Weiter wie bisher ist keine Lösung!

Da uns das neoliberale TINA-Mantra («There is no Alternative») als Folge der aktuellen Wirtschaftskrise und steigender staatlicher Verschuldung noch länger erhalten bleiben wird, muss der Ruf nach einem nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Wirtschaften sowie einem gemeinwohlorientierten Geldsystem nun umso lauter erschallen. Hierbei ist auch die öffentliche Hand gefragt. Die wirtschaftspolitischen Dogmen der vergangenen Jahre – «Deregulierung», «Schuldenobergrenze», «Schuldenbremse», «regressive Steuern» etc. – werden auch von neueren geldpolitischen Theorien zunehmend hinterfragt. Ein Beispiel ist die Modern Monetary Theory. Der Ökonom Maurice Höfgen, einer ihrer Verfechter*innen, fasst deren Ziele so zusammen: «All jene Aufgaben, die originäre Gemeinschaftsaufgaben sind, wie auch jene, die einen großen Einfluss auf das Gemeinwohl und den sozialen Frieden haben, sollten permanent und in bestmöglicher Qualität – frei von Profitzwängen – staatlich bereitgestellt werden.»

Betrachten wir das Geldsystem als eine öffentliche Infrastruktur, demokratisch geregelt und mit dem Ziel des Gemeinwohls. Fordern wir ein Ende der passiven Wirtschafts- und Fiskalpolitik der vergangenen Jahrzehnte und entziehen wir die Geldschöpfung der privatwirtschaftlichen Profitlogik. Das Bankwesen in seiner heutigen Form ermöglicht keine adäquate Finanzierung gesellschaftlich wertvoller Aufgaben. Höfgen spricht hier von einem «instrinsischen Widerspruch zwischen dem Geschäftsmodell der Banken, das auf Maximierung des Shareholder Value und kurzfristigen Profit ausgelegt ist, und dem Gemeinwohl». Alternativ könnte etwa bei jeder Kreditvergabe – neben einer betriebswirtschaftlichen Prüfung – eine systematische Gemeinwohl-Prüfung mit sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien verpflichtend werden. Analog dazu sollten «Finanzprodukte» jeglicher Art ein gesetzlich geregeltes Zulassungsverfahren nach Gemeinwohl-Kriterien durchlaufen, und spekulative Geld-Geschäfte, wie z. B. Hochfrequenzhandel, für Institutionen mit Geldschöpfungsprivileg (= Geschäftsbanken) verboten und grundsätzlich wie Glücksspiel behandelt werden .

Von oben nach unten

Darüber hinaus sollten alle Banken und institutionellen Anleger*innen in Privateigentum grundsätzlich «small enough to fail» sein, um nicht als systemrelevant zu gelten und wiederholt mit öffentlichen Geldern gerettet werden zu müssen. Demgegenüber sollten ethische, regionale und gemeinwohl-orientierte Banken gezielt gefördert und unter weniger strengen Auflagen als private, gewinnorientierte Geldinstitute operieren dürfen. Dem inhärenten Umverteilungseffekt von Zinsen und Zinseszinsen «von unten nach oben» würde durch die Umsetzung oben genannter Maßnahmen bewusst und systematisch entgegen gesteuert werden. Für die Reduzierung der extremen Ungleichverteilung von Geldvermögen müssten ergänzend auch steuerliche Maßnahmen ergriffen werden, etwa indem Gewinne aus Finanzvermögen deutlich höher besteuert werden, als Arbeitseinkommen und Gewinne aus realwirtschaftlichen Aktivitäten. Denn: Geld alleine kann nicht arbeiten. Daher sollten wir uns dringend und ernsthaft Gedanken darüber machen, wie Geld vom Selbstzweck zu einem Mittel werden kann – für ein gutes Leben für alle.

Weiterführende Literatur:

Mathias Binswanger, Geld aus dem Nichts. Wie Banken Wachstum ermöglichen und Krisen verursachen, Weinheim 2015.

Genossenschaft für Gemeinwohl, Kreditvergabe als Gestaltungs­ macht, Policy Paper 2, 2019. → gemeinwohlakademie.at/de/pp_kredit

Genossenschaft für Gemeinwohl, Too Big to Fail. Ein systemisches Risiko für unsere Gesellschaft, Policy Paper 1, 2019. → gemeinwohlakademie.at/de/pp_toobig

Maurice Höfgen, Mythos Geldknappheit. Modern Monetary Theory oder Warum es am Geld nicht scheitern muss, Stuttgart 2020.

Thomas Piketty, Kapital und Ideologie. München 2020.